Der Hexer von Salem 3: Engel des Bösen
Die vollständige Ausgabe der "Hexer von Salem"-Reihe aus der Feder von Wolfgang Hohlbein geht in die dritte Runde. Mit "Engel des Bösen" liegt wieder ein dicker Schinken von über 700 Seiten mit Abenteuern rund um Robert Craven und seine Verbündeten im Kampf gegen die Großen Alten vor. Das Layout der einzelnen Bände ist schön aufeinander abgestimmt¸ im Vergleich zu den Sammelbänden aus den 90ern aber mit eher tristem Cover versehen. Lediglich durch die unterschiedliche Farbgebung sind die Bände voneinander zu unterscheiden. Worauf es ankommt¸ ist aber natürlich der Inhalt¸ und der kann in Band drei mit einigen Änderungen aufwarten. Die Vorworte zu den einzelnen Episoden stammen nicht mehr von Hohlbein¸ sondern von Frank Rehfeld¸ der ebenfalls bei der Erstveröffentlichung im Heftroman-Format unter dem gemeinsamen Synonym des Robert Craven einige Romane zur Hexer-Reihe beigesteuert hat. Leider sind seine Anmerkungen nicht ganz so aufschlussreich wie die des Hexer-Vaters Hohlbein¸ doch immerhin geben sie Aufschluss über die Bedeutung der in "Engel des Bösen" versammelten Geschichte. Schließen nämlich die ersten drei Episoden den Handlungsstrang der in Band zwei "Der Seelenfresser" begonnenen Ereignisse noch ab¸ so beginnt mit "Dagon - Gott aus der Tiefe" in diesem Sammelband der erste richtige Zyklus¸ der sich von den eher auf Einzelgeschichten ausgerichteten ersten Bücher unterscheidet¸ auch wenn diese natürlich auch schon eine fortlaufende Geschichte gebildet haben.
Zwar hat der Hexer schon früher die Bekanntschaft mit monströsen Wesen gemacht¸ die mehr oder weniger stark an Lovecrafts Cthulhu-Mythos angelehnt sind¸ mit Dagon trifft der Hexer aber nun auf einen der Großen Alten¸ der um einiges stärker und bedrohlicher ist als seine bisher aufgetauchten Dienerrassen¸ die spätestens unter Einsatz magischer Waffen zur Strecke gebracht werden konnten. So erscheint der Schritt nur logisch¸ das Potential zu nutzen und den Gegner nicht in einem hastigen Finale zu verbraten. Vielmehr wird der Feind aufgebaut und anhand einer in der Vergangenheit spielenden Folge eingeführt (ja¸ der Hexer kann natürlich auch mittels magischer Tore durch die Zeiten reisen¸ was leider zum Ende der Serie hin immer abstrusere Formen annimmt¸ aber so weit ist es ja noch nicht). Umso größer ist dann der Schock darüber¸ wie aus dem einst ebenbürtigen Geschöpf ein bösartiger Gott geworden ist¸ der nicht ohne weiteres zur Strecke gebracht werden kann. Der Schlüssel zum Erfolg liegt also nicht unbedingt in der Gegenwart verborgen¸ wenn man schon in der Zeit hin und her reisen und die Schwächen seines Gegners herausfinden kann. Vorhang auf also für den Zyklus um die Sieben Siegel der Macht¸ der in "Engel des Bösen" beginnt und bis zur letzten Hexer-Folge andauert.
Inhalt
Bevor der Gott aus der Tiefe seinen Auftritt erhält¸ müssen sich Robert Craven¸ Howard (die literarische Version H. P. Lovecrafts)¸ dessen Diener Rowlf und weitere Verbündete gegen einen Rattenmenschen zur Wehr setzen¸ der durch seine Fähigkeit¸ sich in hunderte kleiner Nager zu verwandeln¸ äußerst schwer zu bekämpfen ist. Zudem übertragen die Ratten schwere Krankheiten¸ mit denen sich die Helden herumplagen müssen. Dass der Rattenmann nur ein Mittel zum Zweck ist¸ finden sie erst später heraus. Shub-Niggurath¸ ein grauenhaftes Wesen von entsetzlicher Gestalt¸ hat seine Finger¸ pardon: Tentakel im Spiel¸ um den Hexer zu beseitigen. Die Spur führt schließlich zu einem entlegenen Tempelberg¸ viele Millionen Jahre vor der Zeitrechnung. Ein Tyrannosaurus Rex ist da noch das kleinste Übel¸ das auf die Gruppe wartet. Denn vor Menschengedenken¸ und nun vor dem Angesicht der Helden¸ existiert dort eine außerirdische Rasse¸ die sich blutigen Ritualen verschworen hat. Nur wenn der Hexer die Verbindung zu diesem Krater mit der Gegenwart unterbrechen kann und lebend zurückkehrt¸ kann er die Erweckung Shub-Nigguraths verhindern und für Ruhe sorgen ‐ zumindest kurzfristig. Denn wenig später erhebt sich in "Der Clan der Fischmenschen" der schon erwähnte Dagon aus seinem feuchten Reich.
Kapitän Bannermann tritt an Robert Craven heran. Er war es¸ der ihn damals (nachzulesen in Band eins) von Amerika nach London brachte. Auf der Überfahrt wurde das Schiff von Yog-Sothoth angegriffen¸ Roderick Andara¸ der Vater Roberts¸ starb. Bannermann war es zu verdanken¸ dass der Hexer lebend bis nach London kam. Nun berichtet der Kapitän¸ der sich von dem Untergang seines Schiffes erholt hat¸ von neuen Angriffen. Doch er weiß nicht¸ wer genau dahintersteckt. Zusammen machen sich die beiden nach Aberdeen auf¸ zu einem abgelegenen Örtchen an der schottischen Küste. Die Dorfbewohner weisen ihnen die kalte Schulter und geben ihnen den Ratschlag¸ wieder zu verschwinden. Doch der Hexer lässt sich nicht einschüchtern und untersucht die dortige Reederei. Bannermann wird entführt¸ als es zu einem Angriff von Shoggothen kommt. Doch der Hexer steht nicht ganz alleine dar¸ denn ein ihm bis dahin fremder Mann namens Nemo¸ Kapitän des Unterseebootes Nautilus¸ kommt ihm zu Hilfe.
Auch hier beweist Hohlbein wieder eindrucksvoll¸ wie man geschickt literarische Figuren¸ in dem Fall aus der Repertoire von Jules Verne¸ einbauen kann. Der pulpige Horror vermischt sich hier mit der Phantastik des ausklingenden 19. Jahrhunderts¸ wo U-Boote alles andere als gewöhnliche Fortbewegungsmittel waren. So lässt sich auch erahnen¸ wohin die Reise geht. Nemo bringt Craven nämlich in sein Schiff und kann ihn tief unter die Wasseroberfläche bringen¸ dorthin¸ wo sich Dagon versteckt hält und seine Schoggothen aussendet. Eine Unterwasserschlacht steht an¸ die noch einige Überraschungen bereithält. Denn wie bereits erwähnt¸ ist dies nur die erste Begegnung des Hexers mit dem Wasserwesen¸ und viele weitere werden noch folgen.
Mein Eindruck
Die Fortführung der Geschichte¸ die allmählich von in sich abgeschlossenen Episoden zu einem übergreifenden Zyklus heranwächst¸ tut dem "Hexer von Salem" gut. Zwar bleibt der literarische Anspruch wie bisher auf höchstens durchschnittlichem Niveau¸ schließlich bleibt das Konzept kurzer Heftromanfolgen hinsichtlich der Elemente eines packenden Einstiegs¸ des schnellen Spannungsaufbaus und des Finales oder zumindest eines spannenden Cliffhangers ungebrochen¸ doch der sich darüber hinaus über mehrere Folgen erstreckende Plot weiß zu überzeugen und lässt über die Schwächen hinwegsehen. Neben dem schon in der Serie etablierten Howard versprühen Gestalten wie Kapitän Nemo zudem einen ganz eigenen Charme¸ der sowohl heute wie auch bei seiner Erstveröffentlichung in den 80ern den Reiz der Serie ausmacht und ausgemacht hat. Der Hexer-Stil hält sich nicht an den von Lovecraft¸ der gerade durch das Unbeschriebene Grauen hervorgerufen hat. Ebenso wenig kann der Hexer eine Phantastik-Geschichte aus der Feder Jules Vernes sein¸ obwohl Robert Cravens Abenteuer in derselben Zeit angesiedelt ist. Hohlbein (und seine Mitautoren) hätten dabei nämlich nur versagen und im Vergleich mit den großen Namen den Kürzeren ziehen müssen. Vielmehr vermischen die Autoren unverblümt die Genres¸ nehmen sich ein wenig vom Cthulhu-Mythos¸ verbinden ihn mit Pulp und Action und lassen hin und wieder literarische oder zeitgenössische Figuren auftauchen¸ um sich vor ihren Ikonen zu verbeugen¸ ohne sie kopieren zu müssen. Der Mix¸ der niemals mehr will als lediglich unterhalten¸ macht das aus¸ was den Erfolg des Hexers begründet hat.
Da lassen sich dann auch logische Fehler¸ oftmals unmotiviert eingeführte Nebenfiguren¸ die nur zum Ableben überhaupt ein paar Sätze sagen dürfen¸ und sich wiederholende Handlungsabläufe der bereits erwähnten Reihenfolge schneller Einstieg ‐ Spannungsaufbau ‐ Finale verschmerzen. Wer sich nicht daran stört¸ dass Lovecraft im "Hexer" nicht als der depressive Schriftsteller auftritt¸ der er in Wirklichkeit war¸ und über ein paar Ungereimtheiten hinwegsieht¸ wird auch mit "Engel des Bösen" seine Freude haben.
Eine Rezension von: Stefan Moriße http://www.buchwurm.info/