Rabenchronik 2: Kinder der Nacht (029)
Bei der 'Boroninsel' und den 'Kindern der Nacht' geht es um eine in Havena spielende Vampirgeschichte: der Knecht Fion gerät erst in große Probleme¸ dann in noch größere Problemen¸ die ihn schließlich zum Vampir machen¸ damit aber noch lange nicht gelöst sind.
Lokaler Flair der Stadt am Großen Fluss kommt sehr gut rüber¸ ohne dabei aufdringlich zu wirken. Immerhin ist Lena Falkenhagen Expertin für Havena. Und auch die Innenansichten eines Vampirs sind außerordentlich gut gelungen. Lena Falkenhagen erzählt ausführlich und intensiv. Bei Äußerlichkeiten kann das gelegentlich in Weitschweifigkeit umschlagen¸ wenn etwa detailliert die Kleidung einer unwichtigen Nebenperson beschrieben wird. Geht es aber um Personen und Stimmungen¸ so entstehen. Lässt man sich auf diese Erzählweise ein¸ dichte und atmosphärische Szenen¸ etwa gleich die erste Szenen in der 'Boroninsel'. Wer wilde Action sucht¸ wird allerdings enttäuscht werden. Auch sonst kann Falkenhagen die Leser halten¸ etwa durch interessante Perspektivenwechsel oder eine durchdachte chronologische Struktur¸ die gleich etwa in der Mitte des Geschehens einsteigt und die erste Hälfte durch Rückblick erzählt.
Auch die Einbettung in Aventurien ist gut gelungen¸ Regelpuristen finden sogar Anklänge an die Vampir-Regeln aus 'Unsterbliche Gier' wieder.
Kritik gibt es allerdings an dem Plot zu üben. Die Handlung wirkt¸ vielleicht auf ein Abenteuer zurückgehend¸ oft sehr konstruiert. Das beginnt damit¸ daß Fion¸ Pferdeknecht im Palast in Havena¸ von einer ungewollt schwangeren Magd zuerst ins Vertrauen gezogen und dann sogleich öffentlich der Vergewaltigung beschuldigt wird. Fion hat ihr bei den Göttern geschworen¸ niemandem etwas von ihrer Schwangerschaft zu verraten. In einer Ehrpingeligkeit¸ die schon für einen Adeligen die Grenze zum Masochismus überschreiten würde¸ an einem Pferdeknecht aber absolut fehl am Platz wirkt¸ legt Fion diesen Eid nun unverständlicherweise dergestalt aus¸ dass er sich vor Gericht nicht verteidigen dürfe. So wird er also von König Cuanu persönlich (warum eigentlich? Hat ein König nichts bessere zu tun?) zu schweren Schandstrafen verurteilt¸ die er auch treudoof erträgt. Gerade als man denkt¸ dass er es eigentlich nicht anders verdient¸ tauch noch mehr Ärger auf. Fion bleibt seiner Einstellung wenigstens konsequent treu und sagt niemandem ein Wort¸ als herausfindet¸ dass einer der Gäste im Schloss ein Vampir ist¸ schweigt weiterhin¸ als eine Mordserie einsetzt¸ und selbst als sein eigener Vater zuerst ermordet wird und dann vor seinen Augen als Vampir ersteht¸ hält er es nicht für nötig¸ irgendjemandem davon ein Wort zu sagen. Auch im weiteren Verlauf trägt sich die Handlung mit dem Problem herum¸ warum sich Fion mit nur einer Vertrauten¸ immerhin eine Tochter König Cuanos¸ auf die Jagd nach dem Vampir macht¸ ohne irgendwo um Hilfe zu suchen. Praioskirche oder andere Kirchen wären sicher an der Anwesenheit eines Untoten interessiert¸ möglicherweise hätten auch König Cuano oder Prinzessin Invher gerne gewusst¸ dass sie einen Vampir beherbergen¸ schon allein um auf besondere Unterbringungswünsche oder knoblauchfreies Essen achten zu können. Keine der Erklärungen¸ die die Autorin dafür erkennbar gezwungen sucht¸ ist überzeugend. So schrecklich gutmeinend sind die Helden¸ dass sie sich darum sorgen¸ König Cuano könne durch einen Hinweis gefährdet werden (als ob er ahnungslos nicht noch gefährdeter währe)¸ oder dass erst Beweise für eine Anschuldigung beschafft werden müssten (dass der angeblich harmlose Gast gerade fauchend vor einem heiligen Amulett geflohen ist¸ scheint nicht zu zählen).
Fazit:
Wer stimmungsvolle Erzählungen¸ die Stadt Havena oder Vampirstorys mag¸ kann zugreifen¸ wer allerdings Wert auf eine durchdachte und glaubhafte Story Wert legt¸ sollte ein anderes Buch wählen.
Eine Rezension von: Christoph Böhler