Chronik der dunklen Wälder 1: Wolfsbruder
Der große Wald
"Torak hatte Hunger und fror. Er wusste¸ dass er dringend etwas essen musste¸ dass ihm der Arm wehtat und seine Augen vor Müdigkeit brannten¸ aber er konnte es nicht richtig spüren. Die ganze Nacht hatte er die zerstörte Hütte aus Fichtenzweigen bewacht und zugesehen¸ wie sein Vater verblutete. Wie konnte so etwas geschehen?
Erst gestern - gestern - hatten sie hier in der herbstlich blauen Abenddämmerung ihr Lager aufgeschlagen. Torak hatte einen Scherz gemacht und sein Vater hatte gelacht. Dann war urplötzlich der Wald über sie hereingebrochen.
Raben krächzten. Kiefern knackten. Und aus dem Dunkel unter den Bäumen sprang etwas noch Dunkleres - ein riesiges Scheusal in Bärengestalt."
Ein riesiger Bär sucht den großen Wald heim. Er verbreitet Angst und Schrecken¸ tötet nicht aus Hunger¸ sondern aus Mordlust und jeder Mord lässt ihn größer werden. Keiner vermag ihn aufzuhalten. Und auch Fa¸ Toraks Vater wird von der Bestie ermordet.
Doch eine alte Prophezeiung erzählt von einem "Lauscher"¸ der drei Zauberdinge findet und damit den großen Weltgeist zu Hilfe rufen kann. Ist Torak der Lauscher? Doch das kann nicht sein¸ Torak ist erst zwölf¸ noch ein Kind¸ er wuchs abseits der Clans zusammen mit seinem Vater auf und jetzt ist er allein. Das heißt¸ er ist nicht ganz allein¸ denn er findet ein Wolfsjunges¸ das als einziges überlebt hat und dieser Welpe folgt ihm bald. Denn Torak kann mit den Wölfen sprechen. Dann begegnet ihm noch Ranna¸ ein Mädchen und bald ...
Aber das müssen Sie schon selbst lesen. Denn Michelle Paver lässt die Steinzeit vor sechstausend Jahren vor uns Lesern auferstehen¸ als Westeuropa ein riesiger Wald ist. Die Menschen kennen das Feuer¸ aber keine Schrift¸ Pfeil und Bogen¸ aber keinen Ackerbau. Sie ziehen als kleine Gruppen¸ Clans¸ durch die Wälder und leben von Samen¸ Beeren¸ Wurzeln und den Tieren¸ die sie erlegen.
Die Natur mit all ihren Gefahren ist für sie belebt¸ Jeder Fluss¸ jedes Beutetier hat drei Seelen wie der Mensch auch. Und eines der Tiere¸ der große Bär¸ ist zur Bestie geworden¸ weil ein Schamane einen Dämon in es gebannt hat.
Das Buch ist nicht nur ungemein spannend¸ sondern lässt uns diese Zeit erleben¸ in der die Menschen so ganz anders gedacht und gefühlt haben und doch auch so¸ wie wir heute. Außerdem erfahren wir eine Menge über Wölfe und deren Leben und was man alles in der Natur findet und gebrauchen kann. Wie man eine Suppe kocht¸ ohne Herd und Topf. Wie man Feuer in Bast einwickelt¸ ohne dass es ihn verbrennt. So erlebt man nebenbei auch den Alltag in einer Steinzeitwelt.
Ungeheuer dicht¸ wunderschön erzählt und es macht Lust auf mehr. Aber die Autorin hat uns ja fünf weitere Bände versprochen.
Fazit:
Ein Buch¸ das Kinder wie Erwachsene in Bann schlägt. Den Titel "Childrenīs book of the year" der Times hat es voll und ganz verdient. Und meine Meinung nach ist es durchaus auch schon ab acht Jahren geeignet.
Leseprobe: http://www.randomhouse.de/book/excerpt.jsp?edi=147901
Homepage der Autorin: www.michellepaver.com
Über die Autorin:
1960 im heutigen Malawi geboren¸ wächst Michelle Paver in England auf und lebt heute in Wimbledon bei London. Sie arbeitete als Patentanwältin in einer großen Londoner Kanzlei. Schon als Kind war sie begeistert von Mythen und Geschichten aus der vorgeschichtlichen Zeit. Nachdem sie zunächst historische Romane für Erwachsene veröffentlicht hatte¸ beschäftigte sie sich erneut mit der Geschichte eines Jungen und eines Wolfs¸ die sie zwanzig Jahre zuvor begonnen hatte. Die Geburtstunde von Torak war gekommen. "Wolfbruder" wurde von der Times zum "Children's book of the year" gewählt und für den British Book Award nominiert.
Auf Deutsch sind von ihr bereits die Bücher "Und wäre die Liebe nicht" sowie "Sophies Versprechen" erschienen.
Eine Rezension von: Hans Peter Röntgen http://www.textkraft.de