Bartimäus 1: Das Amulett von Samarkand
Manchmal ist der unliebsame Einsteig in einen Roman ein glücklicher Umstand - vor allem wenn sich die Handlung als so interessant entpuppt wie bei Bartimäus. Nachdem ich anfngs überhaupt keine Lust hatte¸ mit einen Roman über "Bärtimaus" (man beachte a/ä) durchzulesen wurde mir schon auf den ersten Seiten angenehm klar¸ daß mir mein Unterbewußtsein einen Streich gespielt hatte: keine Maus¸ sondern ein Jahrtausende alter Dämon ist die Namensgebende Hauptfigur dieses Romans.
Bartimäus hat bereits auf den ersten Seiten seinen imposanten Auf- oder besser Eintritt in die irdische Wirklichkeit¸ als er von einem mächtigen Magier beschworen wird. Zu seiner Verwunderung handelt es sich nicht um einen erfahrenen Zauberer mit langem Bart¸ sondern um den aufgeweckten kleinen Jungen Nathanael...
Genau an diesem Punkt beginnt man als Kritiker eine Kette von Ähnlichkeiten und Unterschieden zwischen dem Topseller Harry Potter und Bartimäus aufzustellen¸ denn die Ähnlichkeiten (junger Zauberschüler¸ Schattengesellschaft der Zauberer in London/England/Europa¸ Ministerium der Zauberer¸ ...) fallen dem Leser direkt ins Auge.
Aber diesmal ist nicht eine Zaubererschule zentraler Schauplatz der Handlung¸ die sich der junge Nathanael und der Dämon Bartimäus als Hauptfiguren wie einen erzählerischen Ball zuspielen¸ sondern die Anwesen der einzelnen Zauberer¸ bzw. das Ministerium in London.
Der Autor Jonathan Stroud hat seiner "magischen Realität" einen ganz anderen Anstrich verliehen¸ als J.K. Rowling. Magiebegabte Kinder werden von ihren Eltern freigekauft¸ um eine Ausbildung in Form von Privatunterricht im Haushalt eines Zauberers zu erhalten. Ziel der Ausbildung ist es den Magier später als Regierungsmitglied arbeiten zu lassen¸ womit die Gesellschaft der Zauberer für das Schicksal der "normalen Menschen" verantwortlich sind.
Anfangs fiebert Nathanael dieser Zukunft als "Wohltäter der Menschheit" entgegen¸ doch eines Tages beleidigt ihn der arrogante und machtgierige Zauberer Simon Lovelace - und fortan treibt diese anfangs einseitige Privatfehde den Zauberschüler zu Höchstleistungen an. Unbemerkt von seinem Meister beschwört der Junge den eigentlich viel zu mächtigen und äußerst cleveren Dämon Bartimäus¸ um einen Einbruch bei Lovelace durchzuführen und ein Artefakt - unter anderem das Amulett von Samarkland - zu stehlen...
Spätestens hier beginnt für Nathanael und Bartimäus ein spannender Wettlauf um Kontrollverlust¸ verrückte Rachepläne¸ wundersame Magie und gefährliche Artefakte.
Bartimäus ist aber auch ein Buch über Kinder und Erwachsene¸ Freiräume und Grenzen¸ Wünsche und Träume¸ Mut und Angst. Gerade bei diesen Aspekten kann ich mir vorstellen¸ daß jede Zielgruppe¸ Kinder¸ Heranwachsende und Erwachsene¸ sich vielleicht jeder etwas anderes aus diesem Roman mitnimmt.
Technisches
Das 540 Seiten starke Hardcover (schwarz mit Golddruck¸ Papierumschlag) macht einen imposanten Eindruck. Die Schrift im Inneren angenehm groß und gut leserlich¸ wie es sich für ein Buch gehört¸ das sich (auch) an Kinder wendet. Das Buch ist in 44 Kapitel unterteilt¸ wodurch es sich gut als Lektüre "vor dem Einschlafen" bzw. auf Bahnfahrten usw. eignet. Allerdings sei dazugesagt¸ daß die Lesespannung spätestens ab der Hälfte des Buches derart gestiegen ist¸ daß man am Ende eines Kapitels nur ungern zu Lesen aufhört.
Jonathan Stroud (bzw. seine Übersetzer) präsentiert einen sehr guten Schreibstil. Viele Detailinformationen zur magischen Welt findet man in Form von Fußnoten¸ die den Leser immer wieder unterhaltsam aus der Handlung reissen. Dies erinnert ein wenig an die Scheibenwelt-Romane oder Per Anhalter durch die Galaxis.
Die Geschichte vom Dämonen Bartimäus ist als Dreiteiler geplant¸ wobei Das Amulett von Samarkland eine abgeschlossene Handlung ohne Cliffhanger beinhaltet. Allein der Lesespaß sorgt für ausreichend Fortsetzungsfreude.
Fazit:
Wenn ein Buch den Markt bestimmt¸ wie Harry Potter¸ dann wird meist zwanghaft versucht den Neuling daran zu messen. Sicherlich hat ein Buch wie das vorliegende durch den anhaltenden Erfolg von "Zauberer-Märchen" bessere Chancen verlegt zu werden¸ aber ich denke für den Leser ist es wichtig¸ daß Bartimäus sich auch als eigenständiges Werk behaupten kann¸ ohne die magische Welt oder Handlung von J.K. Rowling zu kopieren.
Mir hat der Roman sehr viel Lesespaß bereitet¸ vielleicht auch gerade weil ich nach dem anfangs mißverstandenen Titel¸ sehr positiv vom Inhalt überrascht war.
Ein gutes Buch - und ich freue mich schon auf die Fortsetzung mit dem gewitzten Schwefelstinker Bartimäus.
Eine Rezension von: Dogio http://www.drosi.de