Das kalte Schwert
Dies ist eine Rezension aus Der phantastische Bücherbriefdem monatlich von 1980 bis 2021 erschienenen Newsletter vom Club für phantastische Literatur von Erik Schreiber. |
Das kalte Schwert setzt mit seiner Erzählung und den Helden dort an¸ wo sein Vorgänger aufhörte. Die gigantische Schlacht¸ in der die Dwenda zurückgedrängt¸ aber nicht besiegt wurden¸ ist vorbei. Man leckt die Wunden und versucht nicht mehr an die Dwenda zu denken. Bei den Dwenda handelt es sich um eine uralte Rasse¸ die von ihrer Ethik her sehr grausam und zudem magiebegabt ist. Und dennoch ist die Auseinandersetzung mit ihnen nicht vorbei. Sie drängen weiter darauf¸ in diese Welt zurückzukehren¸ aus der sie vor vielen Jahrhunderten vertrieben wurden. Im Vordergrund stehen die drei Hauptcharaktere Ringil Eskiath¸ Archeth¸ Tochter einer menschlichen Frau und eines Mannes aus der außerirdischen Rasse der Kiriath und Egar¸ genannt Dragonbane¸ ein Steppenreiter.
Zu Beginn und auch über weite Teile der Erzählung sind die drei Helden getrennt voneinander unterwegs. Der Sohn eines Adligen¸ Ringil Eskiath ist ein dekorierter Kriegsheld¸ ein Veteran¸ gleichzeitig aber ein Krieger ohne Kompromisse. Nur weil er auf der Seite des Guten steht¸ heisst es nicht¸ dass er nicht genausogut die Seiten wechseln könnte¸ ohne seinen Standpunkt ändern zu müssen. Ausgestossen von der eigenen Gesellschaft¸ weil er homosexuell ist und mit einer magischen Klinge versehen¸ steht er oft allein seinen Mann. Er jagt immer noch einer Sklavenkarawane hinterher¸ weil er Rache nehmen will an der Versklavung seiner Cousine. Sein erbarmungsloser Ein-Mann-Krieg gegen den Sklavenhandel zeigt erstaunliche Erfolge¸ führt aber zu neuen Gegnern¸ die nämlich daran viel Geld verdienen. Dementsprechend sind viele Leute an ihm¸ oder besser dem Kopfgeld¸ interessiert. Daraufhin zieht er sich erst einmal nach Yhelteth zurück. Aber statt Ruhe zu finden¸ wird er mit Egar in einen uralten Machtkampf hineingezogen¸ denn etwas Uraltes will wieder zurück.
Archet in diesem Trio ist etwas ganz besonderes¸ da in einem Drogenentzug. Sie ist vor allem erst einmal Frau und zudem ein Mischling. Ihre Frau Mama ist ein Mensch¸ ihr Herr Papa entstammt der Rasse der Kiriath. Die Kiriath sind die Erzfeinde der Dwenda. Die Kiriath verliessen die Welt der Menschen¸ ob freiwillig oder gezwungen¸ ist nicht bekannt. Die Kiriath sind es aber auch¸ die den Dwenda und ihrer Magie reine Wissenschaft und Technologie entgegensetzen. Ihre Hinterlassenschaft sind einige Steuermänner¸ Metallmenschen¸ die als Ratgeber bei den Herrschenden ein und aus gehen. Archet mit ihren etwa 200 Jahren¸ erbte die Langlebigkeit ihrer ausserirdischen Vorfahren und ist dementsprechend erfahren und weise. So ist es natürlich kein Wunder¸ dass sie als Ratgeberin dem Empire von Yhelteth dient. Während Ringil Männer mag¸ mag sie lieber Frauen im Bett. Ihr Handlungsstrang setzt sich mit der Ankunft eines neuen Steuermannes oder Helmsman auseinander. Dieser taucht unverhofft aufҠ um Archeth von einer neuen schrecklichen Bedrohung zu berichten. Dabei handelt es sich um eine Stadt der Kiriath¸ die sich mitten im Ozean befinden würde. Als Nachfahrin der Kiriath hätte sie zwar davon wissen müssen¸ wird aber von der Aussage überrascht¸ dass die Stadt zwischen den Welten pendelt und nun wieder erscheinen soll.
Der Dritte im Bunde ist Egar¸ der Majak¸ ein Nomade¸ der aus den wilden Steppengebieten stammt. Gemeinsam mit Ringil konnte er einen Drachen besiegen. Die Handlung von Egar¸ der sich im Heim von Archeath langweilt¸ geht es mehr um das Krimielement¸ denn er erhält Kunde von seltsamen Begebenheiten¸ die sich in einem alten¸ verlassenen Tempel zutragen sollen. Natürlich ist die Abwechslung und Tätigkeit nach den machenschaften ausschau zu halten allemal besser¸ als gelangweilt der Dekadenz nachzugehen.
Was mir an diesem Buch gefällt¸ und dafür werden mich wahrscheinlich einige Rezensionskollegen steinigen¸ ist die Tatsache¸ keinen Roman¸ sondern eher Novellen mit Schnittpunkten untereinander vor sich zu haben. Damit hebt sich Das kalte Schwert positiv von seinem vorhergehenden Roman ab und zeigt¸ dass Richard Morgan in der Lage ist¸ auch kürzer und anders zu schreiben. Bei seinen Figuren bleibt er bei dem¸ wie er sie bereits im ersten Band beschrieb. Eine Entwicklung findet nicht statt und manch einer wird sich dann darauf berufen¸ dass hier wieder Klischees bedient werden. Ich sehe das in diesem Fall nicht so¸ denn gerade mit seinem schwulen Helden hebt er sich von vielen anderen Fantasy-Erzählungen ab. Das gleiche gilt auch für die Thematisierungen von Sklaverei¸ Religion und Nicht-Religion¸ Sex¸ Gewalt und Blutvergiessen. Beschönigt und verharmlost wird bei Richard Morgan nichts. Seine Beschreibungen haben eine Kraft und Intensität¸ sind grausam und mitleidlos¸ wie sie selten in der Fantasy-Literatur vorkommt. Das Gleiche gilt für den schwarzen Humor und seine manchmal proletenhafte Sprache. Doch egal wie man dieses Buch sieht¸ es bleibt Stoff zu Streitgesprächen darüber ob es nun gut oder schlecht ist. Richard Morgan nimmt kein Blatt vor den Mund¸ ist aber auch kein Moralapostel¸ der sich über andere erhebt. Er schreibt Fantasy so¸ wie die Wirklichkeit heute ist. -
Eine Rezension von: Erik 'vom Bücherbrief' Schreiber https://www.facebook.com/erik.schreiber.355