Warchon - Clash of Sygillis
Wieder mal springt Z-Man Games mit einem äußerst innovativen Spielprinzip aus den Reihen der amerikanischen Kleinverlage hervor und zeigt den Europäischen Spieleerfindern¸ was sonst noch alles möglich ist.
Es ist immer wieder erstaunlich¸ daß solche unkonventionellen Ideen selten aus Deutschland kommen - vielleicht liegt das ja an der starken Brett- und Kartenspieltradition hierzulande. Nun gut.
Tabletop in Buchform
Warchon: Clash of Sygillis ist eine Konfliktsimulation¸ die mit einem Buch und darin steckenden Lesezeichen ausgetragen wird. Das klingt nicht nur abwegig¸ daß ist es eigentlich auch - zumindestens bis man sich durch die knapp 30 Seiten Anleitung gelesen hat¸ die ebenfalls in dem kompakten Anleitungsbüchlein (100 Seiten¸ DIN A5) stecken. Das Spiel ist gerade deshalb so genial¸ weil es ganz ohne zusätzliche Ablagefläche auskommt und damit relativ problemlos in öffentlichen Verkehrsmitteln¸ auf Auto oder Bahnfahrten gespielt werden kann. Dadurch das man alles benötigte im Format eines Buches (inkl. Lesezeichen) mitführen kann... schlichtweg eine geniale Idee.
Und das Faszinierende ist¸ daß Warchon sich in Sachen Komplexität kaum vor vergleichbaren Spielen wie MageKnight (von FanPro/WizKids) oder Diskwars (vom Amigo/Fantasy Flight Games) verstecken muß.
Doch fangen wir von vorne an. Das bereits erwähnte 100 Seiten umfassende Buch enthält 30 Doppelseiten mit Örtlichkeiten¸ die in Form von Hinweisen¸ Sonderregeln¸ einer Illustration¸ einer Strategic Map Legend¸ einer Zufalls- und Kampftabelle dargestellt werden. Aufeinander folgende Landschaften sind miteinander verbunden¸ aber anhand der Strategic Map Legend (die aus der Landschaftslinie eine Fläche macht)¸ kann man feststellen ob es darüber hinaus noch weitere Wege (Tunnel¸ Portale¸ etc.) zu anderen Orten gibt. Bei Spielbeginn¸ darf je ein Spieler seine Kämpfer in der ersten oder zweiten Hälfte der Landschaften aufstellen¸ indem er dort die entsprechenden Lesezeichen.
Zu diesem Zeitpunkt weiß noch keiner der Spieler wo im gegnerischen Terrain er auf welche gegnerischen Kreaturen treffen wird. Darüber hinaus kann man sogar die genaue Zusammenstellung seiner Einheiten geheim vornehmen¸ da eine typische Schlacht mit 50 Einheitenpunkten ausgetragen wird¸ aber jede der mitgelieferten Armeen 63 Punkte auf die Waaage bringt. Der Wert einer Einheit kann zwischen 1 und 9 liegen - je höher¸ je mächtiger.
Zerstöre die Flagge
Zentrales Element jeder Armee ist das Kriegssymbol¸ also ein Gegenstand (z.B. Banner) von zentraler Macht¸ der das Herz darstellt. Wird das Kriegssymbol einer Armee zerstört¸ erringt die gegnerische Partei dadurch den Sieg. Es gilt also einerseits¸ das gegnerische Land zu erobern und das feindliche Symbol zu zerstören - wie genau dieses Vorgehen durch den Gegner zu unterbinden. Das Kriegssymbol gleicht wertetechnisch einer normalen Einheit und kann auch ebenso angegriffen werden¸ besitzt jedoch einen Abwehrmechanismus gegen Fernangriffe.
Jede Einheit besteht aus einem Namen¸ einer Illustration plus Kurzbeschreibung und den fünf Spielwerten: Größe¸ Bewegungsweite¸ Angriff¸ Verteidigung und Trefferpunkte. Außerdem findet man Hinweise zu Spezialfähigkeiten und Art bzw. Herkunft der Einheit - die in bestimmten Situationen benötigt werden. Zu den Spezialfähigkeiten gehören unter anderem Magie¸ Fernkampf und andere Fähigkeiten wie man sie ggf. von anderen Tabletops kennt.
Eine Einheit kann handlungsbereit oder aktiviert sein¸ was man durch leichtes Herausziehen oder erneutes Versenken des Lesezeichens signalisiert - und so den Streifen "Activated" verdeckt oder enthüllt.
Magisch begabte Einheiten benötigen zum Zaubern Spruchrollen¸ die es ebenfalls in Form von Lesezeichen gibt und wie normale Einheiten Punktekosten haben. Zauber haben eine Stufe (bestimmt die notwendige Stufe des Magiers)¸ eine Reichweite¸ eine Anzahl Ladungen und natürlich einen Effekt. Es gibt Kampfzauber die nur während des Kampfes benutzt werden können¸ und andere die nur außerhalb des Kampfes verwendet werden.
Zauber und Fernkampf können die Grenzen eines Ortes (Doppelseite) überbrücken und deren Wirkung auch Einheiten in benachbarten Orten betreffen. Nicht magischer Fernkampf kann zudem sogar außerhalb der eigenen Kampfrunde stattfinden¸ so lange die entsprechende Einheit nicht bereits aktiviert wurde.
Zufall
Mit der Zufallstabelle lassen sich Ergebnisse zwischen 1 und 5 ermitteln. Dazu wählt jeder Spieler verdeckt eine Anzahl Finger und beide halten gleichzeitig ihre Hand hoch. Der Angreifer bestimmt dadurch die Spalte und der Verteidiger die Zeile¸ aus der die "Zufallszahl" abgelesen wird. Der (ggf. negative) Erfolgswert eines Angriff errechnet sich aus Angriffswert und Zufallszahl¸ abzüglich des Verteidigungswertes.
Um diesen Wert wird mit der Kampfergebnistabelle verglichen¸ wird eine weitere Zufallszahl benötigt¸ die Ereigniszahl. Diese wird ggf. sofort auf eine vorhandene Ereignistabelle des Ortes angewendet und legt auch die Zeile in der Kampfergebnistabelle fest. Die Ereignistabelle betrifft in der Regel alle Einheiten innerhalb der Zone (z.B. Giftgas im Shijiri Moor) - sofern die Zielgruppe nicht durch Stichworte (z.B. Immunitäten) eingeschränkt ist.
Das Ergebnis der Kampfergebnistabelle beschreibt den angerichteten Schaden bei Angreifer (z.B. "A1" = Angreifer erhält 1 Punkt Schaden) und/oder Verteidiger ("D3"). Bei extremen Ergebnissen kann es auch zum sofortigen Tod ("AE" bzw. "DE") kommen oder dazu¸ daß beide Parteien unversehrt bleiben. Schließlich gibt es auch noch den Zustand "im Nahkampf verwickelt"¸ d.h. das in der nächsten Runde keine Bewegung möglich ist.
Auf diese Art bewegen sich die verfeindeten aufeinander zu (oder aneinander vorbei) und versuchen wie oben beschrieben¸ daß gegnerische Kriegssymbol zu erreichen und zu zerstören. Alternativ kann man spielen bis auf dem Schlachtfeld nur noch ein Krieger steht Last but not least werden sogar Regeln für ein Solospiel vorgestellt¸ bei dem der Zufall bestimmt¸ ob sich in einer neuen Landschaft eine feindliche Einheit aufhält - diese Variante sollte man aber eher als eine Art Trainingsmodus ansehen¸ denn als Hauptspiel.
Im vorliegenden Spiel Warchon: Clash of Sygillis treten die Fraktionen "Union of The Unholy" (Union der Gottlosen) und "The Hand of Sanctity" ("Geweihte Hand") gegeneinander an. Während die Gottlosen ein Haufen bestehend aus Dämonen¸ Drachen¸ Wölfe¸ Oger¸ Orks¸ Kobolde und sogar Menschen sind¸ trifft man bei der Geweihten Hand auf Engel¸ menschliche Magier¸ Priester und Kämpfer. Kampf- und Verwirrungszauber auf der einen Seite und Heil- und Schutzzauber auf der anderen.
Technisches
Das erste Produkt in der ich unter anderem die Künstlerin Stephanie Pui-Mun Law verewigt sehe¸ die auch auf der Spielemesse 2003 anwesend war. Sie und drei weitere Zeichner haben eine Reihe schmucker Illustrationen entworfen. Und sogar Altmeister Larry Elmore ist mit von der Partie und hat das Cover gezeichnet¸ das auch die Heldeneinheit der Unheiligen Union verziert. Frei nach dem Motto: nicht Kleckern sondern Klotzen
Der Spiel- und Regelband enthält eine stimmungsvolle Einleitungsgeschichte und geizt auch nicht mit praxisnahen Spielbeispielen¸ um die Regeln näher zu erläutern. Allein die Illustrationen der Landschaften ist für meinen Geschmack etwas zu einfach gehalten. Und auch das Konzept der "Zufallszahl per Fingerzeig" sollte man vielleicht durch Würfel (z.B. W10 halbiert) ersetzen¸ sofern möglich.
Fazit:
Spiele zu erfinden ist ein echt harter Job und es muß ein großes Erfolgsgefühl sein¸ wenn man schließlich ein fertiges Produkt wie Warchon: Clash of Sygillis in der Hand hält¸ das so völlig anders ist¸ als das bislang Erhältliche. Noch auf der Spielemesse habe ich verzweifelt den Kopf geschüttelt¸ weil ich mir unter einer "Lesezeichen-Konfliktsimulation" nun wirklich gar nichts vorstellen konnte.
Nun bin ich ein wenig schlauer - und der Meinung¸ das Warchon sich durchaus mit Erfolgskonzepten wie MageKnight messen kann - und dabei den Vorteil einer hohen Mobilität ins Spiel bringt¸ wie ihn eben nur ein Buch (mit Lesezeichen) hat.
Eine Rezension von: Dogio http://www.drosi.de