Magus: Die Erleuchtung (2e)
Wer sich auf der Messe SPIEL"97 als World of Darkness (WoD) - Fan dem Stand von Feder & Schwert näherte, kam meist mit lang geschürten Erwartungen. Sehr lange schon warteten die arkanen Gestalten der Dunkelheit auf eine Übersetzung ins Deutsche.
Der sehr guten englischen Fassung Mage - the Ascension (White Wolf, zweite Auflage) folgt nun mit fast zweijähriger Verzögerung die deutsche Fassung von Feder & Schwert.
Nun gibt es viele Rollenspieler, die generell das englische Original bevorzugen, sei es wegen des Preises, der Qualität der Übersetzung oder des Layout. Feder & Schwert hat sich gerade in den letzten beiden Punkten in der Vergangenheit böse Patzer erlaubt und viele Experten in Rollenspielfragen gegen sich aufgebracht.
Eines sei direkt vermerkt: Seit der Veröffentlichung von Wechselbalg - Der Traum stehen die Versionen von F&S dem Original in fast nichts mehr nach - sowohl Übersetzung als auch Layout und Aufwand haben beträchtlich an Qualität und Atmosphäre zugenommen.
Ich gehöre zu der Gruppe von Menschen die zwar gut englisch können, denen aber das Lesen eines deutschen Textes wesentlich leichter fällt und mehr Spaß macht. Ich habe mir vor etwa einem Jahr die englische Fassung gekauft und durchgearbeitet.
In zahlreichen Mage-Runden und Crossover (gemischte Charaktergruppen aus verschiedenen WoD-Systemen) habe ich sehr viel Spaß daran gehabt in die arkanen Geheimnisse einzutauchen, mich mit anderen Magiern, Vampiren und Werwölfen sowie den abgrundtief schlechten dämonenverseuchten Wesen zu Schlagen oder zu Verbünden.
Insgesamt kann ich also schon auf eine recht gute Erfahrung mit dem Storyteller-System und Magus zurückschauen.
Das Storyteller-System
Magus - Die Erleuchtung nutzt das von White Wolf favorisierte Storyteller (engl. Geschichtenerzähler) - System. Nicht das dieses System das Nonplusultra wäre, aber es ermöglicht (bei Regelkenntnis) eine recht schnelle Charaktererschaffung und einen guten Spielverlauf. Die Vorteile:
- Der Spieler benötigt nur 10-seitige Würfel
- Es gibt eine Regelung die Würfeln in vielen Fällen ganz überflüssig macht. Das erleichtert natürlich auch das Spiel ganz ohne Würfel, wie es viele erfahrene Rollenspieler gerne spielen.
- Die Höhe des Wertes einer Eigenschaft/Fertigkeit wird als Anzahl von Punkten vermerkt, wobei 0 Punkte als mies und 5 Punkte bereits als menschliches Maximum zählt. Jeder Stufe sind ganz klare Möglichkeiten zugeordnet, die immer die Möglichkeiten der darunterliegenden einschließt. Somit wird das Möglichkeitsspektrum einer Fertigkeit immer größer.
- Dadurch daß nur bestimmte Punktekombinationen für die Erschaffung zulässig sind, beschleunigt sich die Erschaffung nach einigen Versuchen beträchtlich. Es wird auch kaum gewürfelt. Die Vielfältigkeit entsteht durch die persönliche Gewichtung und Verteilung.
Einen Moment mal ...
... worum geht es in diesem Regelwerk eigentlich ? Ja, wollen wir mal einen Anfang suchen. Wir befinden uns in der sogenannten Welt der Finsternis (engl. World of Darkness, kurz WoD). Im Prinzip ähnelt diese Welt der unseren, betont aber mehr die dunklen Seiten. Die Schatten sind länger, alle sind ein wenig korrupter, die Musik variiert zwischen grausig und barock und irgendwie liegt in allem ein wenig Endzeitstimmung. Das interessante Leben findet eher abseits eines geregelten Tagesablaufes statt - die Nacht wird zum Treffpunkt der verschiedensten Geschöpfe. Sehr viele der historisch wichtigen Ereignisse lassen sich - inoffiziell - durch das Einwirken höherer Mächte erklären, bei denen die Menschen eigentlich nur wie Spielfiguren auf einem Spielbrett gezogen wurden.
In dieser Welt leben die Magi (Plural von Magus) und führen eine uralte Tradition fort, in dem sie ihr Wissen über die arkanen Künste nutzen und vergrößern. Es gilt eine Reise zu beenden. Eine Reise, die schon seit so langer Zeit andauert und die jeder Magus für sich allein reisen muß - der Weg, ja der Aufstieg zur Erleuchtung des Selbst. Selbstfindung und -verwirklichung stellt, neben den Zielen der Gruppe, das höchste Ziel eines Magus dar.
Mit den Gruppen sind die verschiedenen Traditionen gemeint, der ein Magus folgen kann, wenn er nicht zu den Verlorenen oder Verdammenswerten gehören will. Einer Tradition anzugehören bedeutet Schutz aber auch Verantwortung.
Es gibt neun Traditionen, die alle Ihre eigene Auffassung von Erleuchtung besitzen, aber dennoch die Gemeinsamkeiten zu den anderen Traditionen kennen und respektieren. Man schloß sich zusammen, um gemeinsam Gericht zu sprechen und Vergehen bestrafen zu können, die von Einzelnen begangen worden.
Doch nicht nur dieser Zusammenschluß stellt Gesetzte auf, die den Magier in seiner Freiheit, die Realität zu ändern, begrenzen. Da gibt es noch das allgemeine Verständnis der Menschen für Realität. Es formt unbewußt eine Macht, die allzu große Eingriffe bestraft. Man nennt dies Paradox.
Ein Magier der allzu unbedacht mit seiner Macht hantiert wird vom Paradox heimgesucht - und das in den verschiedensten Formen, jedoch immer unangenehm.
Feindbilder
Natürlich fehlen auch in Magus nicht die für jedes Rollenspiel üblichen Feindbilder. Hier sind es magische Kreaturen, andere Magi die entweder so vom Bösen durchdrungen sind, das ihnen scheinbar jegliche Menschlichkeit abhanden gekommen ist, oder solche die mit der Magie wie kleine Kinder umgehen und wie in einem Rausch leben. Verspielte geistige Kinder mit dem zerstörerischen Potential einer Feuersbrunst.
Es gibt Magi und ganz normale Menschen, die sich die Bekämpfung der Magi zum Hauptziel gemacht haben. Das hört sich im ersten Moment absurd an aber diese Art der Erwachten wollen die Menschen vor jedem Einfluß der Magi beschützen und sind dabei auch in der Vergangenheit sehr erfolgreich gewesen.
Das Leben wird für einen Magus von Tag zu Tag schwieriger, weil die Kraft der Realität immer mehr den Zugang zur Magick beschneidet.
Das Äußere, das Innere und das Drumherum
Das Regelwerk Magus - Die Erleuchtung wird als Hardcover produziert, erstrahlt in samtigem Violett und zeigt auf dem Titel, neben der goldenen Aufschrift Magus, eine im Stoff aufgelöste Tarotkarte (Der Magier). Die Bindung erweist sich als äußerst stabil, die Erfahrung lehrt jedoch das die goldene Schrift in Ihrer ganzen Pracht nicht allzu lange den Angriffen von Reibung und Schweiß standhält.
Eingeleitet wird Magus durch eine Handvoll Farbseiten, auf der verschiedene geschichtliche Situationen aus Sicht der Magus wiedergegeben werden.
Die Seiten des Regelwerks sind generell schmuckvoll umrahmt und viele sehr gute Illustrationen zieren die Texte. Da Übersetzungen ins Deutsche meist länger sind als das englische Original wurde auch bei Magus die Anzahl der Seiten von etwa 300 auf 336 aufgestockt. Bis auf wenige Ausnahmen wurden alle Zeichnungen übernommen und an einigen Stellen durch neue ergänzt. Ich habe mal ein "Parallel-Blättern" gemacht und war überrascht. F&S hat es tatsächlich geschafft WW in Sachen Layout zu übertreffen ! Das fiel mir bei einigen der Farbseiten (Textfluß) und bei vielen Zeichnungen auf, die detailreicher wirkten als beim englischen Original.
Der Schreibstil und die Übersetzung
Oliver Hoffmann und Lena Falkenhagen haben da ein schönes Stück Arbeit geleistet. Magus ließt sich fließend und vermag es - wie das englische Original - eine schöne Atmosphäre aufzubauen, durch die der Leser mehr und mehr in die Welt der Magi eintaucht.
Wie bei jeder Übersetzung gibt es Worte bei denen eine sinngemäße Übersetzung in einem Fiasko ausarten muß. Manche Worte wollen einfach nicht übersetzt werden - sie bilden einen entscheidenden Bestandteil der Atmosphäre.
Gott sei Dank, hat F&S diesmal bei einigen kritischen Worten von einer Zwangskonvertierung abgesehen und an anderen Stellen für brauchbaren Ersatz gesorgt. Insgesamt eine durchaus zufriedenstellende Leistung.
Sicherlich werden dennoch einige Mage-Spieler aufstöhnen, sobald die deutsche Übersetzung bestimmter Worte erklingt. Ich selbst habe z.B. auch lange nach einer passenden Übersetzung für manche Worte gesucht und war über manche - nun offiziellen - Übersetzungen überrascht, aber nicht enttäuscht.
Meine Meinung
Ich möchte nun zusammenfassend sagen, daß ich von Magus - Die Erleuchtung sehr positiv überrascht bin. Optisch müssen keinerlei Abstriche zum englischen Original hingenommen werden (wie es z.B. bei der Version eines Anderen Regelwerkes aus dem Hause F&S war). Vom Text weiß Magus ebenfalls zu überzeugen. Jemand der mit dem deutschen Regelwerk in einer 'englischen' Gruppe mitspielt (z.B. auf einem Treffen), wird zwar auf leichte Sprachschwierigkeiten stoßen, aber dann doch froh sein, bei Regelfragen schnell mal sein Regelwerk konsultieren zu können ohne in eine Übersetzungsorgie zu verfallen. Magus - Die Erleuchtung ist ein toller Hintergrund, der Potential für viel Spielspaß enthält.
Was bleibt ist der Preis, der zu Zahlen ist. 75.- DM sind sicherlich nicht von Pappe. Ich stand als Besitzer der englischen Version auch erst einmal kopfschüttelnd vor dem F&S-Stand, bin aber inzwischen froh das Regelwerk griffbereit zu haben, denn durch das Lesen der deutschen Fassung sind mir viele Zusammenhänge, aber auch überlesene Kleinigkeiten bewusst geworden.
Natürlich treibt das Hardcover, die Farbseiten und die 36 Seiten mehr den Preis in die Höhe. Wenn man dann noch sieht, wie gut sich inzwischen manche Spieleverlage ihre normalen Spiele bezahlen lassen ist der Preis durchaus berechtigt.
Eine Rezension von: Dogio http://www.drosi.de