Harry Potter: TCG
Der Leser dieser Rezension sollte folgendes wissen: ich¸ der Rezensent¸ konnte mich bislang nie sonderlich für Sammelkartenspiele (Trading Card Games¸ TCG) begeistern - aber ich bin ein recht begeisterter Harry Potter-Fan.
Was sollte nun¸ nach mehreren gescheiterten Versuchen¸ einen besseren Einstieg in dieses Spielgenre darstellen¸ als ein Harry Potter TCG - zumal dieses Spielprinzip ja eigentlich viel Spaß machen mu߸ sonst würden ihm ja nicht so viele Spieler fröhnen...
Auf meine begeisterte Nachfrage nach einer "spielbaren Version für zwei Personen" erreichten mich schließlich ein Starterset (DM 27) und zwei Booster (je DM 7.50).
Betrachtet man den Preis für die üblichen Amigo-Kartenspiele (z.B. Bohnanza mit 110 Karten für 12 DM)¸ so erscheint einem der Preis des Starters (82 Karten plus Spielplan) oder Booster (11 Karten für DM 7.50) schon recht happig. Aber so eine HP-Lizenz will ja auch erstmal bezahlt sein...
Naja¸ das Geld ist ja letztendlich auch gar nicht sooo wichtig¸ wenn der Spielspaß stimmt¸ zumal die Einstiegskosten für eine "spielbare Version für zwei Personen" mit DM 43 durchaus im üblichen Rahmen eines Gesellschaftsspiels oder gar Sammelkartenspiels liegen.
Aus dem Starterset purzeln einem zwei verschweißte (vorsortierte und stets gleiche) Decks¸ eine farbige Mini-Anleitung und ein großer Spielplan entgegen. Die erste Kartenserie orientiert sich am ersten Roman "Harry Potter und der Stein der Weisen".
Auf dem farbigen Tisch-Spielplan-Poster (ca. DIN-A1) finden sich für beide Spieler je drei Felder für die verschiendenen Kartensorten¸ ein Feld für das Kartendeck und ein Ablagefeld. Dazu gibt es Erklärungen zum Ablauf einer Spielrunde und zu den Beschriftungen der Spielkarten. Wirkt alles sehr übersichtlich und aufgeräumt.
Von einem vorausgehenden Studium der Anleitung rät selbige dringend ab - zuerst soll der Anfänger sich anhand des beschrifteten Spielfelds einige 'leichte' Spiele absolviert haben.
Das Spielprinzip
Bei Spielbeginn legt man die Karte seines Zauberschülers auf das Spielfeld. Jeder Zauberschüler hat einen bestimmten Vorteil. So kann Hermine doppelt so viele Lektionen auslegen ("im Unterricht lernen") wie normal (alte Streberin!) oder Draco eine eigene Karte opfern um seinem Gegner in die Handkarten zu schauen und eine davon zu entfernen (sehr fies).
Dann nimmt man 7 Karten auf die Hand und darf zum Beginn jeder Runde eine neue Karte vom gut gemischten Deck ziehen.
Das Deck enthält Lektionen¸ Wesen und Zaubersprüche.
Zu den Lektionen-Karten gehören z.B. Pflege magischer Geschöpfe¸ Verwandlung¸ Zauberei oder Zaubertränke. Ein Zauberschüler muß vor dem Ausspielen von Wesen oder Zaubersprüchen immer erst eine bestimmte Anzahl von Lektionen "gelernt" (d.h. ausgelegt) haben. Trägt eine Karte z.B. ein Symbol 2 x Pfote (=Pflege magischer Geschöpfe)¸ so benötigt der Spieler zwei ausgespielte Lektionen¸ von denen mindestens eine Pflege magischer Geschöpfe-Lektion sein muß.
Die Wesen-Karten haben drei wichtige Werte: ihre Benötigte Kraft (benötigte Lektionen)¸ ihren Schaden und ihre Lebenspunkte. Einige Wesen haben noch Zusatzbedigungen aufgedruckt. Bei meinen Karten fanden sich Waldtrolle (2-2/3)¸ Böser Wolf (6-3/3)¸ Neugieriger Rabe (2-1/1)¸ Schottischer Hirsch (4-1/5)¸ Boa Constrictor (4-2/2) und Mürrischer Hund (3-1/3).
Natürlich ist das vermutlich nur eine schmale Auswahl¸ wenn man den Artenreichtum der HP-Romane ins Gedächtnis ruft. Allein Hagrids Menagerie dürfte all diese Wesen locker schlagen - aber wohl leider zu den "Rares" (den seltenen Karten) gehören. Wesen fügen dem Gegner (nicht seinen Wesen) zu beginn der eigenen Runde schaden zu. "Schaden" bedeutet¸ daß der Gegener Karten seines Decks ungenutzt auf den Ablagestapel legen muß. Ist das eigene Deck aufgebraucht¸ ist das Spiel verloren.
Wesentlich vielfältiger zeigen sich die Zauberspruch-Karten die¸ wie die Wesen¸ eine Mindestmenge und mindestens eine passende Lektion erfordern. Die Starterdecks waren so vorsortiert¸ daß man nur die Lektionen Pflege¸ Zauber und Verwandlung hatte und brauchte.
Die Zauber haben trotz vielfältiger Namen und Gestaltung meist folgende Wirkungen: Gegner oder Wesen X Punkte Schaden zufügen¸ Wesen/Lektion des Gegners entfernen (für eine Runde neutralisieren usw.)¸ bereits abgelegte eigene Lektionen/Wesen/Zauber-Karten wieder vom Ablagestapel nehmen.
Das war's im Prinzip auch schon... Lektionen auslegen¸ kämpfende Wesen auslegen¸ beim Gegner Zauberschaden verursachen und durch die totale Dezimierung des gegnerischen Decks das Zauberduell gewinnen. Natürlich spielt da der Zufall und die Zusammenstellung des Decks eine große Rolle... Denn die 'richtigen' Karten müssen von einem ja erst einmal gezogen werden. Anfangs benötigt man viele Lektionen und 'billige' Wesen - später dann die teuren Zaubersprüche und Wesen.
So richtig Spielfreude will da nicht aufkommen: jedes gegnerische Wesen läßt sich mit einem eigenen Zauber schnell aus dem Weg räumen - ok¸ sofern man sie gerade auf der Hand hat. Das jeweilige Spiel ist zudem bei Decks mit nur 40 Karten schnell vorbei.
Dazu erscheint der fiese Draco der belesenen Hermine im Duell um Längen voraus zu sein. Seine Sonderfähigkeit erlaubt ihm Hermines Kartenhand einzusehen und vom größten Übel zu bereinigen¸ und seine Angriffszauber sorgen für großen Schaden an Hermine und ihren Wesen. Hermine kann nur dagegenhalten¸ wenn ihr gleich zum Start die optimale Kombination aus Lektionen und mächtigen Wesen in die Hand gerät¸ sonst kommt sie - meinen Erfahrungen nach - kaum noch wirkungsvoll zum Zuge.
Die Booster
Aber man darf nicht vergessen¸ daß ein Sammelkartenspiel-Starter vor allem eines soll: zum Kauf der Booster verleiten. Das Starterset bietet nur eine kleine Auswahl von 17 der insgesamt 116 (!) verschiedenen Karten (1. Serie).
Was einem im Starter z.B. erst einmal vorenthalten bleibt sind Objekt- und Abenteuer-Karten.
Objekte werden ähnlich ausgespielt wie Wesen¸ wirken aber wie zusätzliche Lektionen oder Zaubersprüche.
Abenteuer sind fiese Aufgaben¸ die man seinem Gegner stellen kann. Sie enthalten ein Handicap (z.B. "nicht Zaubern")¸ daß bis zur Erfüllung der Lösung (z.B. "6 Handkarten abwerfen") auf den Gegner wirkt. Für die Läsung eines Abenteuers gibt es eine Belohnung¸ z.B. "eine Karte ziehen". Das die Belohnung in keinem Verhältnis zur Lösung steht¸ zeigt¸ daß dies ziemlich lästige Behinderungen für den Gegner darstellen¸ von denen zur gleichen zeit nur eine Wirken darf.
Natürlich war es mir¸ trotz der beiden beiliegenden Boostern gar nicht möglich¸ ein "richtiges" Zauberduell zu veranstalten¸ denn dazu braucht man zwei Decks mit zus. 120 Karten (aber: 80 + 22 = 102).
Dazu kam¸ daß einige Karten heraussortiert werden mußten - den fünf Trank-Zaubern stand nur 1 Trank-Lektion gegenüber - und jeder der Trank-Zauber *verbraucht* 1 Trank-Lektion. Zum Einsatz anderer Zauber¸ wie dem teuren "Geflügelte Schlüssel" (kostet 10 Lektionen!)¸ kommt man bei der kurzen Spieldauer leider erst gar nicht.
Abenteuer und Objekte waren zudem in meinem Boostern ebensowenig vorhanden¸ wie weitere Zauberschüler - diese lassen sich nämlich zusätzlich ins Spiel bringen und ergänzen den eigentlichen Startzauberer mit ihren Sonderfähigkeiten. insgesamt fanden sich in meinen Boostern gar keine Highlights¸ außer vielleicht der Schottische Hirsch (mit seinen ungewöhnlichen 5 Lebenspunkten)... insgesamt ziemlich enttäuschend.
Bei solch einer Quote rechne ich mit einem Zukauf von noch mindestens 10 Boostern (=DM 75 !)¸ bevor ich überhaupt ein vernünftiges Duell hinbekomme...
Höre ich jetzt den Leser dort hinten leise vor sich hinkichern? ... Du bist ein Sammelkartenspieler¸ der in seinem Leben schon weit mehr als 12 Booster gekauft und weit mehr als DM 110 für Sammelkarten ausgegeben hat? ... Du meinst¸ daß der Reiz eines Sammelkartenspiel gerade im Wort SAMMELN liegt¸ was nichts anderes als den regelmäßigen Kauf von Boostern und den Tausch doppelter Spielkarten bedeutet? ... Du meinst ich würde mit der falschen Einstellung an die Sache gehen und ich solle mich wieder meinem Bohnanza widmen¸ weil mir der Sammeltrieb fehlt ?
Vermutlich hat der Leser/die Leserin recht. Trotz meiner Begeisterung für Harry Potter und seine Abenteuer¸ bleibt mir der Spaß an diesem Spielprinzip verwehrt. Vielleicht ist auch das Starter nicht auf "Spielspaß"¸ sondern auf "Appetizer" agestimmt. Vielleicht hätte auch eine größere Auswahl an Spielkarten mir den Kick gebracht...
So muß ich meine Wertung auf der begrenzten Vorlage bilden. Daher tendiere ich auch zwischen etwas flacher Begeisterung¸ weil das Spiel ja durchaus spielbar und optisch gut aufgemacht ist ... und einer gewissen Enttäuschung¸ daß mich das vorgelegte Material - trotz meiner Vorfreude ! - doch nicht zum begeisterten Sammelkartenspieler konvertieren konnte.
Eine Rezension von: Dogio http://www.drosi.de