Amputiert
Dies ist eine Rezension aus Der phantastische Bücherbriefdem monatlich von 1980 bis 2021 erschienenen Newsletter vom Club für phantastische Literatur von Erik Schreiber. |
Als er bereit ist¸ den letzten Schritt zu tun¸ winkt ihm das Schicksal in Form eines Fremden und mit zwei Millionen Dollar. Der Fremde¸ Dr. Marshall¸ macht Michael Fox ein Angebot¸ das er nicht so einfach ablehnen kann. Ein Quentchen Hoffnung in seinem trostlosen Abgang scheint das Leben wieder lebenswert zu machen. In dem Augenblick¸ da er den Vertrag unterschreibt¸ geht er einen Fautschen Pakt mit dem Teufel ein. Er muss für seine Liebe zur Tochter Arlene sich nur den rechten Arm amputieren lassen. Mit einigen anderen Aussteigern der Gesellschaft¸ die niemand vermissen wird¸ begibt sich Michael auf das abgelegene Anwesen des exzentrischen¸ aber wohlhabenden Doktors. Jedem der vier Menschen soll jeweils ein Glied abgetrennt werden und mit dem Torso des behinderten Sohns des Chirurgen anoperiert werden.
Zunächst ist Michael von der Art und Weise des Doktors angetan. Die neue Zuversicht schlägt aber bald in Angst und Schrecken um. Das Grauen schleicht durch des Doktors Haus¸ eine Art gespenstischer Eindruck. Denn Michael entdeckt in der privaten Klinik einen Raum mit am leben gehaltenen Torsi. Diese Restmenschen erzählen¸ halb Wahnsinnig vor Schmerz von ihrem Leben und was Doktor Marshall ihnen antat. Der Traum von viel Geld zerplatzt wie eine Seifenblase. Ihm wird schnell klar¸ dass er auch so enden wird¸ wenn er nichts unternimmt. Der Nachfolger von Doktor Frankenstein experimentiert mit lebenden Menschen und niemand wird vermisst¸ weil er sie von der Strasse auflas. Dem "Abschaum" der Menschheit.
Gord Rollo beschreibt einem Mann¸ der alle Hoffnung fahren lies und am Rande der menschlichen Zivilisation nicht lebt¸ sondern dahin vegetiert. Ein Mann¸ der mit sich und seinem Leben abgeschlossen hat. Der Ich-Erzähler berichtet schonungslos von seinem Leben und wie er zum Penner wurde. Dennoch versucht er sich als Mensch zu behaupten und nicht wie lebender Müll. Dann¸ mit der Begegnung mit Doktor Marshall blitzt ein Quentchen Hoffnung auf. Diesee Hoffnung verlöscht jäh durch das Verhalten des Doktors. Michael Fox stürzt noch tiefer in die Hoffnungslosigkeit. Rappelt sich jedoch auf und nimmt den Kampf gegen den Doktor auf. Michael ist zunächst das hilflose Opfer des zu Perversität neigenden Menschenschlitzers. Weit entfernt davon¸ auch nur die Idee eines Helden zu sein¸ muss er einiges über sich ergehen lassen¸ bevor er den Mut findet¸ aufzubegehren. Nichts ist gefährlicher¸ als ein Tier¸ dass in die Ecke gedrängt wird. Wenn das Tier nun ein intelligenter Mensch ist¸ wird er so lange nach einer Chance suchen¸ bis er sie gefunden und genutzt hat. Gord Rollo lässt den Leser genauso fassungslos dem widerlichen Wirken des Mediziners gegenüberstehen¸ wie seinen Handlungsträger¸ ein hilfloses Opfer des zur Perversität neigenden Doktors. Das Buch¸ welches recht unspektakulär beginnt¸ wird zu einem Papier gewordenem Alptraum¸ dem man nur entkommt¸ wenn man es zuklappt. Doch wer will das? Als Leser bin ich gespannt¸ wie die Erzählung endet¸ was wird Michael als nächstes unternehmen¸ wie reagiert der Arzt? Der Roman ist spannend bis zur letzten Seite. Ein erbarmungslos brutaler Thriller¸ der in die tiefsten Abgründe der menschlichen Seele blicken lässt.
Ich kenne das Original nicht¸ doch scheint mir die Übersetzung überaus gelungen. Autor¸ wie Übersetzer¸ ziehen den Leser in ihren Bann und sorgen dafür¸ dass das Buch noch am gleichen Tag ausgelesen wird. Und dann die Bettdecke über den Kopf ziehen¸ in die trügerische Sicherheit des Schlafes versinken. Aber trotzdem schweissgebadet aufzuwachen.
Alptraumhaft. Angstschweisstreibend¸ Aussergewöhnlich aufreibend.
Eine Rezension von: Erik 'vom Bücherbrief' Schreiber https://www.facebook.com/erik.schreiber.355