Dungeons & Dragons TRPG: Candlekeep Mysteries (Alternate Cover) (5e)
Umfang
Anthologie (17 Abenteuer à 4-8 Stunden Spielzeit)
Warum habe ich das AB gelesen?
Weil mich der Gedanke einer Anthologie gereizt hat, deren Abenteuer in und um eine alte Bibliothek angesiedelt sind (Ähm, ja. Siehe unten.).
Plot
Candlekeep ist eine riesige Bibliothek, komplett mit Hütern und Zugangsbeschränkungen, mit uralten Bücher und solchen, die in Sicherheitsverwahrung müssen. Die Abenteuer in diesem Sammelband starten jeweils in dieser Bibliothek.
Eindruck
Eines hat mich an diesem Buch enttäuscht, nämlich dass die überwiegende Mehrzahl der Abenteuer gar nicht in der Bibliothek spielt. Zwar ist der Plot Hook meist in der Bibliothek angesiedelt (entweder findet man ein Buch, das dann den Auslöser bildet, oder man wird von den Hütern angeworben, irgendwas für die Bibliothek zu erledigen), aber die Bibliothek selbst spielt für gewöhnlich keine oder nur eine winzige Rolle. Wenn man den Hook einfach auswechselt, könnten sie auch an einem beliebigen anderen Ort stattfinden, wo es Auftraggeber oder alte Bücher gibt. Entsprechend ist die Bibliothek auch gar nicht voll ausgearbeitet - es gibt nur eine oberflächliche Beschreibung (vor allem der äußeren, frei zugänglichen Bereiche) und eine Karte, das ist alles. Ich muss zugeben, dass ich davon ziemlich enttäuscht bin. Etikettenschwindel und so.
Die Abenteuer selbst sind sehr unterschiedlich, so dass ich sie hier einzeln kurz bespreche. Bei den Beurteilungen gilt wie immer: Mein Geschmack muss nicht der des Lesers sein, und ich bin auch kein typischer D&D-Spielleiter. Your mileage may therefore vary.
- The Joy of Extradimensional Spaces: (Lvl 1) Die SC sollen einen Magier finden, der scheinbar in der Bibliothek verschollen ist. Wie sich herausstellt, ist er durch ein Portal in ein privates Forschungsrefugium in einer anderen Dimension geraten. Die SC finden ihn sehr schnell, durchsuchen aber trotzdem noch das Refugium (warum, hat sich mir nicht so recht erschlossen), werden dort eingeschlossen und müssen einen Ausweg finden. Wirkt auf mich insgesamt recht konstruiert, aber wenn man sich auf verschiedene "Und jetzt macht ihre Gruppe einfach mal DAS"-Entscheidungen einlässt, ist es vermutlich ganz lustig.
- Mazfroth's Mighty Digressions: (Lvl 2) Ein Buch aus der Bibliothek greift Leser an. Wie sich herausstellt, ist es gar kein Buch, sondern ein Gestaltwandler, und wo er herkommt, gibt es noch mehr davon. Die SC erhalten den Auftrag, dem Treiben ein Ende zu setzen, was sie dann nicht in der Bibliothek, sondern in Baldur's Gate tun müssen.
- Book of the Raven: (Lvl 3) Die SC finden ein Buch mit einer geheimnisvollen Karte darin, das einst von einem Raben in die Bibliothek gebracht wurde. Die Karte führt sie (ohne besondere Ereignisse, obwohl auf der Karte gleich mehrere eingezeichnet sind) zu einem alten Herrenhaus, in dem einige Werraben (die eigentlich die Guten sind) versuchen, sie zu vertreiben. Das beste, was man über das Abenteuer sagen kann ist, dass es stimmungsvoll ist. Es ist aber auch totaaaaal tragisch, stellenweise haarsträubend unlogisch und fängt diverse Handlungsfäden an, nur um sie dann im Sand verlaufen zu lassen. Ich hatte diverse "Und was sollte das jetzt?"-Momente beim Durchlesen.
- A Deep and Creeping Darkness: (Lvl 4) Die SC sollen herausfinden, was in einer aufgegebenen Mine geschehen ist, und ein Buch aus Candlekeep kann Hinweise liefern (das ist dann auch der einzige Bezug zur Bibliothek). Das Abenteuer an sich ist aber eigentlich ganz gut (ich will hier mal nicht mehr spoilern) - abgesehen von der eher sparsam ausgearbeiteten Mine ist es ziemlich creepy, und eine Gruppe, die sich hier nicht gut informiert oder gar den alten Grundsatz "Never Split the Party" nicht berücksichtigt, kann sich wohl neue Figuren bauen.
- Shemshin's Bedtime Rhyme: (Lvl 4) Yes! Endlich! Ein Abenteuer, das tatsächlich mal in der Bibliothek spielt! In den Hauptrollen: ein verfluchtes Buch, ein abgelegener Bibliotheksflügel (in den die SC als Quarantäne eingesperrt werden), einige sehr schrullige Hüter und Bibliotheksbesucher... Ein nettes, kleines Closed-Room-Szenario, in dem es gar nicht sooo viel zu kämpfen gibt, dafür aber umso mehr Interaktion und Informationssuche im Mittelpunkt stehen.
- The Price of Beauty: (Lvl 5) Ein Akolyth der Bibliothek ist verschwunden, und die SC werden gebeten, ihn wiederzufinden. Ein Buch öffnet ein Portal zu einem Tempel der Jugend und Schönheit, und da ist wahrlich nicht alles so, wie es scheint. Eigentlich ein ganz nettes Abenteuer (wenn man damit leben kann, dass die NSC scheinbar durch die Bank ein bisschen behämmert sind), wenn man davon absieht, dass es mal wieder keinerlei Bezug zur Bibliothek gibt.
- Book of Cylinders: (Lvl 6) Die SC werden gebeten, in einer Siedlung von Froschkreaturen namens Grippli nach dem Rechten zu sehen, weil diese doch die Bibliothek mit Krabbenfleisch beliefert (Preis für den bisher dämlichsten Versuch einer Verknüpfung mit Candlekeep). Dazu gibt es dann extra sogar ein Prophezeiungsbuch, das den Untergang des Grippli-Dorfes vorgesagt hat. Das Abenteuer an sich ist dann recht klassisch: Geht hin, vertreibt die bösen Besatzer und verhindert, dass das dunkle Ritual vollendet wird. Sowas könnte ich an einem beliebigen Wochenende schreiben, hätte aber irgendwie das Gefühl, dass jeder erfahrene Spieler diese Art Plot einfach schon zu oft gesehen hat. Allerdings fand ich das Ganze recht stimmungsvoll umgesetzt. Katastrophal allerdings das Finale: Egal wie lange die SC gebraucht haben, um zum Schauplatz zu kommen, und egal wieviel Krach sie beim Endringen in den alten Tempel gemacht haben, sie kommen genau zwei Kampfrunden vor Vollendung des Rituals an, das den riesigen, unheilvollen Sarkophag öffnet. Die erforderlichen Opfer sind schon fast fertig zu Tode gefoltert, der magisch versiegelte Deckel hat sich bereits ein Stückweit gehoben, magisches Licht scheint aus dem Inneren... und dann stellt sich heraus, dass in dem Sarkophag (zur Erinnerung: Abenteuer für 5E-Charaktere der 6. Stufe!) keineswegs eine böse Kreatur liegt, sondern eine Schuppenrüstung, bei der man seinen vollen DEX-Modifier auf die AC angerechnet kriegt, sowie ein Schwert, das Bonusschaden macht... Als Spieler wäre ich mir spätestens an der Stelle verarscht vorgekommen. Klar, kann man umschreiben, aber trotzdem seltsam.
- Sarah of Yellowcrest Manor: (Lvl 7) Eine Dienstmagd wurde vor Jahren zusammen mit der Familie eines Lords ermordet, und ihr Geist bittet die SC um Erlösung durch Aufklärung der Morde. Am Ende geht es darum, den bösen Lord und seinen Kult aufzuspüren und auszuräuchern. Leider ein Abenteuer zum Vergessen, voller Logikfehler und NSC, die sich fast durchgängig wie die letzten Deppen verhalten (ich könnte da jetzt eine ganze Seite mit Beispielen füllen, aber das würde den Rahmen sprengen).
- Lure of Lurue: (Lvl 8 ) In diesem Szenario von Kelly Lynne d'Angelo (Girls, Guts, Glory) entdecken die SC ein Buch, das sie in die eigene Handlung zieht. Das resultierende Abenteuer ist extrem linear, was damit begründet wird, dass die SC ja die Geschichte aus dem Buch erleben. Für eine Con kann ich mir sowas durchaus vorstellen, aber so manchem (handlungs-)freiheitsliebenden Tanelorni wird es die Zornesröte ins Gesicht treiben.
- Kandlekeep Dekonstruktion: (Lvl 9) Endlich mal wieder ein Abenteuer, das tatsächlich in der Bibliothek spielt! Dabei geht es um eine Gruppe Enttäuschter, die einen der Türme der Bibliothek als Rakete ins All schießen wollen. Die Namen, der Plot, so manche Randbemerkung und die Life-of-Brian-artigen NSC erinnern mich stark an Terry Pratchett. Das richtige Abenteuer, wenn man mal mal hemmungslos rumblödeln möchte.
- Zikran's Zephyrean Tome: (Lvl 10) Die SC werden von einem Djinn gebeten, ihn aus einem Buch zu befreien. Dazu müssen sie verschiedene Orte an der Schwertküste aufsuchen, bis sie seinem Beschwörer entgegentreten können. Das Abenteuer hat mich wenig begeistert - die Verbindung zu Candlekeep ist quasi nichtexistent, die Encounter sind eine Aneinanderreihung von Kämpfen gegen mächtige Gegner (soll ja auch Stufe 10 sein, gell?), und sonderlich logisch fühlt sich das Ganze auch nicht an. Das beginnt schon damit, dass sich das Buch so, wie es beschrieben wurde, für 9 von 10 Gruppen gar nicht erst öffnen würde, und endet mit der Behausung des Endgegners, der scheinbar keinerlei irdische Bedürfnisse hat und daher in einer komplett sinnfreien Sturmriesen-Wolkenfestung haust. Nicht mein Ding.
- The Curious Tale of Wisteria Vale: (Lvl 11) Ein mächtiger Barde ist unter bösen Einfluss geraten, und während sie nach einer Heilung suchten, haben ihn die Harper in eine Demiplane verbannt, die vom Ort seiner Jugend inspiriert ist. Die SC sollen nun diese Heilung zu ihm bringen, müssen dazu aber zunächst den Beholder besiegen, der die Demiplane unterworfen hat, und den "echten" Barden finden. Das Abenteuer bietet einige nette Ideen und Twists, es ist gut als Lückenfüller oder für eine Con geeignet.
- The Book of Inner Alchemy: (Lvl 12) Dies ist meiner Meinung nach gar kein Abenteuer, sondern ein Encounter. Im Kern läuft es darauf hinaus, ein Kloster verblendeter Mönche Raum für Raum zu verkloppen, bis man den Meister besiegt hat. Nur für Fans von Wuxia-Filmen ohne echte Handlung.
- The Canopic Being: (Lvl 13) Eine mächtige Seherin glaubt, den Platz des Gottes Savras einnehmen zu können, und wird als "Zwischenstation" dazu zum Mummy Lord (müsste es nicht eigentlich Mummy Lady heißen >;D?). Weil sie natürlich ständig in die Zukunft schaut, sieht sie, dass die SC ihr in einer Version der Zukunft gefährlich werden können. Daher lockt sie sie in eine Falle - die darin besteht, einfach unvorbereitet auf sie zu warten und dann im Kampf gegen sie zu verlieren. Klingt schwachsinnig? Ist es auch. Über solche Plots kann ich mich stundenlang aufregen.
- The Scrivener's Tale: (Lvl 14) Ein Buch ist zugleich das magische Gefängnis einer Feenfürstin, und durch Kontakt mit dem Buch ziehen sich die SC ihren Fluch zu. Die einzige Möglichkeit, diesen zu brechen, besteht darin, die Fee zu vernichten, wozu man in eine uralte Bibliothek (nein, nicht Candlekeep) reisen muss. Auch dieses Abenteuer ist nicht überall wirklich logisch, aber irgendwie hat es mir trotzdem gefallen. Allein schon der Kampf zweier Feen in den Köpfen der SC, die beide versuchen, sie von ihrer Wahrheit zu überzeugen, gibt rollenspielerisch enorm was her. Auch dass der Autor eher auf wenige, echt knackige Kämpfe setzt als auf "zwei Monster pro Raum", hat mir gefallen. Allerdings wird man das Gefühl nicht los, dass eine voll ausgearbeitete Version des Abenteuer deutlich länger wäre.
- Alkazaar's Appendix: (Lvl 15) Ein Buch erzählt von der unvollendeten letzten Queste eine großen Abenteurers und liefert praktischerweise auch gleich das Portal mit, das zum Startpunkt führt (warum auch immer). Ab jetzt gilt es, eine alte supermächtige Schrift vor einem alten supermächtigen Dracolich zu retten, der einst ein supermächtiges Königreich vernichtet hat, um in ihren Besitz zu kommen - vergeblich. Leider ist die supermächtige Schrift, wenn die SC sie in die Hände kriegen, ein schlechter Witz - wenn der Dracolich sie bekommt, ist sie dagegen der Weg zur Göttlichkeit... ::)
- Xanthoria: (Lvl 16) Eine Druidin ist aufgrund eines unglücklichen Kontakts mit Zuggtmoy (Demon Queen of Fungi) wahnsinnig geworden, zur "Lichen Lich" mutiert und hat eine Pilzplage ausgelöst, die die Schwertküste auszulöschen droht. Lösen lässt sich das Problem, indem man ihr geheimes Hauptquartier aufsucht und diverse supermächtige Wächter (die stellenweise doch recht sinnfrei wirken) sowie die Druidin selbst zusammenhaut. Und zack, schon verschwindet die Plage. Hier findet man so manches D&D-Klischee bestätigt, das ich für überwunden gehalten habe - mich hat es irgendwann einfach nur abgeturnt.
Bei den Abenteuern für höhere Stufen ist mir häufig aufgefallen, dass die dahinterliegende Story oder zumindest der Aufhänger eigentlich nur zu niedrigstufigen SC passen. Okay, die Encounter haben natürlich die jeweils passende Schwierigkeit, aber im Kern wird fast immer unterstellt, dass die SC einfach herumwandernde Adventurers-for-hire sind, die sich für ein paar Goldstücke auf eine (zunächst oft ziemlich beliebig wirkende) Mission schicken lassen. Als Spieler würde mich das stören - wenn ich einen SC spiele, der mächtig genug ist, um ganze Landstriche zu unterwerfen, dann will ich die Welt retten, statt ein paar fehlenden Buchseiten oder einem verschwundenen Akolythen hinterherzujagen.
Der Vollständigkeit halber sei noch erwähnt, dass die Qualität - Hardcover, Vollfarbe, hochwertige Illus und Karten, außerdem eine herausnehmbare Karte von Candlekeep - von gewohnt guter Qualität ist. Hätte ich auch nicht anders erwartet.
Alles in allem ist "Candlekeep Mysteries" kein schlechter Band - die Geschichten sind abwechslungsreich, und für jeden Geschmack sollte irgendwas dabei sein. Ich halte es aber für keine gute Idee, die Abenteuer auf 16 Stufen zu verteilen; die Chancen stehen gut, dass die Geschichte, die man mag, nicht mal näherungsweise zur Stufe der eigenen Gruppe passt. So, wie die meisten Geschichten gestrickt sind, hätte man besser daran getan, sich auf die Stufen 1-5 zu beschränken.
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Eine Rezension von: Blizzard https://www.tanelorn.net/index.php/topic,106891.0.html