Die Bizarre Welt des Edgar Allan Poe: Die Schattenuhr / Die steinerne Bibliothek / Jenseits des Hauses Usher / Zu Gast bei Meister Pforr / Die Schattenuhr
Dies ist eine Rezension aus Der phantastische Bücherbriefdem monatlich von 1980 bis 2021 erschienenen Newsletter vom Club für phantastische Literatur von Erik Schreiber. |
Andreas Gruber Rue de la Tonnellerie
Die erste Erzählung stammt von Andreas Gruber und ist durch die historische Figur des Komponisten Richard Wagner geprägt. Der junge Komponist verlor seine Anstellung als Kapellmeister in Riga. Geldmangel sorgt dafür¸ dass er sich 1839 mit seiner Frau Minna auf der Flucht befindet. Die deutschen Gläubiger lassen nicht locker und so findet er sich bald in Frankreich auf Einladung von Heinrich Heine wieder. Mit ihren letzten Geldmitteln erreichen sie Paris und können sich eine billige Pension leisten. Richard Wagner wird von Sorgen geplagt. Von Heinrich Heines Geisterschiff beeinflusst¸ möchte Richard Wagner hier sein Werk vom Fliegenden Holländer komponieren. Seine Schreibblockade drängt ihn in finanzielle Nöte. Die sind ihm zwar nicht fremd¸ aber unangenehm. Schnell findet er Aufnahme in die höchsten Künstlerkreise der Kleinstadt. In einem kleinen aber feinen Club an der „Rue de la Tonnellerie“ lernt er die Grossen seiner Zeit kennen. Berlioz¸ Hugo¸ Balzac¸ Heine geben sich dort die Klinke in die Hand¸ sogar Poe selbst tritt in der Erzählung auf. Wagner bemerkt bald¸ dass sich seine neuen Bekannten regelmässig in Madame Sorces „Steinzimmer“ einfinden. Heine lädt Wagner zu einer Zeremonie in das Hinterzimmer des Cafes Juliette ein.
Andreas Grubers Erzählung bietet aber keine wirklichen Überraschungen. Gekonnt beschrieben¸ ist die Erzählung¸ wie alle die ich von ihm kenne¸ gut.
Matthias Falke Die steinerne Bibliothek
Der wenig bekannte Erzähler berichtet in einem altertümlichen Ton¸ wie er die an Leseschwäche leidende Smera kennen und lieben lernt. Gerade jetzt muss er mit einer Expedition in die Mongolei reisen. Unterhalb eines buddhistischen Felsenklosters¸ tief im Sand begraben¸ entdecken die Wissenschaftler eine gigantische Steinsammlung. In langen Briefen an die zurückgelassene Smera berichtet er von der schweisstreibenden Ausgrabung und seinen Erlebnissen. Auf der riesigen Ansammlung monolithischer Steine¸ eine Art steinerner Bibliothek¸ soll angeblich das komplette Wissen der Menschheit festgehalten sein¸ gleichzeitig aber auch vom nahenden Untergang der Welt in einer düsteren Prophezeiung künden.
Matthias Falke gefällt mir mit seiner Erzählung sehr gut. Manchmal habe ich jedoch ein wenig das Problem¸ nicht genau zu wissen¸ in welcher Zeit ich mich befinde.
Markus K. Korb Jenseits des Hauses Usher
Markus K. Korb entführt uns in eine alte Bibliothek¸ wo dessen Handlungsfigur ein dickes Buch entdeckt. Dieses Buch wurde von Edgar Allan Poes Bruder Roderick verfasst. Roderick war dabei ebenfalls Autor aber auch Hobbykartograph. In dem kartographischen Werk entdeckt der Held der Erzählung einen Hinweis auf die tatsächliche Existenz des Hauses Usher. Dieses oft bemühte literarische Motiv¸ vor allem von anderen Autoren als Poe scheint nun ein tatsächliches Vorbild zu besitzen. Neugierig bearbeitet der Erzähler das Buch und findet an der Stellee¸ wo das Haus stehen sollte¸ einen See. Bei einem Tauchgang entdeckt er die Überreste eines Hauses deren Beschreibung mit denen aus E. A. Poes Buch übereinstimmt. Der archäologische Fund würde aus der Erzählung einen Tatsachenbericht formen und eine literarische Sensation darstellen.
Die Geschichte Jenseits des Hauses Usher wirkt auf mich wie eine Erzählung¸ die schnell fertiggemacht werden müsste¸ so als ob der Autor unter Abgabezwang gearbeitet hätte. Die Geschichte hätte ein etwas besser ausgearbeitetes Ende verdient.
Olaf Kemmler Zu Gast bei Meister Pforr
Der Journalist Carl Friedrich Cotta ist bei seinem Arbeitgeber¸ einer Zeitung¸ in Ungnade gefallen und man hat ihm deshalb auf der Redaktion das wenig anspruchsvolle Gebiet der Spukgeschichten¸ Geistererscheinungen und Sensationsberichte überlassen. Die seltsamen Begebenheiten konnte er bislang als Trick entlarven. Während einer Kutschfahrt nach Heidelberg¸ wo ein Apotheker im Ruf steht¸ angeblich Gold herstellen zu können¸ erfährt er die Geschichte eines Hexenmeisters¸ der in einem Odenwälder Dorf leben soll. Die Geschichte des Hexers besteht darin¸ angeblich Menschen und Tiere die Herzen herauszureissen. Der nächste Schritt besteht darin¸ die Herzen in Maschinen einzubauen¸ um diese zu beleben. In der Hoffnung auf eine gute Geschichte für seine Zeitung macht sich der Journalist Cotta auf die Suche nach dem Hexer.
Die Erzählung kommt erst langsam in Fahrt¸ denn der Beginn ist etwas langatmig. Dafür ist die Erzählung aber gekonnt ge- und beschrieben. Manch eine Wendung in der Erzählung kommt unerwartet. Zu Gast bei Meister Pforr ist eine gelungene Schauergeschichte¸ die durchaus zu Zeiten von E. A. Poe die ungeteilte Aufmerksamkeit der Leser hätte.
Michael Knoke Die Schattenuhr
Robert Thompson hatte lange nichts mehr von seinem Bruder Georg gehört. Der Kontakt zu ihm war eingeschlafen. Es gab wohl nichts Wichtiges¸ was man sich als Geschwister erzählen konnte. George und seine Frau Claudine laden ihn urplötzlich ein¸ einen Besuch auf ihrem Anwesen zuzustimmen. Das Haus seines Bruders¸ sicher eine Hommage an das Haus Usher¸ übt eine bedrückende Stimmung auf Robert aus. Den Bewohnern scheint die seltsame Stimmung eines düsteren Hauses nichts auszumachen. Robert lernt das Haus kennen¸ welches in einem scheinbar immerwährenden Halbdunkel liegt. Die Ecken und Winkel wirken nicht symmetrisch¸ und man könnte der Meinung sein¸ ständig könnten irgendwelche Geister erscheinen. Darauf weisen auch die seltsamen Hinweise hin¸ die Robert über die früheren ungewöhnlichen Bewohner¸ brotlose Künstler und gescheiterte Existenzen¸ findet.
Während der Leser weitaus mehr erfährt¸ als Robert Thompson¸ langweilt er sich ein wenig¸ während er Robert dabei beobachtet¸ was dieser treibt. Die Stimmung der Erzählung ist dem Thema angemessen¸ wird aber oft zerstört¸ weil zuviel geschrieben wird.
DIE SCHATTENUHR ist der erste Band einer geplanten Reihe unter dem Titel DIE BIZARRE WELT DES EDGAR ALLAN POE. Herausgeberin Nina Horvarth sammelte fünf Geschichten¸ die in die Zeit und in die Schreibwelt von Edgar Allen Poe führt. Ich bin etwas zwiegespalten. Denn das Buch ist schnell ausgelesen¸ ohne mich wirklich zu beeindrucken. Nehme ich den serientitelgebenden Autor als Referenz¸ so muss ich sagen¸ bin ich etwas enttäuscht. Manches Mal wirkt die Erzählung etwas verkrampft¸ dann wieder zu viel geschrieben. Andererseits wählte Nina Horvarth für die Sammlung keine x-beliebigen Autoren aus. Die Autoren (keine Autorinnen sind durchaus in der Lage zu schreiben und die Stimmung zu erzeugen¸ die man als Leser erwartet. Die Motive ähneln durchaus den Geschichten Poe s¸ nehmen sogar Bezug auf einzelne seiner Geschichten. Durch die Nennung Poe s habe ich eine höhere Erwartung und dementsprechend einen höheren Anspruch. Wären die gesammelten Geschichten „nur“ Schauergeschichten¸ wäre ich sicherlich anders an die Geschichten herangetreten.
Eine Rezension von: Erik 'vom Bücherbrief' Schreiber https://www.facebook.com/erik.schreiber.355