Numenéra Box
Rezension: Numenera-Box - die Zukunft wird schick
2016-10-31
Autor Monte Cook ist im englischsprachigen Raum für seine zahlreichen Rollenspiel-Bücher bekannt, darunter solche für Dungeons and Dragons (D&D) und speziell die Planescape-Reihe. Vor vier Jahren entwickelte er ein neues Spiel, dass auf der Erde in einer Milliarde Jahre spielt. Jetzt wurde das Grundregelwerk nach einem erfolgreichen Kickstarter ins Deutsche übersetzt. Was das Setting auszeichnet und wo das bunte Science-Fiction-Produkt punktet, lest ihr jetzt.
Numenera Box
Autoren: Monte Cook und andere
Ausstattung: Spielleiterschirm, Posterkarte, mehrere ausgedruckte Heldenbögen, fünf Kartendecks, fünf Softcover-Bücher für Regeln, die Welt, Abenteuer und Spielleiten, drei weitere Abenteuer,Tipps zum Spielleitern, zur Welt und zu Horror im Setting
Seiten: insgesamt 560
Preis: 49,95, einzelne Bücher unterschiedlich
Cover und Illus
Mehrere Gestalten und ein Tier stehen neben einem Bernstein-Obelisken. Sie tragen teils futuristisch annmutende Kleidung. Einer wirkt wie eine junge Version des Mutanten Magneto. Im Vordergrund folgt ein Reiter auf einer Art Flugsaurier einer andern Person auf einem Gleiter. Im Hintergrund ist eine bergige Landschaft samt seltsamer Flugschiffe abgebildet. Die Szenerie wird von der Sonne in ein warmes Dämmerungs-Licht getaucht. Das Bild gefällt mir gut, hätte aber spezifischer auf die Besonderheiten von Numenera eingehen können. In den Büchern der Box - derer gibt es fünf - setzt sich die vollfarbige Gestaltung mit vielen Bildern fort. Bis auf wenige Ausnahmen fallen die Bilder sehr hochwertig aus.
Daher gebe ich 5 Sterne.
Aufbau und Texte
Wie bereits erwähnt, finden sich in der stabilen Box gleich fünf Bücher: zu den Regeln, zur Welt, zum Spielleiten und ersten Abenteuern, drei weitere Abenteuer und eine Sammlung weiterer Spielleiten-Tipps und Horror im Setting.
Jedes davon kommt mit eigenem Inhaltsverzeichnis daher. Dieses umfasst zwar nur eine Seite, listet dafür aber auch die Inhalte der anderen Hauptbücher - insgesamt drei - auf. Deren Seiten tragen daher neben Nummern einen Buchstaben. Nur die beiden letztgenannten Werke bleiben außen vor. Dabei handelt es sich um Zusatz-Bücher, die im Englischen durch die Kickstarter-Kampagne als eigene Zusätze ermöglicht wurden. Das Glossar nimmt ebenfalls nur eine Seite ein. Das Qi die Hauptstadt von Dragolis ist, fällt so leicht dem Vergessen anheim. Dafür hat der Index immerhin zwei Seiten bekommen. Auf Seitenreiter wurde leider verzichtet.
Die Absätze sind gut unterteilt und die Texte - mit ganz wenigen Ausnahmen - gut zu lesen. Jedes Kapitel hat seine eigene Farbgebung, die sich in Seitenrändern, Überschrift- und Begriffs-Farben und Zeilen-Hintergründen für Tabellen findet. Alles wirkt hell und lädt zum Lesen ein. Neben den bei Rollenspielen inzwischen obligatorischen Kästen für Spezial-Themen gibt es auch zahlreiche Verweise am Seitenrand. Sogar die Werte für schlichtere Gegner, Wesen oder kurze Anmerkungen finden sich dort. Gerade bei einigen Tieren finde ich das suboptimal, diese nichts ins Kreaturen-Kapitel zu packen. Davon abgesehen sind die Inhalte logisch aufgeteilt und mit gewissen Abzügen rasch zu finden. Zur Not leisten einige Postists gute Arbeit.
Kleine Mankos senken die Wertung auf 4.
Die Regeln
Eines der drei Hauptbücher widmet sich ganz dem System. Das Cypher-System wurde nach den Artefakten benannt, die besondere Kräfte verleihen, die auch als Numenera bekannt sind. Einige davon wirken einmalig wie eine Pille, andere können eingesetzt werden, bis sie ihren Geist aufgeben. Dabei handelt es sich weniger um magische als vielmehr futuristische Artefakte, die den weniger gebildeten Einwohnern der Welt - und heutigen Menschen - oft wie Magie erscheinen.
Charaktere haben drei Attribute: Kraft steht für Stärke und körperliche Widerstandskraft,
Geschwindigkeit für Schnelligkeit und Geschick, Intellekt für geisitge Stärke und Intelligenz. Proben werden mit dem W20 abgehandelt. Dabei muss ein Wert erreicht werden, der der dreifachen Schwierigkeit entspricht. Um die Schwierigkeit zu senken, gibt es mehrere Möglichkeiten. Eine davon ist Zusammenarbeit. Eine Andere bildet der Fertigkeitswert. Statt in Zahlen wird dieser in geübt oder spezialisiert ausgedrückt. Jede Stufe reduziert die Schwierigkeit um drei, maximal also um sechs. Da es keine feste Liste, sondern nur Vorschläge für Fertigkeiten gibt, dürfte die Kleinteiligkeit der Einteilung in vielen Gruppen für Diskussionen sorgen. Ebenfalls denkbar ist, Punkte aus dem passenden Wert zu nehmen. Dies heißt Anstrengung. Für die erste Senkung sind drei nötig, für jede weitere dagegen nur zwei. Diese Einteilung finde ich wenig intuitiv.
Wie das Probensystem weist auch das Klassensystem Ähnlichkeiten zu D&D auf. Es gibt Glaiven als Krieger, Jacks als Gauner und Nanos als Gelehrte, die besondere Fähigkeiten einsetzen. Jeder Charakter hat zudem einen Deskriptor. So steigert charmant seinen Intellekt und lässt ihn in allen positiven, sozialen Interaktionen geübt sein lassen. Dafür ist er schlechter im Lernen. Dazu gesellt sich noch der Fokus. "Beherrscht die Schwerkraft" lässt einen selbst oder andere schweben. Wie die Fähigkeiten der Klasse sind die Stärken des Fokus an den Rang, also den Level des Charakters, gekoppelt. Es gibt fünf Ränge. Für meinen Geschmack beißt sich das mit dem offenen Ansatz und dem Schwerpunkt auf Entdeckungen, der Numenera auszeichnen soll. Gleichzeitig nimmt es Freiheit bei der Erschaffung und Entwicklung.
Schaden wird ebenfalls von einem der Attribute abgezogen. Sinkt dieses auf null, erhält der Charakter eine Verletzungsstufe. Weiterer Schaden geht auf das nächste Attribut. Sind alle auf Null, stirbt der Charakter. Treffer verursachen feste Abzüge je nach Waffe von zwei bis sechs. Obwohl das Setting so weit in der Zukunft spielt und Numenera existieren, die mit Energie schießen, sind die üblichen Waffen auf dem Niveau des Mittelalters. Rüstungen schützen mit ein bis drei Punkten, die vom Schaden abgezogen werden. Der Spielleiter kann einem Spieler Komplikationen in den Weg legen. Dafür erhält der Spieler zwei Erfahrungspunkte, von denen er einen an einen Mitspieler weitergeben muss. Umgekehrt können Spieler Erfahrung für kurz- oder mittelfristige Vorteile einsetzen. Denkbar wäre ein kurzlebiges Artefakt, dass Atmung unter Wasser ermöglicht. Da Erfahrung auch für den langfristigen Fortschritt nötig ist, sollten die Spieler diese Möglichkeit nicht zu oft einsetzen.
Beim Anlesen hat mich diese Idee nicht restlos überzeugt. Andere Systeme arbeiten mit besonderen Punkten, wie den FATE-Punkten. Das finde ich logischer, mag beim Spielen aber anders wirken.
Wegen der begrenzten Freiheit bei der Entwicklung bleiben 3 Sterne.
Die Welt
Numenera spielt eine Milliarde Jahre in der Zukunft auf der Erde. Zahlreiche Zivillisationen sind aufgestiegen und untergegangen und die Landmassen zu einem Super-Kontinent verschmolzen. Nur einen kleinen Teil beschreibt das Welt-Buch der Box. Dieser wird in zwei Gebiete unterteilt. Die Heimfeste liegt zwischen dem großen Ozean im Westen und einem langen Gebirge im Osten. Relativ viele Menschen leben dort in mehreren Reichen. Dazu zählen Dragollis, dass von einem Adelsrat regiert wird, und Malevich, dessen inoffizielle Hauptstadt an die Felswand einer tiefen Klippe erbaut wurde. Der Bernsteinpapst steht den Aeon-Priestern vor, die die Numenera als Artefakte der Vergangenheit studieren. Weiter im Osten liegt die Ferne. Diese kaum besiedelten Landstriche sind exotischer - auch wenn es schon in der Heimfeste allerhand ungewöhnliche Orte gibt. So existiert eine Stadt, die als Zuflucht intelligenter Maschinen dient.
Neben Tieren durchstreifen auch alte Maschinen oder Mutanten die Welt. Einige stammen aus anderen Dimensionen oder von fernen Welten. So ist praktisch alles möglich. In der Box finden sich einige Beispiele. Während ein Jiraskar noch als bunter Dino durchgehen könnte, ist ein Nevajin ein Maschinenwesen, dessen Kopf selbst durch die Gegend fliegen kann. Dagegen wirken Xi-Draken als große Flugsaurier beinah gewöhnlich. Dazu kommen viele Beispiele für Numenera. Mit diesem bunten Ansatz sollten sich Gruppen anfreunden können, um Spaß mit dem Spiel zu haben. Zudem kann die Bereitschaft nicht schaden, sich selbst Material auszudenken.
Für den Anfang liegen der Box sieben Abenteuer bei, die für die ersten Abende zahlreiche Einsätze bieten. Archetypen finden sich versteckt hinter dem Abenteuer-Band.
Da mir das Setting gefällt, gebe ich 4 Sterne.
Fazit
Bei Numenera sagt mir die Welt mehr zu als die Regeln. Diese versuchen, den offenen Ansatz stark in ein Klassen-System zu quetschen. Tatsächlich dürfte sich das Spiel eher mit anderen Systemen eignen, besonders FATE. Dafür bietet die Box einen großen Umfang. Da diese ausverkauft ist, müssen neue Spieler auf die einzelnen Bücher zurück greifen.
Am Ende gibt es 16 von 20 Sterne.
Fantasy-Kritik beim Sternenwanderer
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