Blood Treachery
Nach der üblichen Einstiegsgeschichte & dem allgemeinen Intro geht es mit 'Wizard's March' gleich in medias res. Das erste Kapitel beschreibt Ursachen & Auslöser für den 'Kreuzzug' der Hermos gegen ihre untoten Cousins & Cousinen. Der zunächst wohl wichtigste ist schlicht die Tatsache¸ dass die Geschehnisse der jüngsten Vergangenheit die OOH arg gebeutelt haben - ihre mächtigste chantry ist zerstört¸ unwieder bringliche Artefakte & Bücher sind vernichtet¸ ihre mächtigsten Mit- glieder entweder tot oder MIA. Als dann noch jahrhundertealte Rituale & als totsicher bewertete mag. Praktiken immer häufiger fehlschlagen¸ geht in den oberen Rängen des Ordens die Panik um. Nun erinnern sich einige ältere¸ 'geschichtlich interessierte' Hermetiker daran¸ dass man ggf. einige äusserst wertvolle Artefakte & alte Originalschriften wiederbekommen könnte - von verfehmten Anhängern Tremeres¸ die nach ihrem Bruch mit der OOH das eine oder andere Teil... beseite geschafft hatten. Als dann noch ruchbar wird¸ dass die Tremere in mehreren Fällen hermetische Magier zu Vampiren gemacht hatten¸ formt sich eine unheil- volle Allianz¸ die dem abweichlerischen Haus heimleuchten will - panische Meister¸ die hinter den arkanen Schätzen der Tremere her sind¸ Flambeau¸ die nach der eingestandenen Niederlage gegen die Technokratie wieder was in die Luft jagen bzw. ihrem Todestrieb nachgehen wollen & eine Reihe einflussreicher Tytali¸ die inzwischen... auf den Geschmack gekommen sind & zu vitae-junkies degenerieren.
Kapitel 2¸ mit 'Hidden War' betitelt¸ zeigt Szenen aus dem Feld- zug der Hermetiker. Hier kommt die 'Feuerball & Sturmgewehr' Fraktion voll auf ihre Kosten & darf Tremere & hermetikern dabei zusehen¸ wie sie sich gegenseitig abschlachten & Haus & Hof des anderen in Schutt & Asche legen. Hierbei wird den Hermos schnell & sehr eindringlich klar¸ dass sie die Macht & Fähigkeiten der Tremere _gnadenlos_ unterschätzt haben. Zwar gelingt die Erbeutung von arkanen Schätzen in etlichen Fällen; als die Vampire sich dann aber von ihrem anfänglichen Schock erholt haben & zum Gegenschlag ansetzen¸ werden die Hermetiker schnell zu Dutzenden vernichtet¸ gefangen genommen oder zu Vampiren gemacht. So ist es nur logisch¸ dass sich inner- wie ausserhalb der OOH der Widerstand gegen diesen Krieg formiert & auf eine Beendigung des Konfliktes drängt...
...und wie eben dies aussieht¸ erfährt das geneigte Lesende im dritten Kapitel¸ 'Blood Treachery'. Ein paar einflussreiche Tytali¸ die inzwischen vitae-süchtig sind¸ unterbreiten den Tremere den Vorschlag¸ den Feldzug zu sabotieren & ihn damit zu einem Ende zu zwingen. Als Gegenleistung erwarten sie einen regelmässigen 'Tribut' an vitae & hoffen¸ durch die Macht des Vampir- blutes 'aufgewertet'¸ endgültig die Oberhoheit über den Orden zu erlangen. Die Tremere können ihr Glück kaum fassen & willigen nur zu gerne ein - lästiger Konflikt vom Hals & gleichzeitig die Herrschaft über ein paar fähige 'Hilfstruppen' erlangt¸ na¸ dafür rückt man doch gerne ein wenig roten Saft raus... Glückes Geschick wird dieser Plan kurz vor seiner Umsetzung zunichte gemacht. In Horizon findet eine Anhörung zu diesem Krieg statt¸ in deren Verlauf ein gefangener Tremere (& ex-Hermetiker) verhört wird. Tja¸ und dieser dient dann als Anker für den Auftritt des eigentlichen Hauptangeklagten: Tremere selbst (ja¸ ihr habt richtig gehört¸ _der Tremere_) erscheint vor dem Rat der Neun¸ foppt ein paar Erzmagier & warnt den Rest¸ die Kindereien doch bitte einzustellen¸ da man sich sonst gezwungen sähe¸ die Hermos entgültig zu vernichten. Die vitae-junkies werden aufgedeckt & vor versammelter Mannschaft blossgestellt. Hier endet die Beschreibung des verfehlten Wizard's March; ob er nun tatsäch- lich eingestellt wird & mit welchen Konsequenzen¸ bleibt vorerst offen.
Randnotiz zu den ersten drei Kapiteln: Die Schilderung des Hinter- grundes des Krieges werden als Drama erzählt¸ komplett mit Bühnen- anweisungen & Sprecherrollen; die neun Sphären selbst fungieren über die ihnen zugehörigen Orakel als griechischer Chor¸ der die Geschehnisse auf der Bühne kommentiert. Mal was anderes...
'Pawns and Bishops' heisst das vierte Kapitel & gibt OOC Erläu- terungen & Infos zum Krieg der Hermetiker wie auch zu dem Befin- den der einzelnen Häuser nach dem Reckoning. Hier werden denn auch verschiedene Szenarien angedacht¸ wie andere Traditionen ggf. in den Konflikt einbezogen werden können & wie er sich insgesamt auf die Supers auswirkt.
Der Appendix ist das fünfte & letzte Kapitel & befasst sich mit den allfälligen Regelfragen¸ neuen Hintergründen¸ rotes etc. Hierbei stechen zwei Entwicklungen hervor:
- Die Regeln für geghoulte Magier werdenn generalüberholt & dürften nun so ziemlich jeden 'Boah¸ Sphären & Disziplinen - cooool!' Munchkinismus wirksam unterdrücken: Geghoulte Magier verlieren mit der Zeit permanente Willenskraft¸ Punkte in Avatar & Arete¸ bis sie ihr Magierdasein gänzlich ihrer Sucht geopfert haben; Ghoule können weder Arete noch Sphären steigern; Quint kann ausschliess- lich über vitae gewonnen werden. Hässliche Sache¸ das...
- Die 27. Neufassung der Regeln für Counntermagic in Bezug auf Disziplinen: Direktes Gegenhalten ist nur noch per Antimagic (Prime 2) möglich¸ wirkt nur & ausschliesslich gegen Thaumaturgy & das nur dann¸ wenn der Magier seine Magie innerhalb des hermetischen 'high ritual magic' Paradigmas wirkt. Sphere vs. Sphere counter- magic ist ab sofort¸ wie alle anderen Formen _direkter_ Abwehr¸ wirkungslos (indirekte Verteidigung über vorher gewirkte Effekte¸ z.B. Gedankenschild gegen mentale Disziplinen¸ sind davon natür- lich nicht betroffen). Umgekehrt gilt dasselbe - ein Thauma- turge kann sich gegen hermetische Magie direkt zu Wehr setzen.
So viel zum Inhalt des Buches.
Was meine persönliche Einschätzung von Blood Treachery angeht¸ die kann ich in einem Satz zusammen fassen: 'Wozu soll dieses Buch gut sein?'. BT ist bei Leibe nicht schlecht geschrieben & entwickelt sein Motiv recht stimmig & interessant¸ krankt aber an einem Grundproblem¸ das die Autoren zwar mehrfach ansprechen¸ aber meiner Meinung nach nie _zufriedenstellend_ abhandeln - _wie konnten die Hermetiker nur so DÄMLICH sein¸ in ihrem momentanen Zustand Zoff mit einem ÜBERMÄCHTIGEN Gegner anzufangen?_ Hybris¸ Arroganz¸ Panik & Orientierungslosigleit nach dem Reckoning¸ schön & gut¸ das wäre ein Grund für _einige wenige_¸ meinetwegen _ein komplettes Haus_. Aber mehr oder weniger die gesamte Tradition? Sind die Hermos wirk- lich so _daneben_? Insofern frage ich mich¸ was WW mit BT bezweckt - es macht die Hermetiker weder spielbarer noch interessanter; ein 'globaler' Konflikt mit den Untoten¸ der ganze Clans & Traditionen umfasst¸ bereichert IMHO den Kanon nicht¸ da er damit die Magier mehr oder weniger entgültig der Vernichtung preis gibt.
Fazit: Wer schon immer mal in grossem Stil auf Vampirjagd gehen wollte & sich nicht daran stört¸ dass das vermutlich den Niedergang seiner Tradition bedeutet (oder wenigstens beschleunigt)¸ der findet Blood Treachery ein Quellenbuch¸ das gekonnt erzählt ist und - wenn man die o.g. Grundproblematik schluckt - ein stimmiges Szenario für eben einen solchen Konflikt entwirft.
Alle anderen können Blood Treachery verlustfrei ignorieren & legen ihr Geld besser in 'The Bitter Road' an.
Eine Rezension von: Christoph Rauch http://www.tylacosmilus.rollenspielserver.de