Baldur's Gate: Descent Into Avernus (5e)
Umfang
riesig (keine Ahnung - 200 Stunden?)
Warum habe ich das AB gelesen?
Weil es so dermaßen cool klang, mit Mad-Max-artigen Kriegsmaschinen durch die Hölle zu brettern...
Plot
Die Stadt Elturel wurde mit Mann und Maus in die Hölle gerissen, und ausgerechnet unsere Helden sind größenwahnsinnig genug, diese Tat einer Erzteufelin, vor der sich sogar Tiamat fürchtet, ungeschehen machen zu wollen...
Eindruck
Zunächst einmal ist das Buch natürlich schier überwältigend. Das ist ja kein Abenteuer, sondern eine Kampagne für Stufe 1-13, und ich habe keine Ahnung, wie viele Jahre ich bräuchte, um so etwas von Anfang bis Ende zu leiten.
Wenn ich das tatsächlich tun wollte (was nicht geschehen wird, weil Zeit und so), dann müsste ich da allerdings einen Haufen Arbeit reinstecken, um die Punkte besser herauszuarbeiten, die mir gute gefallen haben, und diejenigen umzubauen, die mir nicht gefallen haben. Der Reihe nach:
- Das Abenteuer beginnt mit einem Auftakt in Baldur's Gate, der mit der Kampagne eigentlich kaum etwas zu tun hat, sondern scheinbar nur dazu dient, die SC auf eine Stufe zu bringen, die ihnen eine Überlebenschance in der Hölle bietet. Über diesen Teil haben sich auch andere Rezensenten schon ausgiebig aufgeregt - er ist nicht sonderlich logisch und steht auch etwas unmotiviert in der Gegend rum. Diverse Verbesserungsvorschläge finden sich im Netz, auch zum Kaufen auf dmsguild.com.
- Als nächstes geht es nach Avernus. Man fragt sich natürlich ein bisschen, wieso eine Gruppe so größenwahnsinnig sein kann, sich diese Aktion überhaupt vorzunehmen, zumal die ganzen supermächtigen NSC, denen man bis dahin begegnet ist, nicht mal die Möglichkeit in Betracht ziehen. Aber wenn man nun schon mal in der Hölle ist, kann man sich natürlich auch entsprechend benehmen und ohne den Hauch von schlechtem Gewissen alles plätten, was einem begegnet - man kann absolut sicher sein, dass es (wer oder was auch immer es ist) dieses Schicksal verdient hat. Natürlich ist es bei manchen Begegnungen cleverer, auch mal zu verhandeln, solange man die Finger von den Verträgen lässt, die die Teufel bei jeder Gelegenheit aus der Tasche ziehen und die eigentlich nur schiefgehen können. Drei Punkte haben mich hier gestört:
- Der Auftakt in der umkämpften Stadt Elturel selbst ist irgendwie wenig überzeugend. Da ist wirklich kaum noch jemand am Leben, und die Stadt steht so dermaßen kurz vor der Vernichtung durch ihre Feinde, dass es nach der kurzfristigen Entlastung durch die SC einfach nicht überzeugend ist, dass die Teufel danach wochen- und monatelang die Füße stillhalten, während die SC kreuz und quer durch die Hölle ziehen. Da dürfte es eigentlich schon bald keine Überlebenden mehr geben.
- Weite Teile der Reise durch Avernus ist eine McGuffin-Schnitzeljagd. Finde A, aber das kriegst du nur, wenn du vorher für B den Auftrag C erledigt hast, dazu musst du aber erst zu D, der zunächst E von dir will usw. Zumindest für erfahrene Spieler ist das ebenso durchschaubar wie nervig.
- Die Kreativität der Reiseelemente schwankt enorm; man merkt, dass da sehr viele verschiedene Autoren beteiligt waren. Da sind richtig geile Sachen dabei (Mad Maggie zum Beispiel, Lulu der Hollifant, die Infernal War Machines oder das Wandernde Emporium), aber auch viel stupider 08/15-Kram ("Im Raum sind x Chained Devils und y Bearded Devils, die bis zum Tod kämpfen. Schon wieder.") Hier hätte ich mir (wie so oft bei D&D-Kaufabenteuern) weniger Kämpfe und dafür mehr echte Ideen gewünscht.
- Die Atmosphäre ist großartig höllisch, aber ich frage mich, ob sich das nicht irgendwann auch totläuft (wie erfolgreich wäre der Herr der Ringe gewesen, wenn er ausschließlich in Mordor gespielt hätte?). Insgesamt habe ich den Eindruck, dass dieser Teil zu lang ist - zumindest für einen "Gib mir was Neues"-Junkie wie mich wiederholen sich viele Dinge dann doch zu sehr, um hier den ganzen Weg von Stufe 5 bis Stufe 13 zuzubringen.
- Das Finale schließlich hat das Potential, absolut episch zu werden. Hier sind wir meilenweit vom DSA-üblichen "fass meine wichtigen NSCs nicht an" entfernt - hier ist fast alles zum Abschuss freigegeben, und die Chancen stehen gut, dass die oberste Hölle hinterher einen neuen Herrscher hat (je nach Verlauf sogar einen der SC). Allerdings muss der Spielleiter hierzu echt was leisten, denn die Endsituation ist so komplex, dass sie im Abenteuerband nur noch sehr fragmentarisch behandelt werden kann (*).
Zusammenfassend würde ich empfehlen, den Startteil komplett wegzulassen. Ich würde gleich auf Stufe 7 (plus/minus) starten, die SC per Vorgeschichte (Stichwort Bonds) gut mit Elturel vernetzen (wenn meine Schwester oder mein Kind gerade in die Hölle gerissen wurde, bin ich eben ganz anders motiviert) und dann loslegen. Dann kann man auch die ganzen redundanten Begegnungen, die scheinbar nur dazu dienen, XP zu machen, rausstreichen, und übrig bleibt ein Feuerwerk an abgedrehten und epischen Szenen. Verdammt, jetzt krieg ich doch wieder Lust, sowas zu leiten, aber die Zeit...
(*) Was ja etwas ist, was ich bei Kaufabenteuern ohnehin nie verstanden habe: Warum man mir als Spielleiter an der einen Stelle genau vorschreiben muss, dass hier ein Charisma (Persuasion) Check mit DC 14 erforderlich ist, um eine bestimmte Antwort zu kriegen, während man mir an anderer Stelle sagt: "Hier hast du vier Erzteufel, alle Challenge Level 24 aufwärts, beliebig viele ihrer Diener, dazu einen Stadtplan, eine Karte der Hölle und die vollständige Handlungsfreiheit der Gruppe. Viel Spaß." Wenn man mir das Leiten der zweiten Situation zutraut, warum dann nicht das der ersten?
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Eine Rezension von: Weltengeist https://www.tanelorn.net/index.php/topic,116559.0.html