Der Wehrwolf
Dies ist eine Rezension aus Der phantastische Bücherbriefdem monatlich von 1980 bis 2021 erschienenen Newsletter vom Club für phantastische Literatur von Erik Schreiber. |
Der Wehrwolf. Eine Bauernchronik müsste eigentlich Wehrwulf heissen¸ da der Hauptprotagonist mit Namen Harm Wulf heisst. Und vor allem¸ es ist kein phantastisches Buch¸ es handelt nicht von den mythologischen Werwölfen. Der Begriff gab sehr oft¸ bis in die heutige Zeit hinein¸ Anlass zu Verwechslungen. Hermann Löns schrieb dazu selbst nicht originalgetreu: „Da schreibt man sich Schwielen an den Fingern nur um herauszufinden¸ dass es nichts weiter bedeutet¸ dass Harm Wulf sich wehrt.“
Dennoch möchte ich hier auf diesen Klassiker eingehen¸ der oft genug von Rechtsextremisten als Vorbild genommen wird¸ obwohl es ein Buch ist¸ der sich gegen die Soldateska und deren Willkür richtet. Bereits im ersten grossen Krieg¸ 1914 – 1918 hätten sich die Menschen daran orientieren können. Gegen Ende des zweiten Weltkrieges erhielten die Mitglieder der Hitlerjugend dieses Buch¸ um sie auf einen Untergrundkampf in Wehrwolfmanier zu animieren.
Die Rahmenhandlung erstreckt sich über die Jahre 1623 bis 1648. Die Zeit selbst wird gar nicht genau erwähnt. Mit ein paar kleinen Hinweisen. Meist sind sie sehr ungenau wie „ein grauer Märztag“ oder „Anderthalb Jahre später“. Nur ganz selten erkennt man tatsächliche Daten¸ wie die Zerstörung Magdeburgs. Trotz dieser oberflächlichen Zeitangaben¸ die nicht sonderlich wichtig für die Erzählung sind¸ hat Hermann Löns seinen Hintergrund bestens recherchiert. Inspiriert wurde er dabei vom Wallburg in der Nähe von Dorf Burg bei Celle.
Harm Wulf gründete die Wehrwölfe¸ eine Gruppe niedersächsischer Bauern im 30jährigen Krieg. Grund war der Überfall von plündernden Soldaten¸ die seine Familie auslöschten. Um sich vor weiteren Marodeuren zu schützen¸ Hilfe durch Selbsthilfe¸ gründete er die Gruppe von Bauern. Die von Religionshass getriebenen Kriegsteilnehmer haben schon lange ihr Ziel aus den Augen verloren und ziehen mordend und plündernd durch die Deutschen Kleinstaaten. Es gibt keine Ordnungskräfte¸ die den Bauern und Bürgern hilft. Harm Wulf beobachtet die Verrohung des Menschen und wird zu einem verbitterten Mann.
Dies ist die Geschichte über einen Mann über Jahre hinweg in einem Anti-Kriegs-Roman. Dessen ungeachtet¸ zog Hermann Löns in den ersten Weltkrieg¸ in dem er fiel. Er wendet sich mit diesem Buch an den Menschen¸ die Kriege nicht verhindern können. Dabei wäre es recht einfach¸ diejenigen¸ die zum Krieg aufrufen gegeneinander kämpfen zu lassen¸ ohne dass viele tausend Soldaten ihr Leben lassen müssen. Wenn dann der noble Überfallene und der schnöde Angreifer verrohen¸ werden sich beide gleich.
Die Nazionalsozialisten wären gewiss die ersten gewesen¸ gegen die Harm Wulf zu den Waffen gegriffen hätte¸ würde die Erzählungg in der zutreffenden Zeit spielen. Denn der Widerstandskampf der Haidbauern beruht nicht auf ideologischen oder religiösen Gegensätzen. Auch nicht auf der Opposition zur herrschenden Klasse. Ebensowenig rassisch motiviert gegen Zigeuner oder Juden oder Fremde oder … sondern gegen die Mitleidlosigkeit der Kriegstreiber und einer entfesselten Soldateska.
Summa summarum:
Dieser Roman ist nicht leicht zu lesen. Da ist die alte Sprache¸ dazu der alte Dialekt es gibt in dieser Ausgabe ein ausführliches Glossar¸ ist es dennoch ein Buch¸ dass sich gegen die Kriege an sich und für Menschenwürde einsetzt. Aktuell wie eh und je¸ selbst nach 111 Jahren.
Eine Rezension von: Erik 'vom Bücherbrief' Schreiber https://www.facebook.com/erik.schreiber.355