Die Liga der Aussergewöhnlichen Gentlemen 1
Dies ist eine Rezension aus Der phantastische Bücherbriefdem monatlich von 1980 bis 2021 erschienenen Newsletter vom Club für phantastische Literatur von Erik Schreiber. |
Großbritannien anno 1898. Das Empire sammelt seine Helden. Ein gewisser Herr Bond stellt im Auftrag des britischen Inlands-Geheimdienstes MI5 unter einem mysteriösen Mr. M. ein Team zusammen. Mr. Bond beauftragt Mrs. (WilhelMina Murray (verwitwete Harker (Autor Bram Stoker eine Gruppe zusammenzustellen¸ die wiederum eine delikate Aufgabe lösen soll. So holt Frau Harker den opiumsüchtigen Herrn Quatermain (Autor Henry Rider Haggard aus einer Opiumhöhle¸ sucht Kapitän Nemo (Autor Jules Verne¸ den Arzt Dr. Jekyll in Paris (Autor Robert Louis Stevenson und den Unsichtbaren (Autor Herbert George Wells. Diese spezielle Truppe soll die mysteriöse Substanz Cavorit wiederbeschaffen¸ die durch den „Chinesischen Doktor“ (alias Fu Manchu (Autor Sax Rohmer gestohlen wurde. Das seltene Element¸ im selben Jahr entdeckt wie Madame Curies Radium¸ bringt alles zum Schweben. Da im viktorianischen Grossbritannien die Angst vor einem Luftkrieg umgeht¸ steht die Wiederbeschaffung im Vordergrund. Diese Angst scheint berechtigt¸ denn der Chinamann baut an einem Luftschiff¸ um den Westen Londons anzugreifen. Denn er kontrolliert als böser Verbrecher den Osten Londons¸ während ein anderer den Westen kontrolliert. Niemand anderes als Mr. M. Frau Harker hält ihn die ganze Zeit für Mycroft Holmes¸ den Bruder von Sherlock Holmes¸ doch er ist niemand anderes als Moriarty (Autor Arthur Conan Doyle.
Im Laufe der Ermittlungen deckt die kleine ungewöhnliche Eingreiftruppe eine Verschwörung auf. Diese ist weitaus größer als der Diebstahl des Cavorit vermuten lässt.
Alan Moore und sein Zeichner Kevin O'Neill treiben es mit ihrer Liga¸ aus den unterschiedlichsten Literaturcharakteren bestehend¸ wirklich bunt. Mit ihrem Rückgriff auf viktorianische Autoren (es ist keine Frau darunter und deren Erzählungen öffneten sie eine Schatztruhe an phantastischen Eingebungen. In einer Welt¸ in der sich jeder Steam-Punker wohlfühlt¸ setzen sie eine spannende Erzählung in Gang¸ die so noch niemand anderes erzählte. Aberwitzige Situationen¸ manchmal frivol¸ etwa wenn der Unsichtbare Hawley Griffin als Heiliger Geist in einem Mädchenpensionat über die Jungfrauen kommt¸ reiheen sich aneinander¸ nur scheinbar unlogisch. Denn in dieser Erzählung stimmt alles¸ auch wenn es auf dem ersten Blick nicht so aussieht. Natürlich gibt es auch hier gigantische Übertreibungen¸ die sich aber schnell selbst erledigen. Die beiden Künstler schufen eine düster-nostalgische Welt auf der Literatur des Jahres 1898 basierend und mit jeder Menge Anspielungen¸ und wenn es nur ein Nebensatz oder eine Bildeinzelheit ist. Der Stil des Comics ist so gestaltet¸ dass man ihn für einen Teil der alten Literatur halten könnte. Dabei gibt es noch schöne Extras. Die absurden Lebensläufe der Künstler¸ ein Fortsetzungsroman zu Alan Quatermain¸ seltsam gestaltete Anzeigen. Alles in allem ist das Heft mit seinen 192 Seiten der reinste Lesegenuss. Die Zeichnungen und die Aufmachung des Bandes sind hervorragend¸ die Handlung überzeugend¸ spannend und immer wieder überraschend aufgebaut. Als Kenner der viktorianischen Literatur ist man begeistert über die vielschichtig ausgearbeiteten Charaktere. Ohne viel überlegen erkennt man die Nähe zu den klassischen Originalen. -
Eine Rezension von: Erik 'vom Bücherbrief' Schreiber https://www.facebook.com/erik.schreiber.355