Nornis: Schatten der Zeit: Stille
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Das universelle Rollenspiel-Fanzine Greifenklaue wurde bereits 1997 von Mitgliedern der Pfadfindergruppe Mantikore als gedrucktes A4-Heft ins Leben gerufen und eroberte ab 2005 auch das Internet. Neben dem gedruckten Fanzine betrieb Ingo aka "Greifenklaue" vor allem einen Blog, einen Podcast und ein eigenes Forum. Zur großen Bestürzung der Rollenspiel-Szene verstarb Ingo Schulze am Freitag den 26.11.2021. |
Der vierte Teil der Nornis-Abenteuerkampagne "Stille" führt den Leser über 244 Seiten auf zum Dschungelkontinent Erundaar, welcher im Grundregelwerk nur grob umrissen ist und welchen es nun zu erforschen gilt.
Zu Beginn des Abenteuers steht ein Treffen mit Melanudyo, jenem alten Elfen, über den die Charaktere im letzten Band mehr herausgefunden haben oder besser haben sollten. Das letzte Abenteuer zeigte, dass ein Ort namens Kayakol die nächste Station der Charaktere ist, bei der sie mehr über ein altes Elfenvolk namens Da'oryl und die von ihnen geborgenen Artefakte erfahren können. Nicht nur, dass dieser auf dem Dschungelkontinent Erundaar liegt, zudem lebt dort auch Lycara, eine gefährliche, böse Entität. Ein Name, der den Charakteren mittlerweile Respekt einflößen dürfte.
Doch kaum in Samaresh, der riesigen Hauptstadt des Kontinents, angekommen erwarten die Spieler die ersten Probleme: Ein umtriebiger Botschafter, eine verschlossene Bibliothek und die Lycara wird hier von einigen als Göttin der Heilkunst verehrt. Es folgen eine gefährliche Dschungelreise zu Lande und zu Wasser sowie einige Überraschungen.
Die Kampagne wird in weiten Teilen erzählerisch geschildert. Daher wird die Handlung oft streng linear weitergeführt, ohne dass Alternativen aufgezeigt werden. Andere Stellen sind da wesentlich freier, so z.B. die Gefahren im Dschungel: Aus einer gewaltigen Liste kann man sich herauspicken, mit was man die Charaktere konfrontieren möchte. Allerdings gibt es auch keine Hilfestellung, in welcher Häufigkeit die verschiedenen Tiere und Wesen dort vorkommen. Eine profane Zufallstabelle wäre hier z.B. ein gutes Mittel oder auch einfach eine Sparte "Häufigkeit". Ansonsten sind die Probleme an dieser Stelle aber abwechslungsreich und keineswegs auf Kampfbegegnungen beschränkt.
Allerdings hat die Kampagne auch einige Elemente, die für mich NoGos sind. So genannte "Pet-NSCs" gibt es in der Kampagne schon länger, so z.B. der Mini-Drache Lavinia, dazu noch die taffe Dschungelführerin Lalanie. Beide sind ja noch machbar, aber wenn ein anderer NSC den Charakteren hinterher und vorweg reist und Gefahren im Dschungel beseitigt, damit die Charaktere weiterreisen können, gefällt mir das weder als Spielleiter noch als Spieler. Der riesige Komplex von Kayakol wird auf wenige Seiten komprimiert, indem festgelegt wird, dass die Charaktere in jedem Fall nach kurzer Zeit gefangen genommen werden. Daher ist auch keine Karte notwendig. Ein Käufer sollte sich über diese Punkte bewusst sein und sichergehen, dass ein erzählerisch orientiertes Rollenspiel, dessen Stationen teilweise vorgegeben und nur schwer änderbar sind, sich und seine Spieler zufrieden stellt.
Wie immer ist das ganze als Romanabenteuer aufgebaut, sprich neben den eigentlichem Abenteuer gibt es nebenher viel Lesetext, sozusagen begleitend, z.B. verschiedene NSCs, die sich über die Helden unterhalten. Dies macht einen guten Teil des Buches aus. Es handelt sich weniger um abgeschlossene Kurzgeschichten, sondern eher um Gesprächsprotokolle. Daher erfährt man zwar einiges über die verschiedenen NSCs, Motivation, Vorgehen oder Persönlichkeit. Andererseits liegt dieses daher meist nicht in kurzer Form bei den NSC-Beschreibungen vor, allerdings gibt es ab und an im Abenteuerteil konkrete Verweise. Zum Lesen ist es übrigens egal, ob man die Reihenfolge des Abenteuers einhält oder erst Abenteuer, dann Roman liest.
Fazit: Nornis spricht schon einen recht speziellen Spielleiter- und Spielergeschmack an. Für diese Gruppe dürfte der vierte Teil ‐ insbesondere auch wegen der Infos zu und der Erkundung von Erundaar ‐ interessant sein. Wer mit den beschriebenen Stilmitteln nichts anfangen kann, sollte eher die Finger davon lassen.
Eine Rezension von: Ingo 'Greifenklaue' Schulze https://greifenklaue.wordpress.com/