Rückkehr der Helden
Wenn Brettspiel- und Rollenspielelemente miteinander verschmelzen¸ dann können dabei Gesellschaftsspiele entstehen¸ die in der internationalen Rollenspielszene zum Klassiker werden. Eines dieser seit Ewigkeiten ausverkauften Spiele ist Talisman¸ daß hierzulande von Schmidt Spiele produziert und vertrieben wurde.
Es ist eigentlich sehr verwunderlich¸ daß es fast 20 Jahre gedauert hat¸ bis sich ein weiterer deutscher Verlag gefunden hat¸ der sich an ein solch anspruchsvolles Konzept herantraut.
Zur Essener Spielemesse 2003 war es dann endlich soweit: Pegasus Spiele veröffentlicht Rückkehr der Helden (RdH) - und damit auch mehr oder minder eine Rückkehr des bewährten Talisman-Spielprinzips. Doch einen 1:1 Talisman-Klone darf man nicht erwarten¸ auch wenn Ähnlichkeiten vorhanden sind.
Charaktere
In Rückkehr der Helden übernehmen die Spieler die Rolle je eines Helden der sich durch die teils zivilisierte¸ teils recht wilde Landschaft einer Fantasywelt bewegt. Als Helden stehen Krieger¸ Zwerg¸ Elfe¸ Kleriker und Magier - jeweils in männlicher und weiblicher Ausführung (doppelseitige Charakterblätter) zu Verfügung. Diese frei Wahl des Geschlechts eines Helden finde ich sehr positiv.
Jeder Held hat zu Beginn die drei Kampfwerte Nahkampf¸ Fernkampf und Magie in unterschiedlicher Höhe (3-7) fest vorgegeben. Selbstredend haben die Helden entsprechend ihrer Profession auch die passenden Kampfwerte entsprechend hoch (z.B. der Magier die Magie auf 7). Im Laufe des Spiels kann dieser Wert nur durch Waffen und andere magische Gegenstände (es gibt 4 Inventar-Ablageflächen) erhöht werden¸ die der Held in sein begrenztes Inventar aufnimmt.
Proben werden mit der Summe zweier sechsseitiger Würfel ermittelt. Liegt die Summe unter dem Wert gilt die Probe als gelungen¸ ansonsten als fehlgeschlagen.
Durch bezahlte Lehrmeister oder das Überwinden von Questen und Monstern kann die Zahl der möglichen Würfel (max. 5) weiter gesteigert werden. Für die Probe darf der Spieler sich dann stets die beiden günstigsten Würfel heraussuchen und addieren.
Ein weiterer vorgegebener Wert ist die Anzahl der Lebenspunkte (2-5)¸ die sich nur durch Rüstung begrenzt erhöhen läßt (max. 8). Scheitert ein Held im Kampf¸ so muß er einen Lebenspunkt abgeben. Wenn der Spieler den Lebenspunkt eines Rüstungsteils abgibt¸ so gilt dieses als zerstört. Muß der Spieler den letzten Lebenspunkt seines Helden abgeben¸ so gilt der Held als gestorben. Lebenspunkte können an einigen Orten der Spielwelt und durch käuflich erwerbliche Tränke wiedergewonnen werden.
Auch Monster haben "Lebenspunkte"¸ allerdings in einer anderen Form. Sie geben die Anzahl von Proben vor¸ die ein Held in einem Kampf schaffen mu߸ um ein Monster zu besiegen.
Wenn z.B. ein Troll mit zwei Lebenspunkten überwunden werden soll¸ müssen zwei Kampfproben gelingen - ansonsten verliert der Held einen Lebenspunkt und der Troll behält beide.
Die Monster würfeln übrigens nicht selbst¸ besitzen aber Modifikatoren (-4 bis 0) in der entsprechenden Farbe (blau=Magie¸ grün=Fernkampf¸ rot=Nahkampf) zum Nachteil des Helden. Ist eine Farbe nicht vorhanden¸ kann das Monster übrigens nicht auf diese Art angegriffen werden... somit wird z.B. der Troll (ohne blauen Wert) für den Magier zur schweren Prüfung...
Wo wir gerade beim Thema Kämpfen sind - bei RdH haben einige Gegner Sonderfertigkeiten¸ die in der beiliegenden Legende und auch im regelheft genauer erklärt sind. Beispielsweise raubt die giftige Spinne dem Helden nicht nur einen Lebenspunkt¸ sondern gleich alle bis auf einen¸ wenn sein Angriff mißlingt.
Dem Risiko des Kampfes steht allerdings auch eine entsprechende Belohnung gegenüber¸ denn der Held darf sich bis zu zwei "Erfahrungswürfel" auf sein Charakterblatt legen¸ um somit nach und nach "Aufzusteigen" und die Zahl der Würfel zu erhöhen.
Dann gibt es auch noch den Bereich "Goldstücke"¸ also den Geldbeutel eines Helden¸ der analog zu den Erfahrungswürfeln vermehrt bzw. durch Einkäufe wieder gelehrt werden kann. Es gibt bzw. des Geld ausgebens einige pfiffige Ideen¸ die näher auszuführen aber den Rahmen der Rezension sprengen würden.
Spielziel
Einmal davon abgesehen¸ daß bereits das bloße "rumrennen und Monster bekämpfen" vermutlich schon Spaß machen kann¸ sind eine Hauptaufgabe¸ eine Queste und mehrere Nebenaufgaben Teil des Spiels.
Die Hauptaufgabe ist die Vertreibung des "Namenlosen" aus dem Landstrich¸ sprich einem recht starken Obergegner¸ dessen Identität bei Spielbeginn noch unbekannt ist. Erst wenn ein Held ihm begegnet oder man einen geeigneten NSC ("Mäuse") befragt¸ wissen die Spieler¸ was letzten Endes auf sie zukommt. Die Endgegner verfügen allesamt über sehr hohe Modifikatoren¸ viele Lebenspunkte und darüber hinaus meist noch über eine Spezialfähigkeit... wie z.B. die Immunität gegen eine Angriffsart - außer der Angreifer verfügt über ein bestimmtes Artefakt.
Die Queste eines Helden ist seine Bewährungsprobe¸ bevor er den Namenlosen überhaupt angreifen darf. Erst wenn mindestens ein Held seine Queste geschafft hat¸ wird der Namenlose ins Spiel gebracht. Eine Queste beinhaltet das besiegen eines Gegners¸ das Sammeln eines Gegenstandes und dessen Rückführung zum Besitzer¸ der darauf hin mit der Belohnung rausrückt. Es gibt acht verschiedene Questen¸ die zufällig gezogen werden. Es ist übrigens nicht möglich¸ daß ein Held dem anderen einen Teil seiner Queste entfernt¸ besiegt bzw. raubt¸ da die Quest-Elemente nur dem Besitzer der Queste "sichtbar" sind. Gleiches gilt für die Elemente einer Nebenaufgabe.
Die Nebenaufgaben (insgesamt 32 Stück) schließlich¸ von denen ein Held bis zu vier gleichzeitig (4 Aufgaben-Ablageflächen pro Charakterblatt) annehmen kann¸ bringen ähnliche Belohnungen wie das Besiegen von Monstern. Eine Nebenaufgabe könnte sein¸ eine Person (die Spielmarke) zu einem bestimmten Ort auf dem Spielplan zu bringen.
Quelle von Nebenaufgaben¸ Monstern¸ und anderen Dingen ist der Stoffbeutel in den die meisten Marker bei Spielbeginn gegeben werden. Ein Teil der Marker wird vor dem Spielstart auf dem Spielfeld ausgeleght¸ aber immer dann wenn ein Monster besiegt wurde¸ zieht der Spieler des Helden einen neuen Marker und legt ihn verdeckt auf einen Ort des Spielfelds.
Spielfeld
Die Spielfläche von RdH besteht aus quadratischen Gebietskarten auf denen bis zu 9 Orte (Punkte) eingezeichnet sind¸ die durch Wege miteinander bzw. mit dem Rand der Fläche verbunden sind. Nicht jedes Element der Landschaft ist von allen Himmelsrichtungen aus zugänglich. Die Anordnung der 16 Elemente zur Spielfläche kann im Prinzip beliebig erfolgen. Im Einsteigerspiel ist eine mögliche Anordnung vorgegeben¸ ebenso wie die Startposition der vier Helden an den Ecken des Spielfelds. Das Spielfeld hat insgesamt die Form eines Quadrats mit 4 x 17 cm = 68 cm (!) Seitenlänge.
Allein die Gestaltung der einzelnen Gebietskarten ist schon ein wesentlicher Spielfaktor¸ den die Reisefreiheit eines Helden ist durch seine Bewegungspunkte (2-4) fest vorgegeben. Für den Zwerg mit nur zwei Bewegungspunkten ist die Wahl der Route zum Ziel schon sehr wichtig¸ wogegen die flinke Elfe mit vier Bewegungspunkten auch schon mal einen kleinen Umweg in Kauf nehmen kann.
Technisches
Rückkehr der Helden glänzt durch die Kombination einer Vielzahl von Spielmaterialien¸ seien es Würfel¸ rote Glassteine (Lebenspunkte)¸ Holzelemente (Erfahrungspunkte und Goldstücke)¸ Pappfiguren samit Plastikaufstellern¸ den Gebietskarten¸ Charakterbögen¸ etlichen Markern aus stabilem doppelseitig farbigem Karton und vier Halbedelsteinen (Quest-erledigt-Marker).
Diese Vielzahl von Material findet gerade eben so in der wohlstrukturierten Box platz¸ ohne daß beim Transport mit einer Durchmischung der Elemente gerechnet werden muß.
Die Illustrationen machen einen durchgehend guten Eindruck¸ wobei mir persönlich die gezeichneten Illustrationen (Titelbild und Charaktere) wesentlich besser gefallen¸ als die "Computerspiel"-Illustrationen (Rest)¸ die mit einem 3D-Grafikprogramm gerendert wurden.
Insgesamt kann die Optik aber mit dem Niveau der besseren deutschen Brettspiel-Verlage gut mithalten.
Auch auf der Seite der Anleitung (bzw. besser Mehrzahl "Anleitungen") wurden alle Register eines vorbildlichen deutschen Brettspiels gezogen: Neben einer vollfarbigen 16seitigen DIN-A5 Heft¸ liegen der Box noch zwei DIN-A3 große farbige Doppelseiten bei. Auf die vier Flächen wurden Regeln für ein Einsteigerspiel¸ Regeln für ein Solospiel¸ Kurzregeln und eine Legende gepackt.
Als Neuling kann man sich erst einmal den Kurzregeln widmen und das Einsteigerspiel hinzunehmen¸ auf dem viele der Spielelemente abgebildet und erklärt sind. Ggf. zieht man auch mal die Legende zu rate.
Wenn man das Einsteigerspiel hinter sich hat oder Fragen auftauchen¸ kann man das Regelheft durchlesen. Dieses ist in einem erzählenden Stil geschrieben¸ d.h. das Regelwerk ist als Konversation (Fragen und Antworten) mit dem Leser geschrieben. Als jemand der technische Anleitungen gewohnt ist¸ empfinde ich diesen Stil also nicht so effizient¸ aber da sich das Spiel auch (vielleicht auch vor allem!?) an Nicht-Rollenspieler wendet¸ mag es ein guter Weg sein¸ die komplexen Regeln zu vermitteln.
Fazit:
Rückkehr der Helden ist ein oppulentes und sehr durchdachtes Brettspiel mit Rollenspielelementen. Als solches liegt die Zielgruppe vor allem in der Szene der Rollenspieler¸ für die ein eher komplexes Regelkonstrukt keine allzu große Herausforderung darstellt. Als Rollenspieler kann man dann auch von der reichen Erfahrung profitieren¸ die Pegasus Spiele bereits in beiden Gebieten (Brett- und Rollenspiel) gemacht hat.
Wer eine moderne Fassung von Talisman sucht¸ wird mit RdH ebenso gut bedient¸ wie jemand der Talisman noch nicht kennt¸ aber ein "Rollenspiel" sucht¸ daß man auch Spielern schmackhaft machen kann¸ die sich z.B. an Die Siedler von Catan mittlerweile sattgespielt haben und etwas Neues mit vergleichbarem Anspruch suchen.
Man sollte sich jedoch darauf einstellen¸ daß man Rückkehr der Helden mindestens einmal gespielt haben mu߸ bevor man alle Facetten des Spiels erfaßt hat - und auch die Vorbereitung der Spielelemente (Heraustrennen der vorgestanzten Elemente) erfordert einiges an Zeit¸ weshalb man das vorab in einer ruhigen Stunde erledigen sollte.
Insgesamt ein Spiel¸ was kein Rollenspieler sich entgehen lassen sollte - und ich kann mir auch gut vorstellen¸ daß das Spiel als englische Übersetzung international gut ankommen würde
Eine Rezension von: Dogio http://www.drosi.de