Ratten!!: Das Kompendium - Neues Setting¸ neue Abenteuer
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Das universelle Rollenspiel-Fanzine Greifenklaue wurde bereits 1997 von Mitgliedern der Pfadfindergruppe Mantikore als gedrucktes A4-Heft ins Leben gerufen und eroberte ab 2005 auch das Internet. Neben dem gedruckten Fanzine betrieb Ingo aka "Greifenklaue" vor allem einen Blog, einen Podcast und ein eigenes Forum. Zur großen Bestürzung der Rollenspiel-Szene verstarb Ingo Schulze am Freitag den 26.11.2021. |
Diesmal präsentiere ich an dieser Stelle keine eigene Rezension, seine eine von Andreas Mehlhorn, die er mir dankenswerter Weise zur Verfügung gestellt hat.
"Ratten!", ein Rollenspiel, in dem man vermenschlichte Ratten spielt, die in einem leeren Kaufhaus um ihr Überleben kämpfen, war ein kleiner Überraschungserfolg. Zur diesjährigen RPC im April veröffentlichte Prometheus das zunächst als unkommerzielles Projekt angelegte Spiel. Nur ein halbes Jahr später erschien nun das erste Quellenbuch mit dem Titel "Ratten!!" (um es abzuheben, werde ich es ab sofort "Ratten2" nennen).
"Ratten2" ist zum großen Teil ein typisches "Kompendium". Man findet darin ein Sammelsurium an neuen Ideen, die man vielleicht (vielleicht auch nicht) im Grundregelwerk vermisst hat. Andere Verlage nennen so etwas manchmal Spielleiterhandbuch. Ich persönlich bin eigentlich kein großer Fan solcher Kompendien, denn seit ich in ein Alter gekommen bin, in dem ich neue Rollenspiele meist nur noch kurz anspielen kann (wenn überhaupt), konzentriere ich mich lieber auf die Informationen, die im Grundregelwerk stehen. Zusätzliche Fertigkeiten oder Zaubersprüche sind eher etwas für das Langzeitspiel. "Ratten2" bietet aber glücklicherweise aber mehr als nur Regelergänzungen.
Hinter dem großartig gestalteten Buchdeckel findet man zunächst wirklich die erwarteten Erweiterungen, angefangen mit drei neuen Rotten. Wer Raufbolde, "unzivilisierte" Ratten oder Geheimnisträger vermisst hat, kann hier die Lücken schließen. Darauf folgen neue Gegner wie das Vielauge (Spinne) oder der Uralte Knackkiefer, eine Schnappschildkröte, die im Wasser des feuchten Kellers der Rattenburg wohnt. Um dem Spielleiter noch mehr Gefahren für die Ratten in die Hand zu geben, schließen sich Monstertricks an (besondere Fertigkeiten für Gegner, wie "Gift" oder "Verdammt groß") und eine kurze Liste mit Krankheiten und Giften, die den Ratten das Leben schwer machen können. Die neuen Regeloptionen sind mit nur einer Seite Text erfreulich kurz und dienen ausnahmslos dazu, das Rattenleben gefährlicher zu machen. Die Ideen hinter den darauf folgenden Sagen und Mythen sind zwar durch die anderen Beschreibungen teilweise schon bekannt, aber dennoch nett zu lesen. Geschichten sagen ja bekanntlich viel über die Gesellschaft aus, die sie erzählt. Das Spielleiterkapitel ist hingegen recht dürftig, denn hier werden hauptsächlich Grundlagen der Spielleitung erklärt, die entweder ins Grundregelwerk gehören oder nirgendwohin.
In der zweiten Hälfte des Buches findet man ein langes Abenteuer und ein neues Setting. Das Abenteuer "Feindschaft geht durch den Magen" führt die Charaktere auf der Suche nach einigen verschwundenen Ratten in ihnen unbekannte Bereiche der Rattenburg. Sie müssen sich an Wachen vorbeimogeln, Leute verfolgen und aushorchen, Gänge erforschen und natürlich ihre Haut verteidigen. Die Handlung ist für einen Anfänger etwas lückenhaft, ein erfahrener Spielleiter, der gekaufte Abenteuer ohnehin an seine Gruppe anpasst, hat aber alles bei der Hand, um ein bis zwei spannende Spielabende zu füllen.
Das Highlight haben sich die Macher für den Schluss aufgehoben. Optisch durch ein anderes Layout (das mir sogar besser gefällt als das originale) vom Rest des Buches abgehoben, folgt ein neues Setting: "Ratten! im Weltraum". Eine von Menschen verlassene aber immer noch von vielen Viechern bevölkerte Raumstation auf dem Ganymed bildet die Heimat der Ratten. Hier kann sich der Spielleiter ganz nach Lust und Laune mit Science-Fiction-Gerätschaften, ihren Käfigen entflohenen Rhesusaffen (Entschuldigung: Kreischern) und Baumtrommler Kong (ein Schimpanse) austoben. Die Karten sind hübsch, genau wie der Charakterbogen, der sich nur leider schlecht drucken lässt. Großartig sind auch die Tabellen mit Mutationen. Die zwanzig Seiten lassen viel Platz für Ergänzungen durch den Spielleiter ‐ das ist in einem kleinen "Pocket RPG" aber eher ein "Feature" als ein "Bug". "Ratten! im Weltraum" (oder anders ausgedrückt: "Gamma World" für Ratten) ist eine wunderbare Ergänzung, die ganz neue Möglichkeiten eröffnet.
Die Illustrationen von Timo Grubing und Volker Konrad, von Dominik Dießlin gekonnt ins hübsche aber einfache Layout eingebunden, tragen auch im zweiten Ratten!-Buch dazu bei, dass man sich in der Haut der Nager gleich richtig zu Hause fühlt. Neben den ganzseitigen Zeichnungen sind es vor allem die Gerätschaften aus "Ratten! im Weltraum" (komplett mit einer oder mehrerer davon niedergemetzelten Pelztieren), die es mir angetan haben. Mit ein paar kleinen Patzern wie verrutschten Seitenzahlen und falschen Angaben in Inhaltsverzeichnis und Index muss man allerdings leben können.
Wer nicht die "Ratte im Sack" kaufen will, kann sich das Buch auf der Homepage des Projekts Kopfkino als PDF herunterladen (mit ausgebesserten Fehlern und zusammen mit den Grundregeln, Charakterbögen, Abenteuern, neuen Rotten und sogar Fotos von Ratten für den Charakterbogen).
Fazit: "Ratten‼" bietet viele kleine Ergänzungen zum Grundregelwerk, die zusammen eine Art Spielleiterhandbuch ergeben. Das neue Setting "Ratten! im Weltraum" ist es allein wert, sich das Buch anzuschaffen und auch das neue Abenteuer verspricht eine Menge Spielspaß.
[Andreas Mehlhorn]
Eine Rezension von: Andreas Mehlhorn