Shades of Gray
Shades of Gray (SoG) ist nun schon das dritte Supplement in der limitierten Reihe und man kann deshalb mit Fug und Recht ein gewisses Halbzeitgefühl entwickeln. Nach einem rundum gelungenen Grundbuch und dem spektakulären Ergänzungsband Crusade of Ashes¸ der die Spielwelt noch einmal gehörig auf den Kopf gestellt hat¸ stellte sich die Frage¸ ob man das Tempo und die Qualität noch beibehalten würde.
Mit 160 Seiten ist auch SoG wieder schön vollgepackt und im Sinne der Konzeption zu gleichen Teilen ein Abenteuerband¸ ein Spielerhandbuch und ein Erzählertool.
Gleich zu Beginn bekommen wir endlich die gedruckte Version dessen¸ was in diversen FAQs schon eine Weile kursierte und erhalten die ausgefallene vollständige Regel für Wail. Zudem wird noch ein weiterer Fehler aufgedeckt¸ der allerdings eher den Plot und weniger die Regeln angeht: 'In the Orpheus rulebook¸ under 'Pigment' on p. 286¸ the lead scientist involved in pigment research and growth is wrongly identified as Dr Harold Vermeer. That should actually be Dr Amours Katilian¸ as stated in Crusade of Ashes and this book.' (SoG¸ p. 2)
Zu Beginn steht ein Schnipsel Prosa um die Signature Characters der Serie. Von Lucien Soulban geschrieben und auf gerade mal 7 Seiten komprimiert hält die Geschichte eine überraschende Wende bereit. Aber auch die Leser¸ die das Schicksal der NPC eher wenig kümmert¸ erhalten einen Vorgeschmack auf das¸ was sie im Weiteren erwarten wird.
Nach einer kleinen Einführung¸ die das Bisherige noch einmal ganz grob skizziert und das Thema für das vorliegende Buch beschreibt¸ geht es mit Kapitel 1: The Pale Rider in die Vollen.
Wie schon bei CoA finden sich hier die Hintergründe und dramatis personae für ein entscheidendes Ereignis im Plot¸ sowie Ansätze¸ die Charaktere einzubinden.
Nach dem großen Knall des Vorgängers wirkt natürlich die neue Geschichte ein wenig blasser¸ ist aber dennoch nicht weniger schauderhaft. Ganz nebenbei führt dieses Kapitel auch die neuen Elemente ein¸ deren technische Seite in einem späteren Kapitel beleuchtet wird. Wo wir von Leuchten sprechen¸ auch Radio Free Death ist ab diesem Band kein Buch mit sieben Siegeln mehr. Ein grundsolides Kapitel¸ sauber geschrieben¸ aber auch nicht mehr.
Kapitel 2: The Living Ensemble ist Freund und Feind gewidmet und bespricht in einer Spieler- als auch einer Spielleitersektion die verschiedenen Parteien in diesem großen¸ dunklen Spiel. Von den Medien über die Machenschaften des FBI erfahren wir hier auch mehr über die Kulte¸ die sich um das Pigment entwickelt haben.
Gerade der Abschnitt für den Erzähler quillt in schöner Tradition einmal mehr über mit Informationen¸ großen wie kleinen. Einige davon dürften der Geschichte eine neue Wende geben¸ es kommt doch einiges zusammen¸ mit dem man nicht ernsthaft gerechnet hat. Mehr von den Flatlinern¸ mehr von den Spectres¸ mehr von allem. Nebenbei wird auch noch einer der mysteriösen Gegenspieler aus CoA enttarnt¸ so dass sich nun wirklich niemand beschweren kann¸ in SoG keine sogenannten 'crunchy bits' gefunden zu haben.
Das Kapitel macht allen leuchtende Augen¸ die dem Metaplot folgen wollen. Der Rest wird die Bleiwüste wohl ziemlich schnell überblättern und sich womöglich sogar darüber ärgern¸ dass soviel Platz für diese Abhandlungen verwendet wurde. Als Spielleiter ist man aber dankbar und auch ein Spieler wird in seiner Sektion Ratschläge finden und Perspektiven kennenlernen¸ auf die er so vielleicht noch gar nicht gekommen ist.
Kapitel 3: The Unearthed Players Guide ist die Spielzeugkiste dieses Buchs. Als hätten wir nicht schon genug Optionen schenkt man uns nicht nur den neuen Phantasm Shade nebst dessen Horrors¸ nein nein! Zusätzlich darf sich der hungrige Spieler über die Third-Tier Horrors freuen¸ die jeden Shade um eine weitere Fähigkeit erweitern und einige wirklich beeindruckende und spielleiterfeindliche Möglichkeiten eröffnen. Das Ganze wird durch neue Rollen¸ sowie neue Hintergründe abgerundet.
Zu diesem Kapitel muss man wohl nicht mehr viel sagen. Der neue Shade rockt¸ wenn ich mal so sagen darf und die neuen Horrors¸ die ja auch noch durch ihre speziellen Benefits das ganze Team aufwerten¸ sprechen ebenfalls für sich. Ganz natürlich sollen die Charaktere mit den Gefahren um sie herum wachsen. Eine Gruppe sollte sich also ernsthaft überlegen¸ ob sie diese Möglichkeiten¸ jetzt wo sie bekannt sind¸ schon von Anfang an erlauben will. Ich persönlich wäre da vorsichtig.
So oder so ist dies Kapitel aber eine runde¸ zuckrige Sache¸ auch wenn einige der Hintergründe nicht nötig gewesen wären. Da dies aber die ersten Anzeichen für Schwäche sind¸ die ich bisher in einem Orpheus Supplement entdeckt habe¸ sehe ich vorerst großzügig darüber hinweg. Die Rollen helfen Neueinsteigern und Rollenspielneulingen ganz sicher weiter¸ daher haben sie ihre Berechtigung und ich werde mich nicht über sie auslassen.
Kapitel 4: Storytelling the Dead ist das Spielleiterkapitel und das zu Recht. Auch nur eine Zusammenfassung des Abschnitts zu versuchen¸ käme einem großen¸ fetten Spoiler gleich. Mal abgesehen von einigen grundlegenden Tipps um die Gruppe und ihren Zusammenhalt¸ sowie Gedanken zum Erzählen finden sich hier 'nur noch' die Hintergründe zu den ganz fiesen Sachen. Daher gebe ich hier nur die Stichworte und hoffe¸ nicht schon damit Schlimmes anzurichten: Hives¸ Pigment¸ Temple of the Mother of Vision Es folgen wie auch schon in CoA kurz skizzierte Vorschläge für Geschichten¸ die die vorangegangenen Infos in verdaulichen Häppchen an die Spieler weiterverfüttern. Schließlich und endlich folgen dann noch die unvermeidlichen Missionsbriefings¸ die aus den besseren Tagen der Firma überdauerten. Dann ist auch schon wieder alles vorbei und man möchte den Dezember förmlich herbeizaubern¸ um endlich das nächste Buch in Händen zu halten. Unglücklicherweise geht von nun an aber alles dem Ende entgegen¸ nur noch drei Bücher.
Auch an SoG habe ich nicht viel auszusetzen. Es setzt die Serie würdig fort und trägt seinen Teil dazu bei¸ dass Orpheus trotz seines überschaubaren Umfangs wohl zu einem ganz großen Wurf wird. Wie schon erwähnt kann das hohe Tempo eines CoA natürlich nicht noch einmal erreicht werden¸ aber getreu des Filmkonzepts¸ das die Autoren hier verfolgen ist eine etwas ruhigere Phase nach all der Aufregung auch mehr als nur angebracht. Ruhig kann man hier aber relativ sehen¸ denn der Tag¸ an dem die Ex-Agenten wieder gemütlich vor dem Fernseher einen schönen Abend verbringen können liegt noch in weiter Ferne.
Eine Rezension von: Markus Barth http://www.regensburg-bei-nacht.de