Die Nebelburg: Die Greifenritter von Alnoris
Dies ist eine Rezension aus Der phantastische Bücherbriefdem monatlich von 1980 bis 2021 erschienenen Newsletter vom Club für phantastische Literatur von Erik Schreiber. |
Daphne möchte mehr¸ als nur den Rest ihrer Tage in einem beschaulichen Dorf zu verbringen - vielleicht Schulmeisterin wie ihr Vater werden und auf jeden Fall eine Familie gründen. Sie träumt von großen Abenteuern¸ genau wie ihre Freundin Rinia¸ die schon eher die Chance hat¸ in den Dienst des Ritters zu treten¸ der ihre Heimat beschützt. Doch auch damit scheint es vorbei zu sein¸ als dieser überraschend ums Leben kommt.
Doch dann tut sich eine neue Chance auf¸ denn zu seiner Trauerfeier erscheinen zwei Greifenreiter - Angehörige der Elitegarde des Königreiches. Die beiden Mädchen nutzen die Chance¸ die sich bietet¸ als diese andeuten¸ dass man immer auf der Suche nach geeigneten Rekruten ist und gerade wieder neue Anwärterinnen angeworben werden¸ auch wenn Daphne dabei einen Trick anwenden muss. Und tatsächlich bestehen sie die Eignungstests.
Die Ausbildung ist jedoch nicht ganz so¸ wie es sich Daphne und Rinia vorgestellt haben¸ denn bevor sie erst einmal mit den Greifen in Berührung kommen dürfen¸ müssen sie höfisches Benehmen. Pagenpflichten und als Knappen die Kampfkunst zu Pferde erlernen.
Doch gerade Daphne¸ die eine Weile fürchtet¸ dass ihre Eltern sie zurückholen könnten¸ beißt die Zähne zusammen¸ kämpft sich durch die Ausbildung und schluckt dabei den Zorn über die Boshaftigkeiten ihrer schärfsten Rivalin herunter. Und auch für ihre Fehler ist sie schließlich bereit einzustehen. Aber sie ist auch die Erste¸ die bemerkt¸ dass sowohl das Königspaar als auch ihre Lehrmeister und die restlichen Ritter den Pagen und Knappen etwas verschweigen.
Nach und nach entdeckt sie zusammen mit Rinia¸ dass sich ganz offensichtlich ein böser Zauberer namens Scalmac im Reich eingenistet hat und üble Ränke spinnt. Im alten Elfenwald hat er seine Nebelburg errichtet¸ in der schon viele mutige Ritter ihr Leben verloren haben. Als ein enger Freund der beiden Mädchen stirbt¸ beschließen sie¸ das Schicksal selbst in die Hand zu nehmen.
"Die Nebelburg" wirkt auf den ersten Blick wie einer der unzähligen Fantasy-Romane¸ die sich zunächst erst einmal mit der schwierigen Lehrzeit der jungen Helden beschäftigen und mit ein paar kleinen Nebenabenteuern auflockern.
Tatsächlich ist er aber doch ganz anders¸ da das anfängliche Kapitel in Form eines Cliffhangers neugierig darauf macht zu erfahren¸ wie die Heldin Daphne in das Schlamassel geraten ist. Zudem wurde die Handlung nicht unnötig in die Länge gezogen¸ sondern bewusst auf das Wesentliche reduziert und ist dabei auch noch klug durchdacht. Denn wenn man zurückblickt¸ wird man erkennen¸ dass es bereits in den ersten Kapiteln Hinweise auf die Machenschaften des Zauberers gibt und in der Folge immer weitere Andeutungen eingestreut werden¸ die das alles ergänzen.
Bis die Hauptfiguren jedoch zur Tat schreiten können¸ müssen sie eine harte und oftmals unangenehme Ausbildung durchstehen¸ in der nicht alles so abläuft¸ wie sie es sich vorgestellt haben¸ und so manche Ungerechtigkeit auf sie wartet.
Natürlich treffen sie dabei auf Kameraden¸ die sie ständig auszubooten versuchen¸ die ihr eigenes Spiel spielen oder hilflos nach Freundschaften suchen¸ aber die Autorin verzichtet darauf¸ das all zu sehr auszuwalzen.
Sie bleibt auf das eigentliche Thema konzentriert¸ denn selbst kleine Episoden wie Daphnes Rettung eines vom Sturm verwehten Greifenkükens¸ das sie später betreuen und Sturmfänger nennen darf¸ wird später noch einmal aufgegriffen. So entfaltet sich nach und nach eine atmosphärisch dichte Geschichte¸ die sich neben allem Realismus auch noch eine märchenhafte Note bewahrt - gerade bei der Schilderung des verwunschenen Waldes kommt das zum Tragen.
Die Figuren sind sehr lebendig ausgearbeitet und hinterlassen einen bleibenden Eindruck¸ da sie neben ihren Stärken auch Schwächen haben und sich in vielem sehr menschlich verhalten. Gerade Leserinnen werden sich in Alnoris wohl fühlen¸ wo Menschen nicht nach ihrem Geschlecht sondern nach ihren Fähigkeiten beurteilt werden. Nur eine Romanze wird man nicht finden¸ denn anstatt einer romantischen Liebesgeschichte stehen Freundschaft und Kameradschaft an erster Stelle¸ was die Beziehungen betrifft.
Die Handlung wartet immer wieder mit netten kleinen Überraschungen auf¸ die die Spannung erhalten und teilweise sogar steigern¸ so dass man am Ende schon fast traurig ist¸ wenn "Die Nebelburg" ihr Ende findet. Zwar ist das Abenteuer in sich geschlossen¸ aber einiges deutet darauf hin¸ dass Rinia und Daphne sich nicht auf Dauer über ihren Sieg freuen können.
"Die Nebelburg" gehört zu den Fantasy-Romanen¸ die auf mehreren Ebenen in den Bann schlagen können. Nicht nur die ebenso farbenprächtige wie abenteuerliche Handlung weiß zu überzeugen¸ auch die in der Geschichte agierenden sympathischen Figuren und noch ungelösten Geheimnisse machen Lust darauf¸ mehr über "Die Greifenritter von Alnoris" zu erfahren.
Eine Rezension von: Christel Scheja