Der Grosse Zugraub
Als bekennender Fan des Horror Rollenspiels Deadlands war das Thema des Spieles natürlich ein Volltreffer. Zombies die einen altmodischen Zug entern und diesen vom Dienstwagen bis zur Dampflokomotive auseinander nehmen. Ein solches Thema ist natürlich höchst exotisch und bei etablierten großen Verlagen undenkbar. "Der Große Zugraub" ist folgerichtig beim vergleichsweise kleinen Truant Verlag erschienen in der bekannten "Billig-Reihe"¸ die schon Knüller wie "Kill Dr. Lucky" vorweisen kann. Auch hier bekommt man nur einen Teil des notwendigen Materials geliefert. Spielfiguren¸ Würfel und gut 50 Spielmarken muss man selber beisteuern.
Mit den Teilnehmern meiner Deadlands Kampagne geht es denn auch an den Start. Die liebevoll angemalten Charakterzinnfiguren¸ die wir als Spielfiguren benuten¸ verleihen dem Spiel sofort einen besonderen Charme.
Alle Spieler starten im Dienstwagen am Ende des Zugs und spielen Zombies. Neben den Dienstwagen liegt schon ein weiterer Waggon aus. Die Palette der Waggons deckt das Übliche ab: Salonwagen¸ Speisewagen¸ Schlafwagen¸ .
Wie Freunde von Pulpfilmen des Genres wissen¸ sind Zombies in der Regel hinter einer Sache her und das ist Gehirn. Warum das so ist¸ war mir bisher nicht klar¸ aber das Spiel hat hier eine gute Erklärung zu bieten. Zombies stopfen sich die Gehirne in den eigenen Kopf¸ denn je besser das verwendete Gehirn ist¸ desto besser werden auch ihre Fähigkeiten. Von den dringend benötigten Gehirnkarten hat jeder Spieler am Anfang zwei auf der Hand. Weitere können auf den üppig vorhandenen Gehirnfeldern in den Eisenbahnwaggons eingesammelt werden. Auf jedes Gehirnfeld kommt ein Spielstein¸ der ein Gehirn darstellen soll. Wenn man seine Bewegung auf einem solchen Feld beendet¸ bekommt man den Chip als Erfahrungspunkt und darf eine Gehirnkarte vom Stapel ziehen. Mehr als zwei Handkarten sind aber verboten. Überzählige müssen sofort gespielt oder abgeworfen werden.
Auf jeder Gehirnkarte ist entweder ein Gehirn einer mehr oder weniger begabten Person aufgeführt oder es handelt sich um Käse. Käse darf als Gehirn-Ersatz eingesetzt werden. Jedes Gehirn hat einen Preis¸ den man mit Erfahrungspunkten zahlen muss¸ um es sich in den Kopf stopfen zu können. Wie teuer ein Gehirn ist¸ hängt von seiner Qualität ab. Es hat Werte in "Laufen" & "Treffen" und zusätzlich noch einen "IQ".
Käse kostet nichts¸ kann aber auch so gut wie nichts.
Wenn man am Zug ist und ein Gehirn oder Käse im Kopf hat¸ würfelt man mit zwei Würfeln für seine Bewegung und darf seinen "Laufen" Wert dazu addieren. Entsprechend viele Felder kann man zurücklegen.
Wenn man am Zug ist¸ und noch kein Gehirn oder Käse im Kopf hat¸ darf man nur zwei Würfeln werfen¸ wenn man keine Handkarten hat. Hat man eine darf man nur mit einem Würfel sich bewegen. Ab zwei Handkarten darf nicht gewürfelt werden. Man darf die Handkarten aber entweder vorher freiwillig abwerfen¸ oder man spielt sie aus und setzt dann nur den Wert im "Laufen".
Man kann von einem Wagon in den anderen wechseln. Liegt dort noch kein neuer Wagon¸ wird einer aus dem Stapel gezogen und angelegt. Immer wenn ein Zombie die Wagons wechselt wird darüber hinaus mit einem Wurf überprüft¸ ob er den letzten Waggon dabei abhängt. Auf diese Weise wird der Zug nicht nur länger¸ sondern auch wieder kürzer. Immer wenn auf diese Weise Zombies abgekoppelt werden¸ rennen sie ohne Waggon hinter dem Zug her und betreten den Zug in ihrer nächsten Bewegung durch den zuletzt fahrenden Waggon erneut. Dies kostet sie aber ihre Handkarten und sollte deswegen vermieden werden.
Sobald der Dienstwagen vom Zug getrennt wurde¸ wandert er in den Stapel zurück¸ denn auf seiner Rückseite ist die Lokomotive abgebildet. Wird diese gezogen¸ hat der Zug sein natürliches Ende gefunden. Nun beginnt das Finale.
Bis hierher haben alle Zombies sich meist darauf konzentriert möglichst viele Erfahrungspunkte und gute Gehirne zu sammeln.
Das Spiel endet¸ wenn der Zug anhält. Um dies zu erreichen¸ kann man die Bremse betätigen¸ die auf zwei Feldern vorhanden ist. Bei jedem bremsen verliert der Zug einen weiteren Waggon. Ist nur noch die Lokomotive übrig führt das nächste Bremsen zum stillstand und damit zum Spielende. Wer in diesem Moment das Gehirn mit dem höchsten IQ im Kopf hat¸ ist er Sieger.
Wenn man selber also minderwertiges Hirn im Kopf hat¸ muss man eingreifen¸ bevor es zu spät ist. Anstatt friedlich herumzuwanken und zu sammeln kann man jederzeit seine Mitzombies attackieren¸ in dem man auf ihr Feld zieht. Dann kommt es zu einem Handgemenge. Jeder beteiligte Spieler - es können auch durchaus drei oder mehr Spieler auf einem Feld stehen - würfelt mit zwei Würfeln und addiert seinen Wert im "Kämpfen" dazu wenn er ein Hirn im Kopf hat. Man kann auch Handkarten ausspielen und mit den angegebenen "Kämpfen" Werten sein Ergebnis für diesen Kampf weiter steigern. Das ganze passiert so lange¸ bis keiner mehr Handkarten spielen will. Der Spieler mit dem höchsten Ergebnis gewinnt das Handgemenge. Er darf nun die Gehirne der Beteiligten beliebig umverteilen oder auch abwerfen.
Da es gut sein kann¸ dass man plötzlich wieder ohne Hirn da steht¸ ist es gut¸ wenn man genug Erfahrungspunkte gesammelt hat und über Handkarten verfügt¸ um schnell für Ersatz sorgen zu können.
Spielverlauf und Finale ist je nach Mitspielermenge (3 bis 7) unterschiedlich furios. Je mehr Spieler umso weniger ist planbar. Das Chaos nimmt zu aber das fördert auch den Spaßfaktor.
Für alle die das originelle Thema anspricht und die einen kurzweiligen offenen Würfel-Schlagabtausch schätzen ist das Spiel absolut empfehlenswert
Eine Rezension von: Volker Hesselmann