Bartimäus 2: Das Auge des Golem
Nach dem sehr gelungenen ersten Teil der Bartimäus-Serie¸ Das Amulett von Samarkland¸ in der dem jungen Zauberer Nathanael alias John Mandrake und seinem beschworenen Dschinn die meiste Aufmerksamkeit gewidmet wurde¸ geht es im zweiten Teil¸ Das Auge des Golem¸ vor allem auch um die Welt der Normalen¸ d.h. all derer¸ die nicht der Zauberei mächtig sind.
Bereits im ersten Teil wurde erwähnt¸ daß die Zauberer mit ihren getarnten dämonischen Helfern mitten unter den Menschen leben und sich dank ihrer Macht vor allem in Regierungspositionen niedergelassen haben¸ die ihnen noch mehr Macht verleihen und die Gelegenheit geben¸ das Schicksal der normalen Menschheit zu lenken.
Auch wurde der Widerstand angesprochen¸ eine Gruppierung von Normalen¸ die ähnlich einer terroristischen Gruppe¸ Angriffe auf Zauberer verüben bzw. bei Einbrüchen magische Gegenstände entwenden.
Aber erst beim Lesen des zweiten Teils wurde mir bewußt¸ daß sich die Normalen der Existenz und dem Tun der Zauberergesellschaft völlig bewußt sind¸ ja diese sogar als regierende Oberschicht anerkennen (auch wenn sie den unheimlichen und oft arroganten und gemeinen Zauberern am liebsten aus dem Weg gehen).
Die Weltsicht ändert sich sogar in soweit¸ daß London das Zentrum eines europäischen Imperiums ist¸ das mit Hilfe mächtiger Magie in der Lage war¸ weite Teile Europas in die Knie zu zwingen.
Der Leser darf gleich zu Beginn des Romans in der Zeit zurückreisen und Bartimäus beim Fall der Stadt Prag begleiten - allerdings nicht auf der Seite der Eroberer... Dies bietet einem allerdings die Gelegenheit mehr über die belebten Steinriesen¸ auch Golem genannt¸ zu erfahren.
Wieder zurück in der Gegenwart begleitet man abwechselnd den mittlerweile herangewachsenen John Mandrake¸ der nun einen Posten im Ministerium bekleidet. Oder den uralten Dämon Bartimäus¸ der sich nie für einen kecken Spruch über Zauberer und die Ineffizienz der Menschen im allgemeinen zu schade ist (und darauf gerne in Form von Fußnoten eingeht). Und last but not least ist da auch noch Kitty¸ die man aus einem kurzen Zwischenspiel im ersten Band kennen dürfte¸ wo sie den jungen Nathanael zwar überwältigt und ausraubt¸ jedoch am Leben läßt. Eine Entscheidung die sie nun mehr als einmal bereuen wird.
Kitty ist ein Mitglied des "Widerstands" und damit Widersacherin von John Mandrake¸ der für die Innere Sicherheit arbeitet und daher mit der Aufdeckung und Verhaftung des Widerstands beauftragt wurde. Eine Aufgabe¸ die Johns Vorgesetzte dem jungen ehrgeizigen Nachwuchs gern übertragen haben¸ da die Zeit drängt und die Gefahr des Scheiterns recht groß ist. An der Seite von Kitty erfährt der Leser alles über den Widerstand und lernt vor allem auch die Kehrseite einer Gesellschaft kennen¸ deren kompletter Regierungsapparat von Zauberern gestellt wird¸ und den Normalen nur eine schlechte Ausbildung und die niederen Arbeiten übrig bleiben.
Sieht es anfangs noch so aus¸ als ob sich für John Mandrake und seine Karriere alles zum Besten entwickelt¸ so fällt das Kartenhaus spätestens mit der Vernichtung einer beliebten Einkaufsstraße für Zauberer zusammen¸ die dem Widerstand zugerechnet wird. Die Verwüstung und Verluste in den Reihen der Zauberer-Polizei sind so gro߸ daß die Abteilung für Innere Sicherheit und allen voran John Mandrake extrem unter Druck gesetzt wird. Doch Johns Nachforschungen ergeben¸ daß nicht der allenfalls lästige aber insgesamt dilettantische Widerstand Verursacher des Vorfalls ist¸ sondern - so unwahrscheinlich es klingt - ein lange verschollen geglaubtes Artefakt aus Stein: ein Golem.
Der Autor Jonathan Stroud und sein Übersetzer haben bei Bartimäus¸ Das Auge des Golem¸ wieder einmal sehr gute Arbeit geleistet. Zwar hat mich der Umstand¸ daß es sich bei den Zauberern nicht um eine Geheimgesellschaft handelt¸ und insgesamt sogar die ganze Geschichtsschreibung Europas verwirbelt wurde¸ anfangs sehr verwirrt¸ aber nach kurzem Umdenken konnte ich mich wieder mit vollem Elan in ein faszinierendes Abenteuer rund um den gewitzten Dämonen Bartimäus¸ die Umtriebe des Widerstands und die Mühen des jungen Zauberers John Mandrake widmen¸ der in dieser Geschichte einmal mehr von allen Seiten Feuer unter dem Hintern gemacht bekommt.
Technisches
Ein sehr guter Roman¸ was sowohl für die Art wie er geschrieben wurde¸ seine Übersetzung und auch das Lektorat gleichermaßen gilt.
Fazit:
In Jonathan Strouds wachen Autorenköpfchen ist wieder einmal eine faszinierende Geschichte entstanden¸ die man mühelos und mit Begeisterung an einem Stück durchzulesen vermag - sofern man für die 670 Seiten ausreichend Freizeit aufbringen kann. Ich habe es in wenigen Tagen geschafft¸ was bei mir für einen Roman dieses Umfangs schon bemerkenswert schnell ist.
Zusammen mit dem unverzichtbaren ersten Teil¸ entwickelt der Autor eine immer dichtere Beschreibung der faszinierenden und zugleich abschreckenden Vision einer magisch begabten Eliteschicht¸ die sich dank der Macht ihrer Dämonen so ziemlich alles erlauben kann - wenn da nicht einige mutige Rebellen¸ Intrigen in den eigenen Reihen und die über ihre Beschwörung meist recht ungehaltene Dämonen ab und zu dazwischen funken würden...
Dieser Roman ist in jedem Fall eine Empfehlung wert.
Eine Rezension von: Dogio http://www.drosi.de