Die Schwelle
Dies ist eine Rezension aus Der phantastische Bücherbriefdem monatlich von 1980 bis 2021 erschienenen Newsletter vom Club für phantastische Literatur von Erik Schreiber. |
Sam arbeitet bei einem Pharmaunternehmen und sitzt in einem Großraumbüro. Abgeteilt sind die kleinen Büros nur durch Stellwände. Mit seinen Kollegen versteht er sich eigentlich recht gut und die Arbeit macht ihm Spaß. Sein bester Freund Stew arbeitet nur ein paar Plätze weiter. Mit Kollegin Tess hat er ein zwangloses Verhältnis und auch sein Chef Frank ist sehr human¸ wenn Sam sich mal wieder verspätet.
Eines Tages aber fängt Sam an zu halluzinieren. Da er schon einen psychiatrischen Klinikaufenthalt hinter sich hat will er mit dem Problem erst mal allein fertig werden. Aber die Stimmen¸ die er hört¸ sind zu authentisch. Und plötzlich taucht sogar eine Faust aus dem Monitor auf und verpasst ihm eine sehr real blutende Nase. Sam versucht sich Stew anzuvertrauen und geht sogar wieder zu einer Therapeutin¸ aber es wird immer schlimmer. Die Stimmen beschimpfen ihn als Monster¸ das mit sechs Jahren seine Mutter in den Selbstmord trieb. In Sam werden längst vergessen Erinnerungen wieder wach. Und dann versucht seine Kollegin Michelle ihn auch noch nach allen Regeln der Kunst zu verführen. Der arme Sam weiß gar nicht mehr wo er hingehört und was er glauben soll.
Eines Morgens wird dann in Sams Büro eine furchtbare Entdeckung gemacht. Der unbeliebte Kollege Ben wurde brutal ermordet. Und auch wenn keiner so richtig um ihn trauert ist das Entsetzen groß. Ben soll nicht der einzige Tote im Büro bleiben¸ drei weitere Kollegen fallen dem brutalen Mörder noch zum Opfer. Und Sam gerät immer mehr in den Fokus der Ermittlungen. Ist er dazu tatsächlich fähig?
Sam weiß nicht mehr was real und was Fantasie ist und hat immer mehr das Gefühl¸ durchzudrehen. Bei seinen Ermittlungen stößt er schließlich auf das Projekt „Die Schwelle“¸ eine Pforte in eine fremde Dimension. Ist dies der Schlüssel¸ nachdem er so fieberhaft sucht?
Das Buch ist spannend und verstörend zugleich geschrieben. Da ich selber in der Psychiatrie arbeite konnte ich mich sehr gut in die verwirrenden Gedanken von Sam hinein versetzen. Viele meiner Patienten erzählen mir von ähnlichen Erlebnissen. Meiner Meinung nach hat der Autor da eine sehr gute Recherchearbeit geleistet. Vielleicht bekomme ich ja die Gelegenheit¸ ein Interview mit ihm darüber zu führen.
Als Leser wird man in den Sog des Wahnsinns hinein katapultiert und ist sehr gespannt auf das Ende. Was den Autor sicher auch noch auszeichnet ist eine gehörige Portion schwarzer Humor und Sarkasmus. Als Ben zum Beispiel in der Nacht zum Dienstag ermordet wird¸ findet Sascha Herren folgende Worte: „An einem Dienstag zu sterben ist Mist. Grundsätzlich lässt sich behaupten¸ Sterben an sich ist Mist¸ gerade aus der Perspektive der Betroffenen. Aber das Dahinraffen an einem Dienstag setzt voraus¸ dass man sich den Montag noch geben musste. Wäre man beispielsweise an einem Montag gestorben¸ hätte man noch behaupten können¸ den letzten Tag auf Erden mit einem Sonntag verbracht zu haben. Ausschlafen¸ frühstücken¸ kein Stress¸ Grandmas Braten¸ Kaffee und Kuchen und schließlich ein Fernsehabend mit eeinhergehendem Sonntagsfilm. Aber nein¸ dem am Dienstag sterbenden bleibt nur der Montag...“
Diese Art des Schreibens trifft genau meinen Humor¸ aber dennoch bleibt das Buch spannend und wird nicht ins lächerliche gezogen.
Am Anfang des Thrillers werden die Begriffe „Gesundheit“¸ „Wahnsinn“ und „Wirklichkeit“ erklärt¸ auch eine schöne Idee.
Das Titelbild ist sehr treffend gestaltet¸ verschwommen sieht man einen grünlich schimmernden Korridor¸ ähnlich einem Krankenhausflur. Die Schwelle....?
Sascha Herren wurde 1981 in Bremerhaven geboren. Mit „Fallensteller“ erschien 2008 sein erster Roman. Nach mehreren Parabeln sowie zwei kurzen Ausflügen mit dem Pseudonym Erik Thalberg ist die Schwelle sein nächster Roman der zu einer wahnsinnigen Achterbahnfahrt an die Schwelle der manipulierbaren Realität einlädt.
Der Autor wohnt und arbeitet derzeit in der Nähe von Bonn.
Susanne Giesecke
Eine Rezension von: Erik 'vom Bücherbrief' Schreiber https://www.facebook.com/erik.schreiber.355