Ordensbuch: Raphaeliten - Die heilenden Hände des Herrn (Neuauflage)
Auch mit dem Ordensbuch: Raphaeliten zeigt Feder & Schwert einmal mehr¸ daß Chroniken der Engel zu den qualitativ besten Rollenspielen auf dem Markt gehört.
Achtung Spoiler
Chroniken der Engel-Spieler kennen folgende Warnung wahrscheinlich schon¸ aber man kann sie nicht oft genug aussprechen: Liebe Spieler¸ Ihr solltet - sofern Euch möglich - weder *irgendein* Buch¸ noch eine Rezension zu Chroniken der Engel über ein Buch zu Chroniken der Engel lesen¸ um Euch Eueren Spielspaß zu bewahren - das gilt auch für die nun folgende Rezension.
Die Heimat der Raphaeliten
Die "Heilenden Hände Gottes" bevölkern heutzutage das ehemalige Frankreich¸ Belgien¸ Luxemburg und Deutschland bis zum Rhein¸ der natürlichen östlichen Grenze zum Gebiet der streitbaren Gabrieliten.
Hauptstadt der Raphaeliten und Sitz ihres Himmels ist Gratianopel (das ehemalige Grenoble). Wer sich das zugewiesene Land anschaut könnte überheblich die Schwäche dieses Ordens belächeln¸ der nicht in der Lage ist¸ mit den ansässigen Schrottbaronen fertig zu werden - aber wer hinter die Kulissen schaut bemerkt rasch¸ daß eine friedliche Koexistenz durchaus im Sinne der Raphaeliten ist und ihre Ziele fördert.
Wie der Titel schon sagt¸ sind die Raphaeliten die Wissenshüter der Heilkunst und nur sie verfügen noch über all das Wissen und die Gerätschaften aus vergangener Zeit - sicherlich auch ein Grund¸ warum die Raphaeliten überall im Gebiet der Angelitischen Kirche in der Regel willkommene "Zweigstellen" (Klöster) errichtet haben. Die Regionen um Gratianopel leben gut vom Anbau der Heilpflanzen und der Zucht spezieller Tiere - und auch der Handel mit den im Himmel hergestellten Heilmitteln und die vielen Pilger die das Land zum Zweck der Heilung besuchen¸ bringt der Region Wohlstand.
Und so dürfte jeder Fremde erst einmal überrascht sein¸ in einer Welt voller Zerstörung und Leid¸ einen Platz wie Gratianopel erleben zu dürfen¸ der - mit Gottes Segen - für die meisten wie ein Paradies auf Erden erscheinen mag. Die Bevölkerung ist offenherzig und zufrieden und Kriminalität ist ein seltenes Phänomen. Nirgends sonst findet ein Pilger so viel Möglichkeiten zur Zerstreuung und die ganze Palette der heilenden Kunst Gottes...
Die erste Hälfte des Bandes beschreibt das Land der Raphaeliten¸ daß mit recht loser Hand statt mit strenge und dem Schwert verwaltet wird. Die Macht dieses Ordens ist ganz anders gelagert - und man weiß einfach¸ daß alle Menschen - auch die Mächtigsten - irgendwann einmal ihre Hilfe benötigen. Und diese Kunst läßt man sich gut bezahlen. Obwohl Gratianopel im Vergleich zu anderen Metropolen wie Nürnberg¸ Prag oder gar Rom eher ein Dorf ist¸ reisen hier auch die höchsten Würdenträger der Angelitischen Kirche an¸ um sich der göttlichen Heilkunst in den nicht öffentlichen Bereichen des Himmels hinzugeben - wie alle anderen Orden¸ findet man hier noch modernste Technik (und das Wissen zur Bedienung)¸ die aus den Tagen vor dem "Jüngsten Gericht Gottes" gerettet wurde. Im Falle der Raphaeliten sind dies medizinische Gerätschaften.
Der Spielleiter findet aber nicht nur Gratianopel und den Himmel beschrieben¸ sondern auch einen Hinweis auf die geographischen Ursprünge der Raphaeliten¸ sinnvolle Hinweise zu den größeren Ansiedlungen im Umland und allerlei zu den Schrottbaronen und ehemaligen Ketzerhochburgen.
So richtig wertvoll wird der Band aber erst in der zweiten Hälfte¸ wenn es ans "Eingemachte" geht. Zentrales Element sind sicherlich die himmlischen Vertreter und die Interna des Ordens. Was sind die Pläne des Ordens¸ wie finanzieren sie ihre aufwendigen Hilfsleistungen und Expansionen und was macht es eigentlich aus¸ ein Raphaelit zu sein? Welche Krankheiten und Gifte gibt es im 27. Jahrhundert?
Wer auch nach diesen Ausführungen noch unschlüssig ist¸ findet im letzten Drittel des Bandes eine Reihe ausgearbeiteter Raphaelitien in Form von herausragenden Personen des Ordens und Engel-Beispielcharakteren. Erwähnenswert ist sicherlich auch noch¸ daß nicht jeder Raphaelit die Rolle des stillen Medizinkastens übernehmen muß - der Orden bringt auch eine weitaus energischere Abart¸ die sogenannten Prüfer¸ hervor.
Technisches
Die Texte pendeln - man muß hier schon sagen: "wie gewohnt" - zwischen sehr gut und exzellent und auch die Illustrationen können sich sehen lassen. Auch wenn ich manchmal die Feder von Dieter Jüdt ein wenig vermisse¸ haben Tobias Mannewitz und Jens Weber gute Arbeit geleistet.
Die dreiseitige gefaltete Skizze des Himmels der Raphaeliten ergänzt den Band um eine hilfreiche und zugleich schön anzuschauende Zugabe.
Fazit:
Hach¸ wie ich es bedauere und zugleich genieße¸ die anfänglich so heile und weiß getünchte Fassade der Angelitischen Kirche zusehends bröckeln zu sehen. Neben Cthulhu ist Chroniken der Engel sicherlich eines der Rollenspiele¸ was unter zuviel Insiderwissen der Spieler leidet. Der Erzähler bekommt dagegen einmal mehr die Gelegenheit hinter die Fassade zu schauen und seinem raphaelitischen Engel-Spieler die Informationen an die Hand zu geben¸ die er bei einem "Heiler"-Charakter dringend benötigt¸ um ein gesundes "Selbstbewußtsein" aufzubauen
Eine Rezension von: Dogio http://www.drosi.de