Return to Honor
Wer mein Treiben im Internet schon eine weile verfolgt¸ dürfte mitbekommen habe¸ daß ich (Rollen-) Spiel-Publikationen zum Thema Zweiter Weltkrieg und realen Kriegen allgemein¸ nur wenig Begeisterung entgegen bringe. Der Grund dafür ist meine persönliche Ansicht¸ das durch Kriege verbreiteten Elend nicht unbedingt der beste Stoff für ein Spiel sind - die spielerische Rekonstruktion einer historischen Schlacht mag da ggf. noch eine Ausnahme darstellen.
Nun liegt Return to Honor aus der WWII-Serie für das GURPS-Rollenspiel vor mir¸ das aus der Feder von Brian J. Underhill stammt - und ich werde versuchen möglichst neutral an diese Rezension heranzugehen.
GURPS-Quellenbände haben übrigens einen äußerst guten Ruf - auch über die Grenzen von GURPS hinaus - denn Quellenbände für GURPS lassen sich in der Regel problemlos auch für jedes andere Rollenspiel verwenden. Zudem haben für die GURPS-Linie die namhaftesten Rollenspielautoren geschrieben und einen hohen Qualitätsstandard gesetzt. Genug der Vorschußlorbeeren¸ nun zum Inhalt...
Return to Honor beschreibt die Rolle Frankreichs im zweiten Weltkrieg. Der knapp 50 Seiten starke Band wurde in sechs Kapitel unterteilt: France at War¸ The French Army¸ France Underground¸ Characters¸ The French Armory¸ Campaigns und References and Index.
Das erste Kapitel France at War gibt einen historischen Rückblick auf die sechsjährige Geschichte Frankreichs im 2. Weltkrieg¸ angefangen mit dem 1. WK¸ die Jahre bis zum Begin des 2. WK¸ durch die Zeit der Besatzung hindurch¸ bis zum D-Day und zur deutschen Kapitulation im Jahr 1945. In knappen Beschreibungen berichtet der Autor über den weltweiten Einsatz¸ die Motivation und das Vorgehen der französischen Armee - und deren Wandel von der farbenprächtigen Armee (Tricolor¸ 1871) zum "unsichtbaren" Widerstand im Untergrund nach dem Einmarsch im Mai 1940.
Anders als vielleicht im Geschichte-Buch¸ muten die knappen Texte nirgendwo trocken an¸ einmal abgesehen davon¸ daß einem jede Menge Jahreszahlen um die Ohren fliegen. Die geschichtlichen Zusammenhänge werden chronologisch aufgeführt und der Text orientiert sich an den spielerisch interessanten historischen Meilensteinen¸ ohne allzu sehr ins Detail zu gehen. Zu vielen Begriffen finden sich dann detailliertere Hintergrundinformationen in farbig abgesetzten Rahmen.
Meine geschichtlichen Kenntnisse sind nicht fundiert genug¸ um alle Ausführungen des Autoren überprüfen - spieltechnisch sollten die eher seitenneutral gehaltenen Informationen aber in jedem Fall ausreichen und reichlich Atmosphäre bieten. Mit seitenneutral meine ich¸ daß der Autor sich weder zur Glorifizierung noch Verdammung einer Kriegspartei hinreißen läßt¸ sondern versucht eine neutrale Position beizubehalten.
Das Kapitel "The French Army" gibt einen Überblick über den Stand der Ausbildung¸ Wehrdienst¸ Orden¸ Grund- und Spezialeinheiten (deren Aufbau und Größe) uvm. Neben einem Überblick über Heer¸ Luftwaffe und Marine¸ darf natürlich auch eine Beschreibung der Fremdenlegion nicht fehlen - ein bis zum heutigen Tage leicht mystifizierter Zweig der französischen Militärgeschichte.
Da sich die WWII-Serie vor allem den Zeitraum zwischen 1938 und 1945 behandelt¸ in der Frankreich besetzt war¸ spielt natürlich der französische Widerstand eine große Rolle. Ihm wird daher auch das dritte Kapitel gewidmet¸ daß die verschiedenen lokalen Untergrund-Netzwerke¸ bedeutende Personen und deren Aktivitäten (inkl. Sabotage - heute würde man wohl Terrorismus dazu sagen...) sowie die Zusammenarbeit mit englischen Geheimdiensten heraushebt.
Das vierte Kapitel beschreibt Characters beschreibt die Erschaffung eines französischen Soldaten (nach GURPS-Regeln)¸ dessen typische Vor- und Nachteile¸ Charaktertypen (Templates: Jedburgh¸ Legionär oder SOE-Agent) .
Kein Krieg ohne Waffen¸ Ausrüstung und Fahrzeuge. Das The French Armory-Kapitel beschreibt genau diesen Aspekt. Die Waffen werden - recht kurz bei Waffen¸ länger bei Fahrzeugen - beschrieben¸ mit Werten vorgestellt und - sehr vorbildlich - auch mit ihren französischen Namen bezeichnet. Gerade bei diesem Kapitel hätte ich mir aber mehr und vor allem bessere Illustrationen gewünscht. Hier wurden nur die Fahrzeuge (Panzer¸ Flugzeuge) mit Photos illustriert.
Tabellen runden den Anspruch an Informationen in diesem Kapitel ab.
Rollenspiel schreit nach Abenteuern und diese Wiederum sollte ein guter Spielleiter zu Kampagnen (engl. Campaigns) verflechten. Die gerade einmal vier Seiten (inkl. drei "Adventure Seeds") erfüllen nicht so recht meinen Anspruch. Die Beispiele kannm na gerade mal als exemplarisch bezeichnen¸ nehmen einem Spielleiter aber nicht wirklich viel Arbeit ab. Es werden vielmehr Einstiegspunkte (chronologisch bzw. bzgl. einer Organisation) angeboten.
Die References and Index erweisen sich als recht knapp gehalten und nehmen zusammen gerade mal eine Seite ein - auch wenn die Referenzen sicherlich einen guten Einstieg in weitere Quellen darstellen.
Technisches
In Sachen Aufmachung bin ich nicht sonderlich befriedigt worden. Der Band ist schlicht gehalten¸ geradezu simpel und die Illustrationen sind für mein verwöhntes Auge ... grausam. Ich weiß daß man historische Photos aus Rücksicht vor noch Lebenden und den Erben so manipuliert¸ daß ein Widererkennen erschwert wird - aber warum dann überhaupt Photos? Was ich gesehen habe - Graustufenbilder mit vielleicht 16 Farbstufen und grober Pixelung - sieht allenfalls billig aus. Zeichnungen hätten in diesem Fall vermutlich einen besseren Eindruck gemacht.
Ansonsten wirkt auch das Layout sehr gedrängt - irgendwie hat man versucht die Informationen einer DIN-A4 Seite auf das amerikanische Comic-Format (irgendwas zwischen DIN-A4 und A5) zu quetschen. Da bleibt wenig "Freuraum" (alternativ "Freiraum") für gutes Layout.
Fazit:
Vielleicht bin ich von früheren (auch deutschen) GURPS-Quellenbänden verwöhnt¸ aber weder das Format des Bandes noch das Layout können bei mir Begeisterung hervorrufen. Ich will aber dem Autoren gegenüber nicht ungerecht sein. Eine bescheidene Verpackung kann einen guten Inhalt nicht sonderlich schwächen.
Meines Erachtens wird der Autor seiner spieltechnischen Aufgabe gerecht¸ einen Abriß der Ereignisse bzgl. der Franzosen im 2. Weltkrieg zu geben. Neben recht oberflächlichen¸ nahezu unterhaltsam geschriebenen¸ geschichtlichen Informationen wird auch die jeweilige Motivation¸ Hintergedanken usw. der Fraktionen dargestellt¸ die zu bestimmten Entscheidungen geführt haben.
Aber weder die Charaktererschaffung noch die Kampagnenideen konnten mich wirklich begeistern. Sie waren einfach zu knapp und zudem nichts¸ worauf man nach Lesen des Bandes nicht auch selbst gekommen wäre - vom regeltechnischen (bzgl. GURPS) einmal abgesehen.
Wer eine WWII-Kampagne plant (z.B. mit GURPS¸ Cthulhu¸ TRI¸ o.ä.) kann hier sein Geld sinnvoll investieren - für alle anderen sehe ich leider keine Kaufmotivation.
Eine Rezension von: Dogio http://www.drosi.de