De Bello Britannico
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Das universelle Rollenspiel-Fanzine Greifenklaue wurde bereits 1997 von Mitgliedern der Pfadfindergruppe Mantikore als gedrucktes A4-Heft ins Leben gerufen und eroberte ab 2005 auch das Internet. Neben dem gedruckten Fanzine betrieb Ingo aka "Greifenklaue" vor allem einen Blog, einen Podcast und ein eigenes Forum. Zur großen Bestürzung der Rollenspiel-Szene verstarb Ingo Schulze am Freitag den 26.11.2021. |
Nach Mater Ecclesia folgt mit De bello britannico ein weiteres allgemeines Quellenbuch, welches sich einerseits mit Britanien sowie seiner Kultur und andererseits mit den Sarielien beschäftigt. Dazu kommt als Teil des Metaplots und im Unterschied zu den gewöhnlichen Ordensbüchern die Hintergründe und der Verlauf des britonischen Krieges, bei dem die angelitischen Truppen über den "heidnischen" Inselstaat herfallen.
Das Kapitel "Of Dru 'n Thanes" geht auf die andere Kultur der geistergläubigen Britonen ein. Über den Standlosen, die fast die Hälfte der Bevölkerung ausmachen, Bauern und Bürgern stehen die Thane und die Dru. Die Thane sind die weltlichen Herrscher, ähnlich Fürsten im Mittelalter, während die Dru weise Frauen sind und die geistliche und spirituelle Führung inne haben. Sie leben in kleinen, verwinkelten Hainen als Gemeinschaft aus jungen Maiden, Müttern und den alten Vetteln, die den Hainen vorstehen. Die britonische Kultur ist dabei eine Mischung aus heutigen britischen Eigenheiten, irischen und keltischen Bräuchen. Teils wurde das mit viel Liebe zum Detail gestaltet, so die britische Vorliebe für kauzige Militärübungen, wie sie schon in "Catweazle" persifliert wurden. Auch die Bobbies, wie man sie von Sherlock Holmes, Edgar Wallace oder Jack the Ripper aus London am Anfang des letzten Jahrhunderts kennt, wurden übertragen als die verlängerten Arme der Thanes, die Copper.
"A rich 'n gryn land" geht dann auf die geografischen Besonderheiten der britonischen Inseln und ihrer vier Terries England, Wales, Schottland und Irland ein. Während London nur noch auf einer Insel liegt, ist das in mehrere Inseln unterteilte Irland wieder ergrünt und in Schottland teilt bei Stirling das Rift, eine breite Wasserstraße, die Lows von den Gramps. Gerade der Kenner des europäischen Festlands im Engel-Setting wird auf den Inseln einige deutliche Unterschiede bemerken: Schließlich ist weder Lesen und Schreiben noch Technologie als Ketzerei verdammt. So existieren gar noch feste Bahnlinien, die die Städte verbinden und die englische Flotte ist deutlich moderner als die Holzkähne der Angeliten. Es wird kurz auf Politik, kulturelle Eigenheiten, Wirtschaft und das Verhalten nach der angelitischen Invasion für jedes einzelne Terry eingegangen, wobei immer wieder Brennpunkte auf einzelne Thanedoms, dem Äquivalent zu heutigen Landkreisen, denen die Thane vorstehen, gesetzt werden, auch um Ideen fürs Rollenspiel zu vermitteln. Abgerundet wird das Kapitel mit einer Zeitleiste der groben Geschehnisse seit 2064 sowie zwei Karten, eine mit Übersicht zu den einzelnen Thanedoms; die andere zeigt wichtige Zug- und Straßenverbindungen.
Über den Kriegszug der Angeliten gegen die britonischen Inseln berichtet dann "Of was 'n might": von der Planung der Wallfahrt, dem Bau des Landungsschiffes Terra Nova, der Besetzung Londons, dem Erobern von England und Wales bis zum vorläufigen Waffenstillstand und Friedensschluß zwischen beiden Parteien. Dabei wird nicht vorausgesetzt, die zweibändige Romanreihe "Terra Nova" gelesen zu haben, welche ebenfalls von diesem Krieg handelt. Vielmehr wird von den Waffen auf beiden Seiten berichtet, von den Bekehrungsversuchen der Angeliten, so genannten Glaubensdörfern, bis hin zur teils radikalen Taktik der Dru mit Geisterkorps und Partisanen. Einige Geheimnisse werden enthüllt, die den Spielern sicherlich einiges Kopfzerbrechen bereitet hätten. Und zu guter Letzt wird auch der Kriegszug in gröben Zügen chronologisch aufgearbeitet, nicht ohne dem Spielleiter genug Raum für eigene Ideen zu lassen.
Die Sarieliten werden in "Angels 'n Spies" beschrieben. Die schwingenlosen Engel haben, nachdem sich Ordensprälat Orpheus "zurückgezogen" hat, unter Massimo di Terni neue Ambitionen. Nicht mehr nur Chorknaben, vermehrt werden Spione ausgebildet, Templer anderer Orden rekrutiert und die Ressourcen ausgeweitet. Offensichtlich ist hier einiges im Gange und Spieler wie Spielleiter finden alles, um Sarieliten in ihre Kampagne einbauen zu können. Die Berechtigung im De bello britannico beschrieben zu werden, erlangt der Orden übrigens auf Grund der zahlreichen Spione aus ihren Reihen in Britonien.
Abschließend werden in "People of interest" NSCs vorgestellt: hochrangige NSC auf Seiten der Britonen und auf Seiten des britonischen Herrs sowie die Ordensoberen der Sarieliten. Zumeist gelingt eine lebendige Schilderung ganz unterschiedlicher Charaktere, auf die die Spieler auch früher oder später treffen könnten.
Zwischen den Kapiteln führen die Introiti auf zwei Seiten stimmungsvoll mit einer Kurzgeschichte in das Kapitel ein.
Vom hochwertigen Layout und Design reiht sich der Band ohne Abstriche in die Engelreihe ein. Bei den Illustrationen wird hier auch auf keltische Motive zurückgegriffen, dazu kommen Bilder, die man so vielleicht nicht erwartet hätte: Züge, Schützengräben, ein "Do not cross the line"-Absperrband oder Artilleriegeschütze: deutlich kommt der moderne Touch Britoniens auch in den Bildern zu tragen.
Das Lektorat arbeitet nahezu fehlerlos, allerdings hat es offensichtlich nie das Intro gesehen, hier sind es gleich eine handvoll Fehler (unter anderem taucht zweimal das Kapitel 4 auf), die Schlimmes fürchten ließen.
Fazit: Das Engelrollenspiel glänzt mit seinen Publikationen, in die auch De bello britannico sich nahtlos einreiht. Gut zu lesen, viel Material, Anregungen und Ideen für den Spielleiter und genug Wissenswertes für den Spieler. Nur die Abtrennung von reinen Spielleiterpassagen ist noch optimierungsbedürftig.
Eine Rezension von: Ingo 'Greifenklaue' Schulze https://greifenklaue.wordpress.com/