DCC 01: Die Idyllen des Rattenkönigs
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Das universelle Rollenspiel-Fanzine Greifenklaue wurde bereits 1997 von Mitgliedern der Pfadfindergruppe Mantikore als gedrucktes A4-Heft ins Leben gerufen und eroberte ab 2005 auch das Internet. Neben dem gedruckten Fanzine betrieb Ingo aka "Greifenklaue" vor allem einen Blog, einen Podcast und ein eigenes Forum. Zur großen Bestürzung der Rollenspiel-Szene verstarb Ingo Schulze am Freitag den 26.11.2021. |
Solider Dungeoncrawl auch auf Deutsch!
Die mittlerweile mehr als 50 Bände umfassende Reihe Dungeon Crawl Classics gehört wohl zu den erfolgreichsten Abenteuerreihen überhaupt und ist eine der Perlen des d20-Systems. Der Verlag Goodman Games versucht sich einerseits am Retrolook, andererseits sind die meisten Abenteuer sehr konsistent aufgebaut, was früher ja nicht immer der Fall war und enthalten Plottwister, die für zusätzliche Dynamik und Spannung sorgen.
Um so erfreulicher ist es, dass der Ulisses-Verlag sich entschlossen hat, sechs dieser Abenteuer zu übersetzen. Mit "Die Idyllen des Rattenkönigs" macht die originale, mittlerweile zum dritten Mal aufgelegte #1 den Anfang, während der Rest dann einer eigenen Reihenfolge unterliegt.
Das Modul umfasst 32 Seiten im amerikanischen Format, welches etwas kleiner als A4 ist. Auch die Umschlagsinnenseiten werden ausgenutzt und zeigen die vier Dungeonebenen, hier ist man allerdings vom klassischen retroblau zu schwarz übergegangen, was dem ganzen kein Abbruch tut. Der Preis liegt mit 9,99 Euro und kann damit auch die Kostengünstigkeit des Originals bewahren (10.95 Dollar).
Das Abenteuer entpuppt sich dann wie versprochen als solider Dungeoncrawl für die ersten drei Stufen. In der Ortschaft Silverton kommen seit einigen Monaten immer wieder Silbertransporte abhanden, erst vor zwei Tagen war der letzte Überfall. Die Bewohner trauen sich jedoch nicht in die einst aufgegebene Mine nordöstlichen des Dorfes, wo die Räuber vermutet werden, so dass die Ankunft der Spielercharaktere gerade zur rechten Zeit erfolgt. Sollten sie sich entschließen, einen Blick hinein zu werfen, wird ihnen ein gut ausgearbeiteter vierstöckiger, einsteigergeeigneten Dungeon zuteil und spätestens hier sollten potentielle Spieler mit dem Lesen aufhören!
*** SPOILER ***
Auf der ersten Ebene haben sich Goblins eingenistet, welche die Silbertransporte überfallen haben. Am Eingang sind einige Wachräume, während es im Inneren dann Kasernen- und Speiseräume gibt. Schlußendlich können sie in den Audienzsaal des Goblinhäutlings vordringen, wo die erste Überraschung lauert: er ist von einer Werratte infiziert worden... Der Dungeon ist sehr verschachtelt ‐ was man damit erklären könnte, dass die Gänge und Räume einst den Silberadern folgten - und bieten zugleich viele Umgehungsmöglichkeiten. Wer gern kundschaftet und schleicht, kann sich sicherlich einiges ersparen oder sieht sich bei Großalarm richtig viel Opposition gegenüber. So wäre es aber auch möglich, den Anführer zu erschlagen und dabei vorher nur zwei Räume durchquert zu haben.
Da das Silber noch nicht gefunden ist und der Goblinhauptmann von einem anderen Anführer gesprochen hat, kann es dann weitergehen mit der Erkundung. Die zweite Ebene stellt dann eher die Wohnquartiere und die Behausung einiger der mächtigeren Goblins, welche sich ebenfalls in gefährliche Werratten verwandeln können. Zudem stehen die Helden vor der moralischen Frage, Goblinfrauen und ‐kinder zu töten oder zu verschonen. Das Modul beantwortet sie eindeutig und bestraft die Tötung mit Straf-EP, was nicht unbedingt gelungen ist. Hier finden sich dann auch die ersten gestohlenen Silberkisten. Doch es geht noch tiefer.
Die dritte Ebene beinhaltet ein Zombiebergwerk. Hier ist noch Silber zu finden, da die Menschen das Bergwerk vor langer Zeit nicht ganz freiwillig aufgegeben haben. Warum es aufgegeben wurde, kann man sich in einer Art Nebenqueste erspielen. In von Goblins noch unentdeckten Geheimräumen finden sich auf allen Ebenen, wo verschiedene Handouts die Geschichte des Stollens nachzeichnen. Das Bergwerk selbst hat auch eine Schienenstrecke, wo Erzloren transportiert werden. Die Möglichkeit zu einer schnellen Abkürzung oder für schnelle Reflexsaves... Diese etwas andere Ebene wurde vom Hintergrund glaubwürdig in die Struktur des Dungeons eingefügt.
Auf der untersten Ebene wartet dann das Finale: die Geheimnisse des Rattenkönigs.
Den Raumbeschreibungen merkt man doch an, dass es das erste Abenteuer war und manche wirken etwas uninspiriert. Gibt es (Kampf-)Begegnungen, finden sich dort alle relevanten Werte und auch Dinge wie vorbereitete Zauber oder Besitztümer, außerdem steht oft eine Taktik dabei. Diese trifft nicht immer auf den Punkt. Eine Gruppe soll sofort die Dolche werfen und sich zugleich in den Sturmangriff gehen. Das ist regeltechnisch nicht möglich, aber trotzdem weiß man, wie sie in etwa vorgehen. Oft bieten die DCCs spannende taktische oder auch überraschende Begegnungen. Zumindest letztere kommen hier etwas kurz, positiv herausstechend ist aber z.B. ein Zauberer, der versucht, sich zwischen Kisten zu verstecken und aus dem Hinterhalt wieder zu zaubern.
Natürlich gibt es einige Geheimtüren und hinter diesen warten Handouts, die den Spielern nach und nach den Hintergrund der Mine verraten und warum sie einst verlassen wurde. Manche werden die Spieler wohl problemlos erkennen ("Was soll dieser leere Gang hier?"), andere sind fies versteckt, wo man sie nicht erwartet.
*** SPOILER ENDE ***
Die Karte zeichnet nur rechtwinklige Gänge und Räume, es bietet sich natürlich an, diese dann etwas minenartiger zu gestalten. Hier findet sich auch einer der Schnitzer: aus "10 feet" sind "5 Fuß" geworden und nicht "3 Meter", allerdings ist diese falsche Kartenlegende aus den Raumbeschreibungen zu erkennen, welche am Anfang immer die Meterangabe enthalten.
Im Anhang ist die Ortschaft Silverton kurz beschrieben. Die Karte sieht etwas sehr nach Computer aus und während der Handelswarenladen übersetzt wurde, heißt die Taverne wie im Original "Silver Cup Inn". Hier soll es in Zukunft eine konsistentere Übersetzung geben. Insgesamt ist die Rate an Fehlern oder Übersetzungs-Fauxpas angenehm klein.
Das Modul ist zwar für erststufige Helden - hoffentlich auch welche, die auf die Idee kommen vor der Zufallsbegegnung Oger-Zombies wegzulaufen ‐ ist aber nicht unbedingt für Einsteiger-SLs geeignet. Die Beschreibungen sind knapp gehalten und entfaltet sich erst nach der eigenen Ausgestaltung zu einem interessanten Szenario. Die drei Einstiegsideen sind simpel gehalten, aber in Ordnung, lobenswert hingegen die Beschreibung, was passiert, wenn die Helden überwältigt und gefangengenommen werden. Eine erste Überlegenheit der Goblins muss also nicht im Total Party Kill enden...
Fazit:
Endlich mal ein nettes Dungeoncrawl-Abenteuer auf Deutsch. Einige nette Ideen in dem soliden Modul zeigen das Potential der Reihe, die auf weitere Übersetzungen hoffen läßt.
[Ingo Schulze]
Eine Rezension von: Ingo 'Greifenklaue' Schulze https://greifenklaue.wordpress.com/