Ephorân Universalrollenspiel
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Das universelle Rollenspiel-Fanzine Greifenklaue wurde bereits 1997 von Mitgliedern der Pfadfindergruppe Mantikore als gedrucktes A4-Heft ins Leben gerufen und eroberte ab 2005 auch das Internet. Neben dem gedruckten Fanzine betrieb Ingo aka "Greifenklaue" vor allem einen Blog, einen Podcast und ein eigenes Forum. Zur großen Bestürzung der Rollenspiel-Szene verstarb Ingo Schulze am Freitag den 26.11.2021. |
Mit knapp unter 200 Seiten im Hardcover für 30 Euro kommt das neue Universalrollenspiel Ephorân aus deutschen Landen daher. Das System präsentiert sich dabei überraschend schlank, schließlich sind auch noch drei Beispielshintergründe enthalten.Ephorân basiert auf Charakterpunkten, aus denen man sich die nötigen Eigenschaften, Fertigkeiten usw. zusammenkauft. Manche Eigenschaften haben einen Grundwert, senkt man diesen, erhält man zusätzliche Punkte. Die Eigenschaften sind hierbei keine typischen Attribute wie Mut oder Stärke, sondern Grundschaden, Stabilität, Ausdauer, Traglast und Resistenz. Dazu kommen die Bewegungsarten Laufen, Schwimmen, Springen und Klettern. Also alles Werte, die in anderen Systemen häufig als Sekundärwerte über Attribute berechnet werden.Auch Fertigkeiten gibt es nur zehn, sprich eine Fertigkeit wie Fingerfertigkeit deckt im Zweifelsfall alles ab von Häkeln über Schlösser knacken bis hin zum Taschendiebstahl, beim Spielen (ingame) einen Würfel drehen oder 008 einen Mikrosender anheften. Standardmäßig hat man hier einen Wert von 10 und kann ihn für 10 Charakterpunkten um eins steigern oder durch das Senken 10 bekommen. Günstiger hingegen sind Spezialisierungen, diese kosten zwei CP. Habe ich z.B. Technik auf 10 könnte ich mich auf Medizin, Chirurgie, Beinamputation spezialisieren. Wenn mein Charakter also tatsächlich ein Bein amputieren müßte, dann hätte er einen Wert von 13, wenn es gilt (chirurgisch) bei einem Unfall zu helfen dann 12 und bei der Diagnose einer Sommergrippe 11. Gewürfelt wird eine Fertigkeitsprobe mit 3 W6 und 20 ist die Zielzahl einer einfachen Routineaufgabe, 28 die einer sehr schweren Aufgabe. Erleichtern kann man sich das ganze, wenn man sich mehr Zeit lassen kann, jede Verdoppelung bringt +1, außerdem kann man bis zu +4 über Ausdauerpunkte kaufen. Zuguterletzt gibt es noch eine "Nimm 10"-Regelung, jederzeit wenn es der Spieler wünscht, also statt zu Würfeln ein das Durchschnittsergebnis 10 nehmen.
Auch Vor- und Nachteile können über Charakterpunkte zusammengestellt werden. Fremde Rassen können auch über ganze Pakete definiert werden. Soll meine außerirdische Rasse Methan atmen können, wäre dies erstmal kein Vorteil. Soll sie zusätzlich auch normalen Sauerstoff atmen können, kostet das 10 CP. Vielleicht soll sie aber auch weniger Atemluft benötigen, dann kostet es 5 CP bis dahin vampirähnlich gar keine Atemluft zu benötigen, was 20 CP verschlingt. Ähnlich wie beim Hero System sind die meisten Vor- und Nachteile skalierbar. Dazu kommen die Vorteilsmultiplikatoren wie Abschaltbar (2), Ausnahme (0,9), Kostet Energie (0,5 ... 0,9) oder Wirkungsdauer (0,5...20). So kann man sich genau das Vorteilspaket definieren, was man braucht. Nehmen wir ein Beispiel aus dem Superheldengenre. Supermans Kräfte sind mächtig und wirken fast immer (Ausnahme: Krypronit), Batman mag zwar einen gut gestählten Körper haben, aber eben keine Superkräfte und lebt von seinen Gimmicks - die aktiviert werden müssen, ihm geklaut werden können oder auch mal patzen, weil sie kaputtgehen. So wäre ein und der selbe Vorteil - Fliegen z.B. - füt Batman günstiger, aber auch nur eingeschränkter nutzbar.
Beim Kampf legt der Wahrnehmungswert die Reihenfolge fest, nur bei Gleichstand wird gewürfelt - was zur Folge hat, dass die SC nahezu immer in gleicher Reihenfolge handeln. Der Handelnde hat immer zwei Aktionen, die er sich auch bis vor den Beginn seines nächsten Zuges aufsparen kann, z.B. wenn er vorhat, sich zu verteidigen. Andere Aktionen wären Angriff, Bewegung, Bereitmachen (Ziehen eines Schwertes oder das Nachladen einer Flinte) oder Ausruhen. Während die meisten Aktionen Ausdauerpunkte kosten, bringt Ausruhen (spieltechnisch eher ein kurzes Innehalten) einen zurück. Gerade an das Aufsparen der Aktionen muss man sich zunächst erstmal gewöhnen. Ganz interessant ist dann die Möglichkeit neben den standardmäßigen Schaden aus einer zusätzlichen Tabelle zusätzliche Effekte einzukaufen für übriggebliebende Erfolgspunkte, also der Differenz zwischen erreichten Angriffswert und Verteidigungswert. Eine nachblutende innere Wunde, die anhält, ein Kopftreffer, der das Opfer eine Aktion verlieren läßt oder den Treffer auf ein Sinnesorgan, was Blind- oder Taubheit nach sich ziehen könnte. So hat man neben dem reinen Austausch der abzuziehenden Punkte automatisch eine etwas genauere Beschreibung des Kampfes mit drin, allerdings zieht es die Kämpfe auch etwas, jedenfalls am Anfang. Ein kleiner Kritikpunkt ist, dass einige Kampfwerte relativ technisch gebildet werden. Z.B. berechnet sich der Rüstungsschutz aus der Wurzel der Dicke in mm * Materialwert. Und dazu ist andererseits die Rüsttabelle mit nur vier vorgefertigten Werten aller Epochen schlicht zu wenig. Ich zumindest müßte erst recherchieren, wie dick denn eine übliche Lederrüstung eigentlich sein könnte. Und dann das Gewicht über Dicke in mm mal Fläche in Quadrat-cm zu berechnen, ist auch nicht jedermans Sache. Ansonsten ist es allerdings vorbildlich, sowohl eigene Rüstungen wie eigene Nah- und Fernkampfwaffen bauen zu können. Bei letzteren sind die Waffenbeispiele, aus der man sich schlicht und schnell was aussuchen kann, allerdings auch länger.
Einige typische irdische Tiere, Fahrzeuge aller Epochen sowie Beispielcharaktere aus verschiedenen Genres und unterschiedlichen Baupunkten ergänzen den Regelteil. Schließlich wird noch das Standardmagiesystem in Ephorân vorgestellt, welches auf dem Vorteilssystem aufsetzt. Zuguterletzt erfolgt eine beispielhafte Spielsitzung über zehn Seiten, einerseits um Anfängern zu erklären, was Rollenspiel ist, andererseits auch um die Besonderheiten Ephorâns wie das Abwarten oder das Einkaufen von Zusatzeffekten zu verdeutlichen.
Drei Kampagnenwelten enthält das Buch. Den Auftakt macht die Fantasywelt Theoyxora, altgriechisch für Götterwelt. Die Götter haben Menschen unterschiedlicher Epochen hierher gebracht und so sind südlich eines schier unüberwindlichen Bergwalls das Imperium Romanum Novum, Hellas und Kemet (Ägypten) angesiedelt. Nördlich des Bergmassivs, das nur durch den Gaia-Pass zu durchqueren ist, liegen verschiedene mittelalterliche Königreiche, angefangen beim Heiligen Olympischen Reich, welches nominell Anspruch auf Hellas erhebt, wozu er eben diesen Pass benutzt. Weiterhin findet sich hier Frankland, Ungland sowie unzählige weitere kleinere, zersplitterete Königreiche gen Osten bis zum Eos-Gebirge. Dahinter trauten sich vor gut 250 Jahren nur die Kreuzzügler, welche weiterhin ihren Gott anbeten. Im Norden finden sich durch die See abgetrennt weitere Königreiche, u.a. ein Wikingervolk, welches mit Langbooten ausfährt... Die typischen Fanrasyrassen wie Zwerge, aber auch unüblichere wie Kentauren werden ebenfalls inkl. einer Volksschablone, also der Modifizierung über das Bausystem, ebenso wie einige Fantasykreaturen vorgestellt.
Wenn man für ein Setting rund 30 Seiten zur Verfügung hat, ist es sicherlich nicht schlecht, etwas zu nehmen, was der Leser schon kennt oder wo er sich anderweitig schnell Infos aneignen kann. Das ganze hat zudem ein paar durchaus interessante Ansatzpunkte, wenn griechische Stadtstaaten von den Nachfolgern Friedrich Barbarossas zu Tribut gefordert sind oder dessen Truppen auf einmal römischen Legionen gegenüberstehen. Zudem lassen sich viele typische Fantasyabenteuer hier problemlos ansiedeln.
Galactis heißt die Kampagnenwelt für Space Operas. Die Galactis-Allianz ist dabei der größte von den drei wesentlichen Machtblöcken, eine demokratische Förderation unzähliger Planeten und Völker mit dem Planet Kephalon als Hauptstadt, einer einzigen, weltübergreifenden Stadt voller Regierungsbeamter. In ihren Diensten stehen die meist loyalen Psimeister, deren Fähigkeiten selbst für die Physiker dieser Zeit unerklärlich bleiben. Dem gegenüber steht das aggresive Imperium von Ponria, welches eroberte Welten innerhalb weniger Generationen durch Genmanipulation ebenfalls zu Ponrianern assimiliert, sowie das neutrale Aphanis-Reich, dessen Spezies keine Einmischungen wünscht. Mal werden Eindringlinge gnadenlos vernichtet, ein anderes Mal einfach nur zurückgeschickt. Ein Vorstellung verschiedener Rassen, Raumschiffe, Ausrüstung, eine Tabelle für zusätzliche Schadenseffekte bei Raumschiffen sowie Ausführungen um selbst Raumschiffe zu erschaffen, schließen diese Kampagnenwelt ab.
Auch hier handelt es sich um eine generische SciFi-Welt, die schon im Vorwort zugibt sich an Vorbildern wie Star Trek, Star Wars oder Perry Rhodan zu bedienen, und das Spielen typischer SciFi-Abenteuer erlaubt. Einen interessanten Kniff bietet das Sprungsystem, bei dem es nötig ist, immer zu einem Punkt höherer Schwerkraft zu springen, nie umgekehrt. Bei einigen Raumschiffwerten macht sich die Unhandlichkeit eines Universalsystems allerdings bemerkbar, wenn der Schaden in Millionen und Rüstschutz gar in Milliarden gerechnet wird.
Katoptron ähnelt unser Erde, nur dass hier übernatürliche Wesen wie auch Superhelden existieren. Mystery und Horror soll man hier ebenso umsetzten können wie Superhelden-Kampagnen. Da keine Weltbeschreibung nötig ist, kommt Katoptron mit 8 Seiten aus. Vampire, Werwölfe, Unsterbliche, Magier, Monster oder Berührte (menschliche Superhelden oder Schurken) werden hier vorgestellt. Die Macht stattet diese Wesen aus und sie ist es auch, die sie die Dämpfung überwinden lässt - ein Effekt, der normale Menschen Übernatürliches ignorieren oder rational erklären lässt.
Hier lassen sich WoD-artige Kampagnen um Vampire oder Werwölfe ebenso ausarbeiten wie eine reine Superheldenkampagne, im Prinzip ist die ganze Welt ein weißer Fleck und was man seiner Stadt oder Region, die man sich als Kampagnenort ausgesucht hat, ansiedelt, bleibt einem absolut selbst überlassen.
Abschließend gibt es Tipps und Regeln, wie man eigene Kampagnen und Spielwelten mit Ephorân macht, wie man bekannte Kampagnenwelten konvertiert und zuguterletzt einen Abenteuergenerator, welcher darauf basiert, einen (bzw. mehrere) NSC-Gruppen zu erschaffen (z.B. einen Kleinunternehmer oder Journalist), den Konflikt zu definieren (Finden eines Beweisstücks oder Rache) und die Rolle der SC in diesem Konflikt festzulegen (z.B. ein Stolpern zwischen die Fronten zweier Parteien oder das einer der beiden die SC beauftragt).
Kommen wir zum Layout, obwohl es fast schon zuviel ist, den Begriff bei diesem Werk aufzugreifen. Beim Äußeren sind Logo, Verlagslogo und ISBN-Nummer auf den ersten Blick unscharf und auf dem zweiten Blick pixelig (was die Unschärfte erklärt). Das eigentlich gelungene, dreigespaltene Titelbild aus der Feder von Karsten Schreuers scheint etwas nach links gerutscht, so dass rechts ein häßlicher weißer Rand entsteht. Im Inneren gibt es nur vereinzelt gemeinfreie Bilder, und durch viele weiße Flächen hat es oft den Charme einer Diplomarbeit. Ist der Text des Kapitels zu Ende, dann wurde einfach auf die nächste Seite gesprungen. An anderer Stelle bei den Beispielcharakteren wurde min. 1/3tel pro Seite nicht genutzt. Die meisten Tabellen geben die Informationen sortiert und übersichtlich wieder, das Format bei den Kreaturen ist allerdings deutlich misslungen. Wenn unter der Spalte "Sonstiges" der Satz "Besondere Ausdauer gegen Trockenheit und Futtermangel" über 11 Zeilen gestreckt ist, dann stimmt irgendwas nicht.
Fazit:
Wer gerne bastelt, wer in verschiedenen Genres mit ein und dem selben System spielen mag oder auch wer in Richtung Hero oder auch GURPS schielt, aber die Sprachbarriere nicht überwinden kann, erhält hier ein gutes Werk. Weiterhin lobenswert, dass es als Universalsystem nicht 400+X Seiten Regeln sind, sondern es mit rund 100 Seiten auskommt und dabei auch durchaus interessante Kniffe bietet. Selbiges gilt für die Kampagnenwelten, welche kurz auf den Punkt gebracht werden, aber durchaus ein paar Ansätze bieten und trotzdem generisch bleiben. Das schlichte Layout - allerdings mit Lesebändchen - ist wohl der Punkt, der in Folgepublikationen den größten Nachholbedarf hat - gerne auch weiterhin schlicht, aber ohne Mängel. Für 30 Euro gibt es also in der Tat einen interessanten Werkzeugkasten, wie es das Backcover verspricht.
Eine Rezension von: Ingo 'Greifenklaue' Schulze https://greifenklaue.wordpress.com/