Die Flüsse von London
Dies ist eine Rezension aus Der phantastische Bücherbriefdem monatlich von 1980 bis 2021 erschienenen Newsletter vom Club für phantastische Literatur von Erik Schreiber. |
»Mein Name ist Peter Grant. Ich bin seit Neuestem Police Constable und Zauberlehrling¸ der erste seit fünfzig Jahren. Mein Leben ist dadurch um einiges komplizierter geworden. Jetzt muss ich mich mit einem Nest von Vampiren in Purley herumschlagen¸ einen Waffenstillstand zwischen Themsegott und Themsegöttin herbeiführen¸ Leichen in Covent Garden ausgraben. Ziemlich anstrengend¸ kann ich Ihnen sagen – und der Papierkram!«
Wie alle frisch ausgebildeter Police Constable in London¸ wird Peter Grant zu Diensten herangezogen¸ die altgediente Polizisten nicht mehr machen wollen. Dazu gehört etwa¸ den Tatort bei Covent Garden¸ eines besonders grausigen Mordes zu bewachen und das bei nasskaltem Wetter. Gut¸ dass man sich unterstellen kann und auch die nette Kollegin Lesley relativ trocken steht. Das Opfer¸ das hier eine Beförderung ins Jenseits erhielt¸ wurde enthauptet. Während Peter weiterhin Wache hält¸ besorgt die nette Kollegin Kaffee. Schon passiert das Unglaubliche. Ein Unbekannter tritt an den Constable heran und berichtet vom Mord. Als Zeuge des Mordes ist er jedoch nicht sehr vertrauenswürdig¸ denn er ist ein Geist. Fein säuberlich protokolliert bleibt seinen Vorgesetzten dies nicht unbemerkt. Gut das Detective Chief Inspector Thomas Nightingale in Erscheinung tritt. Nicht nur als Detective Chief Inspector¸ sondern auch gleich als Zauberer. Er wird Peter in den Grundlagen der Magie ausbilden¸ ihn quasi als Zauberlehrling ausbilden. Natürlich gibt es dazu passende Eide¸ die man ablegen muss:
»Ich¸ Peter Grant aus Kentish Town¸ schwöre¸ Ihrer Majestät der Königin und Ihren Nachfolgern aufrichtig zu dienen; meinem Meister während der Dauer meiner Lehre gut und getreulich zu dienen¸ den Wächtern Gehorsam zu leisten und die Kleidung der Bruderschaft in Ehren zu halten; das Geheimnis besagter Bruderschaft ehrend zu bewahren und niemanden außerhalb besagter Bruderschaft zu enthüllen. Und ich schwöre feierlich¸ in all diesen Dingen aufrichtig und ehrlich zu sein und diesen Eid geheim zu halten. So helfe mir Gott¸ Ihre Majestät und die Macht des Universums¸ dieses Gelöbnis zu bewahren und zu erfüllen.«
Der frischgebackene Zauberlehrling stellt erstaunt fest¸ es gibt mehr Dinge zwischen Himmel und Erde¸ insbesondere in London als geahnt. Zunächst jedoch gilt es¸ die Enthauptung von Mr. Skirmish aufzuklären¸ dem bald weitere schaurige Taten folgen. Irgendjemand führt einen Serienmord durch¸ dessen Spuren zweihundert Jahre in die Vergangenheit zurückreichen. Dabei steht ein ungesühnter Mord im Mittelpunkt. Neben der Mordermittlung muss sich Peter auch mit anderen Dingen beschäftigen¸ die in seiner Polizeiausbildung nicht vorkamen. Er hätte nie geahnt¸ dass der Themsegott und die Themsegöttin sich mit nachbarschaftlichen Grenzstreitigkeiten in die Haare geraten. Constable Grant soll zwischen den beiden vermitteln. Das erweist sich als schwierig¸ allerdings ist auch Beverly Brook¸ eine der Nebenflussgottheiten¸ äusserst Charmant und mit unwwiderstehlichen Reizen ausgestattet.
Ben Aaronovitch bietet mit seinem modernen Zauberlehrling skurrile Personen und Szenen¸ viel Wortwitz¸ und noch mehr Anspielungen auf Kinofilme und Literatur. Teils¸ weil direkt¸ teils indirekt darauf Bezug genommen wird. Ben Aaronovitch verarbeitete eine Menge Ideen¸ die zu einem guten Fantasyroman verwoben wurden. Die Gespräche zwischen den beteiligten Personen strotzen vor trockenem britischem Humor auf. Gerade wenn es um die umfassende Recherchedatenbank des britischen Innenministeriums geht¸ »die es auch Polizisten¸ die von Computern keine Ahnung haben¸ ermöglicht¸ Anschluss an das späte 20. Jahrhundert zu bekommen¸« HOLMES genannt (Home Office Large Major Enquiry System. Das Ergebnis kann sich sehen und lesen lassen. Es ist kein Buch für Jugendliche unter 16 Jahren¸ da es bei manchen Szenen doch sehr brutal zugeht. Und die Beschreibungen¸ die nicht ins Detail gehen¸ aber in der Tradition von H. P. Lovecraft mit der Phantasie des Lesers spielen¸ sind heftig. Es ist ein sehr schöner Roman.
Eine Rezension von: Erik 'vom Bücherbrief' Schreiber https://www.facebook.com/erik.schreiber.355