Dantes Inferno
Mit der 'Göttlichen Komödie' schuf Dante Alighieri ein bild- und wortgewaltiges Epos¸ einen umfassenden Spiegel seiner Zeit¸ der theologische¸ weltliche und unbewusst seelische Dimensionen mit Titanenschritten durchma߸ zugleich seine Gegenwart wie auch Vergangenheit manifestierte und ein spirituelles Kulturgemälde schuf¸ das sich auflehnend rebellisch präsentierte¸ doch stets befangen blieb in den Grenzen¸ den die kirchlichen Machthaber seiner Zeit setzten: Eine Hölle¸ die Mittel zum Machtzweck war¸ nicht allegorisches Instrument der Selbsterkenntnis innerer Seelenräume¸ wenngleich Dante selbst es ist¸ der an der Seite seines Seelenführers Vergil die infernalen Unendlichkeiten durchmisst. Dante gelang es zwar¸ einen Zwischenweg zu finden¸ blieb jedoch auf die instrumentalisierten Höllenvorstellungen seiner Zeit beschränkt¸ die bereits tausend Jahre zuvor erste Beschreibungen erhielten¸ und diente somit letztlich und weniger gewollt den Zwecken der Machtobrigkeit¸ indem die Schrecken der christlichen Hölle visualisiert wurden¸ in einem epochalen Meisterwerk¸ das die kulturellen Wandlungen überdauerte und spätere Zeiten ebenso prägte¸ wie es selbst von früheren Zeiten geprägt war.
Charles F. Frey alias Akron stellt die Frage¸ inwiefern eine solche Darstellung aber heutigentags noch bedeutsam und glaubwürdig sein kann¸ über eine rein kulturhistorische Betrachtung hinaus; in einer Zeit¸ die spirituelle Umbrüche mit sich brachte¸ die durch das theologische Bild von Sünde¸ Hölle¸ Sühne und Bestrafung nicht mehr in ihrem Innersten erreicht werden können. Während Dante noch im weitesten Sinne die Hölle im Äußeren fand und beschrieb und dabei die inneren Dimensionen eher sekundär streifte (wenngleich man ihn als den christlich-theologisch orientierten Freud seiner Epoche betrachten mag)¸ wendet sich Akron¸ der im Gegensatz zu Dante auf den Arbeiten von Freud¸ mehr noch Jung oder Strauß-Klöbe und ihrer Nachfolger aufbauen kann¸ explizit den inneren Höllenräumen zu. Die inneren Ängste vor Teilen unserer Lebens- und Erfahrungswelt erschaffen die Höllenqualen¸ die uns peinigen; und Verdrängungsmechanismen sowie die verschämte Hinwendung zu den lichten Vorhöfen unserer Schattenwelten sind nicht der Schlüssel¸ die Türen zu diesen im Dunkeln verborgenen Räumen zu öffnen¸ um uns der eigenen Hölle zu stellen und sie als Teil der Ganzheit menschlicher Gedankengebäude zu erfassen¸ zu integrieren und mit ihnen zu arbeiten; um eine holistische Persönlichkeit ausformen zu können¸ den dämonischen Bildern ihren Schrecken zu nehmen¸ der Hölle entrinnen zu können¸ die uns in uns selbst einkerkert.
Um sich bei dieser inneren Betrachtung nicht in sich selbst zu verlieren¸ bedient sich Charles F. Frey gleichsam Dantes Vergil eines inneren Führers¸ in diesem Falle seines alter ego 'Akron'¸ der zugleich künstlerisches Pseudonym ist. Unter diesem Namen gelangte der Autor zu einiger Bedeutung¸ als er gemeinsam mit H. R. Giger 'Baphomet' erschuf¸ das Tarot der Unterwelt¸ das auch die Aufmerksamkeit der Sittenwächter auf sich zog¸ denn wer Giger kennt¸ wei߸ dass sich diese Kunstdarstellungen stets und bewusst am Rande zur Pornographie bewegen. Gleichsam wird der Leser auch in 'Dantes Inferno' und seinen Illustrationen fündig werden¸ doch dazu später mehr. Akron brachte außerdem 'Das Astrologie-Handbuch'¸ 'Partnerschafts-Astrologie' und gemeinsam mit Hajo Banzhaf 'Der Crowley-Tarot' heraus. Der schweizerische Schriftsteller¸ Essayist¸ Schattenarbeiter und Magier-Philosoph verwendet sein profundes astrologisches Wissen¸ um daran seine persönliche Darstellung von Dantes Inferno auszurichten und dem Werk Struktur zu geben¸ an dem sich auch der Leser besser orientieren kann¸ um sich selbst in seinem Lesen zu erkennen. Dabei ist es nicht nötig¸ selbst Kenntnisse in Astrologie zu haben¸ diese dient nur als Orientierungsmuster und bietet dem Eingeweihten zusätzliche Erkenntnismöglichkeiten. Wechselseitige Befruchtungen zwischen Tiefenpsychologie¸ Astrologie oder I Ging sind übrigens nicht unüblich.
Diese Ansätze für Akrons Werk sind es noch nicht¸ die 'Dantes Inferno' so bedeutsam und ungewöhnlich machen. Die tiefenpsychologischen Inhalte zeugen von erstaunlich intuitiver Kenntnis der inneren Welten und sind eine enorme Erkenntniserweiterung auch für den Leser. Doch die wirkliche Tiefe des Werkes liegt in der Beschreibungsweise selbst. Charles F. Frey schreibt ein Buch¸ in dem er selbst ein Buch schreibt¸ während er mittels seines alter ego in innerem Dialog steht und zugleich die multiplen Persönlichkeitsmuster durchwandert¸ sich selbst aus vielfacher Perspektive erlebt¸ mit den verschiedensten Aspekten seiner Psyche kommuniziert¸ um sich dann wiederum über die erlebten Bilder und ihre Betrachtung (und die Betrachtungsweise) mit sich selbst bzw. Akron auszutauschen¸ nur um durch die¸ sagen wir einmal¸ betrachtende Betrachtung der Betrachtung durch sich selbst zu fallen¸ die beschränkenden Muster dualer Denkwirklichkeiten zu durchbrechen und ihre Sinn heuchelnden Gaukeleien zu entblößen. Klingt verwirrend? Ist es auch. Und wie. Akron verwirrt unsere linearen Lesegewohnheiten und er verwirrt unsere vergeblichen Versuche¸ klare Strukturen und zweiwertige Betrachtungslogiken aufbauen zu wollen. Dies gelingt bildgewaltig und mit erlesen wohlgesetzten Worten¸ allerdings auf einer archetypischen Komplexitätsebene¸ die gezwungen ist¸ unsere gewohnten Denkmuster zu verlassen¸ um nicht am surrealen und unbewusst wirksamen Charakter dieser Schriftschöpfung zu zerschellen. Bilder in Bildern¸ Handlungen in Handlungen¸ Betrachtungen in Betrachtungen und Metaebenen der Analyse¸ die letztlich doch nur wieder in sich selbst und in den untersten Schichten des Begreifens enden.
Und so gibt es mannigfaltige Wege¸ dieses Buch zu lesen und verstehen zu wollen. Man kann versuchen¸ alle Handlungsfäden nachzuvollziehen und die komplexen¸ oftmals paradoxen und an Zen-Koans gemahnenden Satzmuster logisch zu analysieren. Dafür muss man das Buch definitiv regelrecht studieren¸ die Teile und das Ganze mehrfach lesen und während des Lesens zahlreiche Verständnis- und Betrachtungsebenen betreten. Man kann das Buch auch zunächst im Stück durchlesen und sich darauf beschränken¸ die perspektivisch wechselnden Bilder auf sich (und das Unterbewusste) wirken zu lassen. Oder man kann sich auf die Illustrationen von Voenix konzentrieren und diese für sich deuten. Oder alles zugleich oder nacheinander. In jedem Falle ist die Lektüre alles andere als leicht zugänglich¸ und man sollte sich¸ obwohl eine phantasievolle Erzählhandlung geboten wird¸ darüber klar sein¸ dass bis hin zu den Reaktionen¸ Emotionen und Dialogsätzen zwischen Charles/Akron und seinen verschiedenen Persönlichkeitsanteilen alles konstruiert ist und auch konstruiert und überdimensional (im mehrdeutigen Sinne) wirkt; ein wenig wie die alt-philosophischen (inneren) Dialoge (bzw. abwechselnden Monologe) mit einem Mentor¸ deren Konzepte auch in 'Sophies Welt' Anwendung fanden.
Zu Voenix und seiner visuellen Umsetzung sollte ich noch einige Worte anmerken. Allein die visionäre Kraft der zahlreichen Bilder (70 teils ganzseitige¸ teils farbige Illustrationen) des charismatischen Künstlers (der als Autor durch 'Magie der Runen'¸ 'Weltenesche - Eschenwelten'¸ 'Im Liebeshain der Freyia' oder 'Tolkiens Wurzeln' Anerkennung fand) ist eine Erlebensebene für sich. Symbolbehaftet und ausdrucksstark umgesetzt¸ unterstützen Voenix' Werke den Leser auf seiner Reise in die Unterwelt des Untergründigen. An dieser Stelle sei darauf verwiesen¸ dass Voenix und Akron gemeinsam eine hochwertige Comic-Serie herausbringen¸ die auf 'Dantes Inferno' basiert und ebenso betitelt wurde. Eine brillante Arbeit¸ die ihr euch unbedingt ansehen solltet. Ebenso wie das Buch 'Dantes Inferno' natürlich¸ Akrons bedeutsamstes Werk¸ wie er es selbst sieht. Eine ungewöhnliche Erfahrung auf 400 gebundenen Seiten¸ darauf ausgerichtet¸ die gewöhnliche und gewohnte Alltagslogik zu zersetzen und zu unterwandern¸ das rationale Verstandesdenken an seine Grenzen zu führen¸ um innere Barrieren aufzulösen und Horizonte zu öffnen. Wir lesen uns wieder bei 'Inferno II: Das Auge der Hölle'.
Homepage von Akron: http://www.akron.ch
Homepage von Voenix: http://www.voenix.de
Vorwort von Akron (Die Rechtschreibfehler der Netzversion sind in der Druckversion nicht vorhanden.)
Akron's Biografie
Templum Baphomae in New Aeon City
Eine Rezension von: Andreas Jur http://www.buchwurm.info/