Karak
Das Dilemma
Als Rollenspieler mit Nachwuchs kommt man irgendwann in eine Phase, in der man sich fragt, wann man endlich die "Klassiker" rausholen kann. Damit meine ich Giganten wie Talisman oder Kings&Things. In einem Anflug von Nostalgie entstaubt man die Boxen und stellt wehmütig fest, dass man ein Vorschulkind nicht mit einem Spiel begeistern kann, in dem sich auf jeder Spielkarte Texte befinden. Das Vorlesen ist in einem kooperativen Spiel nervig - in einem Spiel wo alle Spieler gegeneinander antreten und eventuell sogar Karten geheim halten sollen geradezu sinnbefreit.
Dieses Thema zieht sich mindestens bis in die 5. Klasse fort, da man zwar in der Grundschule das Lesen lernt, aber um die teils anspruchsvollen Regeltexte zu verstehen schon über ein ordentliches Vokabular verfügen muss (an dem auch so mancher Erwachsene scheitert...). Also zurück ins Regal mit den Schätzchen. Stellt sich also die Frage, wie man den Nachwuchs "anfixt". Wer Lotti Karotti bereits durchgespielt hat, kann sich jetzt freuen...
Mit Karak ist ein Spiel erschienen, dass das Grundthema von Talisman (bzw. vergleichbarer Dungeon Crawler) aufnimmt. Bei diesen geht es darum, mit einem Helden zu starten, diesen in mehreren kleinen Gefechten auszubilden (aufzuleveln) und schließlich gegen den Endgegner zu schicken, um diesen zu besiegen und das Spiel zu gewinnen. Die Mitspieler verfolgen das gleiche Ziel und können einem entweder helfen - oder wie in diesem Fall - treten als Konkurrenten an.
Kindgerecht?
Warum ist Karak auch für Kinder geeignet, die noch nicht lesen können? Zwar gibt es eine dicke Anleitung, diese ist aber in vielen (!) verschiedenen Sprachen verfasst, so dass der deutschsprachige Teil nur wenige Seiten hat. Die Regeln sind sehr eingängig beschrieben und gut illustriert, so dass es reicht, wenn ein Erwachsener die Anleitung einmal vorliest und die erste(n) Spielrunden mitspielt, um auch jüngeren Spielern (so ab 5 Jahren) das Spiel nachhaltig zu vermitteln.
Auch die Sonderregeln halten sich in Grenzen. Dabei handelt es sich vor allem um jeweils zwei Spezialfertigkeiten der Helden, die auf den Karten durch Symbole illustriert werden. Der Kämpfer kann zum Beispiel ein zweites mal angreifen, wenn ihm ein Wurf nicht gefällt und wacht, sobald er alle Lebenspunkte verliert, stets an einer Heilquelle auf. Die Kundschafterin kann Feinde ohne Kampf umschleichen und gewinnt einen Kampf auch bei Gleichstand. Prägnant und leicht zu merken. Für Vorschulkinder sowieso - und die Eltern können es ja nochmal nachlesen... Insgesamt stehen übrigens sechs Helden und Heldinnen zur Auswahl. Ein weiterer Bonus: alles was den Spieler betrifft, wird offen ausgelegt, d.h. der Einzelne Spieler soll nichts vor den anderen Spielern geheim halten. So können ältere oder mehr regelkundige Spieler den anderen jederzeit helfen.
So, worum geht es?
Die Helden haben von der zerfallenden Burg von Karak gehört, in der sagenhafte Reichtümer schlummern, aber auch Gefahren lauern sollen. Das Labyrinth der Burg offenbart sich den Spielern nach und nach in Form von viereckigen Raumplatten. Diese können Gänge, Abzweigungen, Kreuzungen, aber auch Heilquellen oder Portale enthalten. Jeder Spieler, der neues Terrain erkunden möchte, spielt am Beginn seines Spielzugs eine solche Geländekarte an einer gewählten Stelle aus und bestimmt so den Aufbau des Labyrinths mit. Sobald das neue Gelände liegt, muss aus dem Säckchen ein zufälliger Marker gezogen werden, auf dem entweder ein Monster zu finden ist oder eine Schatztruhe. Monster wollen natürlich besiegt werden - und besiegte Monster lassen Waffen, Zaubersprüche oder Truhenschlüssel fallen (die sich auf der Marker-Rückseite befinden). Bis zu zwei Waffen, ein Schlüssel, und drei Zauber lassen sich aufnehmen. Waffen verbessern die Kampfkraft und Schlüssel öffnen Schatztruhen. Zauber sind Einweghilfen die Heilung bringen oder im Kampf zusätzlichen Schaden verursachen.
Charakterblatt
Damit das alles nicht lose auf dem Tisch rumliegt, liegen der Box fünf schöne Tableaus bei, in der sich das Charakterbild, 5 Lebenspunkte und das Inventar in Mulden ablegen lässt. Sehr praktisch. Leider liegt der Box kein 6. Tableau bei, obwohl die Zahl der Charaktere und Lebenspunkte ausgereicht hätte. Muss halt der Sechste zur Not ohne spielen.
Draufhauen
Karak besteht vor allem aus Kämpfen, dem Sammeln von Gegenständen und Steigern des Charakters. Die Kämpfe werden mit zwei W6 (sechsseitigen Würfen) ausgetragen, wobei die Summe aus Würfeln und Waffenpunkten und ggf. Zauberpunkten über dem auf dem Monstermarker stehenden Wert liegen muss. Eine Ratte, als kleinstes Monster, fängt mit 5 Punkten an und die Königsklasse (der Endgegner) hat 15 Punkte. 15 Punkte mit zwei W6 zu erreichen ist unmöglich, weil 2W6 nun mal nur 12 Punkte hergeben - im besten Fall. Damit lässt sich der Endgegner - es ist übrigens ein großer roter Drache - in den ersten Spielzügen auf keinen Fall besiegen. Jede der zwei möglichen Waffen bringt aber einen Bonus zwischen +1 und +3 und die Kampfzauber addieren sich nochmal mit jeweils +1 hinzu (zumindest einmalig). Hat man ein Monster besiegt, gibt es die rückseitige Belohnung. Liegt der eigene Wurf in Summe mit dem Gegnerwert gleichauf, ist es unentschieden und man muss sich schadlos zurückziehen. Hat man den Wert nicht erreicht, verliert man einen Lebenspunkt, das Monster verweilt, und man selbst wird auf das vorherige Feld zurückgestoßen. Sind alle 5 Lebenspunkte verbraucht (umgedreht), kippt man um und muss eine Runde aussetzen, um dann mit 1 Lebenspunkt weiter machen zu dürfen. Nur wer an den Heilquellen verweilt, oder einen Heil-Teleportzauber verwendet, kann sich komplett heilen. Ziel des Spiels ist es übrigens nicht den Drachen zu besiegen (was das Spiel aber sofort beendet), sondern die meisten Schätze zu sammeln. Der Drachentöter ist also nicht automatisch der Sieger, doch die "Drachentruhe" kürt bei einem Truhen-Gleichstand den Sieger.
Verflucht
Bei Karak interagieren die Spieler relativ wenig miteinander. Kämpfe werden allein mit Monstern ausgetragen und eventuell kann einem ein Mitspieler ein lukratives Monster vor der Nase wegschnappen oder von einem fallengelassenen Gegenstand profitieren. So richtig Ärgern kann man seinen Mitspieler allerdings, sobald man eine Mumie besiegt. Dann darf man den "Fluch von Karak" verleihen. Dieser lässt sich zwar beim Aufladen an einer Heilquelle ebenfalls ablegen, bis dahin blockt der Fluch allerdings die Spezialfähigkeiten des Helden - was stets sehr lästig ist. Da es nur eine Fluchmarke gibt, ist es ebenso hilfreich, wenn erneut eine Mumie besiegt wird, denn dann besteht die Chance, dass der Fluch weiterzieht.
Ist das Spiel gut?
JA, das Spiel ist für meine Kinder derzeit der Kracher! Mit Karak kann man sie problemlos an den Spieltisch locken. Der große Vorteil sind die einfachen Spielmechaniken, die man nach ein bis zwei Spielrunden drauf hat - und wenn man mal was vergisst, passen die anderen schon auf und korrigieren. Da ist es auch kein Problem, Gäste mitspielen zu lassen. Karak ist schnell aufgebaut und spielt sich zügig, so dass Runden in der Regel um die 30-45 Minuten dauern. Wichtig zu verstehen ist, dass bei Karak die Spieler gegeneinander antreten - Personen die bei "Mensch ärgere Dich nicht" ausflippen, sind auch bei Karak keine guten Mitspieler. Für eher harmoniebedürftige Familien ist das Spiel dann vermutlich eine Herausforderung. Einen weiteren Wermutstropfen gibt es: das Spiel hängt - gerade am Anfang - sehr vom Zufall ab. Sowohl welche Marker (Monster) man zieht, als auch wie man würfelt. Wird ein Spieler vom Glück verwöhnt, legt sich schnell ein Schatten über die anderen Spieler und das Gefühl von "macht ja eh keinen Sinn mehr" schleicht sich ein. Die Erfahrung hat mir jedoch gezeigt, dass man auch noch gewinnen kann, obwohl man über viele Runden nur Pech gehabt hat. Vielleicht auch eine sinnvolle Lektion für den Nachwuchs.
Fazit:
Ich finde Karak toll. Meine Familie findet Karak toll. In der stabilen Box aus Karton sind die Sachen gut verwahrt. Die Platten und Marker sind robust und toll illustriert - geeignet für Kinder und Erwachsene. Auch an der Anleitung gibt es nichts zu meckern - sobald man die Seiten in der eigenen Sprache gefunden und am besten mit einer Büroklammer gesichert hat. Ist das Spiel nur was für Nerds und Nerd-Familien? Nein, ganz und gar nicht. Das Spiel kann man problemlos jeder Familie empfehlen - oder als Geschenk mitbringen - die ein gutes Spiel zu schätzen wissen. Meine volle Empfehlung!
P.S. ich habe mir mittlerweile die Erweiterung zugelegt, doch dazu ein andermal mehr...
Eine Rezension von: Dogio http://www.drosi.de