Companions - Der letzte Morgen
Dies ist eine Rezension aus Der phantastische Bücherbriefdem monatlich von 1980 bis 2021 erschienenen Newsletter vom Club für phantastische Literatur von Erik Schreiber. |
Eine wunderbare Erfahrung als Leser ist es, ein Buch in die Hand zu nehmen, der sich zu einem der berührendsten Romane über Androiden entwickelte, die ich seit langem gelesen habe. Das Buch ist nicht nur ein bisschen langatmig ist, sondern eine komplex verwobene Geschichte. Etwas erschwerend kommt hinzu,dass sie aus etwa acht verschiedenen Perspektiven in abwechselnden Kapiteln erzählt wird. Mein Rat: sich davon aber nicht abschrecken lassen. Ein verheerender Virus hat zu massenhaftem Sterben, Quarantäne und geschlossenen Grenzen geführt und hat auch (zwangsläufig) die Schichtung und Klassenspaltung der modernen Gesellschaft verstärkt. (Die Situation ist uns ja bekannt. Wir leben in Zeiten der Pandemie). Der Konzern Metis - der mich irgendwie an die Wallace Corp aus Blade Runner erinnert - entwickelt so genannte "Companions", krude roboterähnliche Gebilde auf Rädern (die sich allerdings irgendwann zu "Skinjobs" entwickeln), in die die letzten Erinnerungen der Sterbenden heruntergeladen werden können, als letztes Angebot für die Wohlhabenden, sich verzweifelt an die letzten Überreste ihrer Lieben zu klammern. Natürlich war das Letzte, womit Metis gerechnet hat, dass seine "Begleiter" ein Bewusstsein entwickeln würden ... Die Hauptfigur ist hier Lilac, ein V1-Upload, nachdem sie als Teenager ermordet wurde. Einst ein Companion, widersetzt sie sich ihrer Sicherheitsprogrammierung und begibt sich auf eine ziemlich ausschweifende Suche, um ihren Mörder aufzuspüren. Auf ihrem Weg trifft Lilac auf einen bunten Haufen von Charakteren. Dazu gehören Cam, der in einer Altenpflegeeinrichtung arbeitet; Rolly, ein Teenager, der auf einem langsam sterbenden Bauernhof lebt, dessen Vater sein Einkommen durch den Betrieb einer Maschine aufbessert, die "pensionierte" Gefährten verbrennt, wenn sie durch die neuesten Modelle ersetzt werden; bis hin zu Gabe, einem sturen und beschädigten neunjährigen Waisenkind. Die Art und Weise, wie all diese unterschiedlichen Charaktere in die Bögen der gegenseitigen Bahnen gezogen werden, verleiht diesem Buch seine Gravität. Im Mittelpunkt steht jedoch immer Lilac, der wir von den Anfängen der Metis-Gefährten bis zu einem Punkt weit in der Zukunft folgen, an dem sie schliesslich als Bedrohung für die Menschheit angesehen und daher geächtet werden. Roboter und Androiden ziehen in der Science-Fiction so oft den Kürzeren als praktischer deus ex machina. Es ist wirklich augenöffnend, ein Buch zu lesen, das sich ernsthaft mit den ethischen und psychosozialen Auswirkungen von hochgeladenem Bewusstsein auseinandersetzt. Grossartige Science-Fiction besteht jedoch nicht nur aus Ideen, sondern muss auch glaubwürdige Charaktere haben, um eine eindringliche, gelebte Realität zu ermöglichen. Flynn geht mit ihrer vielfältigen Besetzung ein Risiko ein, vor allem mit einem so jungen und sprunghaften Charakter wie Gabe, aber es ist ein Risiko, das sich in hohem Masse auszahlt. Dies ist ein trügerisch ehrgeiziger, aber äusserst erfolgreicher Roman. Kate M. Flynn geht geschickt mit einem schwierigen Thema um, ohne dabei belehrend oder manipulativ zu wirken. Anfänglich sorgte die Mordnebenhandlung bei mir für eine hochgezogene Augenbraue, da ich das Potential für ein Melodrama sah. Aber die letztendliche Auflösung von The Companions ist ebenso unerwartet wie herzzerreissend. Was mir an dem Buch auch besonders gut gefallen hat, ist, dass es seine Genre-Streifen leicht trägt. Es ist ein wahrer Schatz und ein Muss für alle Fans von guter Belletristik. Man muss kein Science-Fiction-Fan sein, um davon tief berührt zu sein. Andererseits werden Genre-Fans die Verweise und Anklänge aufgreifen, die auf eine grössere Dialektik über das Bewusstsein von Robotern hinweisen, die ein Grundnahrungsmittel so vieler SF ist (ein aktuelles Beispiel ist die Murderbot-Serie von Martha Wells). The Companions gehört zu meinen bisherigen Top-Lektüren des Jahres 2021.
Eine Rezension von: Erik 'vom Bücherbrief' Schreiber https://www.facebook.com/erik.schreiber.355