Crime Scene: Supernatural
Nach der anfänglichen Freude über "etwas offiziell-amtliches" über das Element des Übernatürlichen machte sich bei mir rasch die Enttäuschung über das dünne Heftchen von Hogshead breit.
$18¸95 sind ein sehr stolzer Preis für eine Softcover-s/w-Broschüre mit nur 76 Seiten.
Das Supplement beginnt sehr vielversprechend mit solchen Kapitelnamen wie Who's Who in Occult Crime¸ Supernatural Crime¸ Psychics¸ Police Investigation.
Auch New Character Creation und Psychic Character Class weckten mein Interesse beim Überfliegen des Inhaltsverzeichnisses.
Nach der entsprechenden Lektüre ergab sich folgendes Bild zu den einzelnen Abschnitten:
Chapter 1: Bringing in the Experts beschränkt sich auf 2 Seiten. Es erzählt¸ dass es da draußen hin und wieder übernatürliche Phänomene gibt¸ die an die Öffentlichkeit gelangen (können) und der Aufmerksamkeit der Behörden bedürfen. Charaktere seien entweder Regierungsbeamte oder Zivilisten¸ die allesamt über einen hohen INT-Wert verfügen sollten¸ um clever zu sein und das Übersinnliche wahrzunehmen. Weiterhin steht drin¸ dass die Fälle des Übernatürlichen in der realen Welt selten sind und dass Sondereinheiten zur Aufklärung und Bekämpfung von paranormalen Elementen nicht wirklich existieren. Aha.
Chapter 2: Who's Who in Occult Crime umfasst schon das doppelte der Seitenzahl des Vorgänger-Kapitels¸ nämlich ganze vier. Es enthält die kostbare Info¸ dass zwei große Organisationen¸ die im wesentlichen im Kontakt mit dem Überirdischen stehen¸ das FBI und die Polizei seien. Leider gibt es bis auf einige Bruchstücke (FBI = Bundespolizei der USA; schreiten bei großformatigem Verbrechen ein¸ ganz was neues ) keine weitere Info dazu¸ sondern einen knappen Verweis auf die Parallelpublikation The Feds -- für weitere 18¸95 $ gehört es Ihnen ! Danke auch. Weiterhin wird man darauf verwiesen¸ dass bei der Polizei auch Staatsanwälte und Gerichtsmediziner über diverse Phänomene stolpern können. Bestimmt auch Hausmeister.
Chapter 3: Supernatural hätte fast dazu geführt¸ dass ich das Buch positiv denn negativ bewertet hätte¸ denn trotz der Länge von 6 Seiten (es werden stetig mehr¸ was dem aufmerksamen Leser nicht entgangen sein dürfte)¸ finden sich die wertvollsten und weitgehend nützlichsten Informationen des Buches darin ein.
Es werden nüchtern und kühl die der Regierung bekannten Phänomene geschildert : offizielle Angaben über satanische Kulte und ihre Verbrechen¸ okkulte Zeichen¸ Dämonologie¸ Fälle von Astralprojektion¸ und last but not least Außerirdische¸ also Ufos¸ Entführungen und
Majestic 12. Die Ausführungen in diesem Kapitel sind zwar knapp¸ aber sehr informativ und sehr gut auf die GM-Seite abgestimmt (zB Tabellen zu Vorkommen von Dämonen in der Bibel¸ Hierarchien bei Engeln und Dämonen¸ reale Angaben zu Todes-Kulten und militanten Sekten).
Chapter 4: Psychics hat wieder nur vier Seiten ( ein Rückfall also). Erwähnt werden psionische Phänomene wie Telekinese¸ Telepathie sowie einige Projekte zur PSI-Kriegsführung. Für Leute¸ die noch nie etwas davon gehört haben¸ ist es sicherlich bahnbrechend und krass aufregend¸ der durchschnittliche RPG-Spieler/ GM gähnt und
kriegt so was aber auch selbst auf die Reihe.
Chapter 5 hat leider schon nichts mehr mit dem auf dem Cover beschriebenem Supernatural zu tun: 7 Seiten schildern die Vorgehensweise bei einem Verbrechen¸ Tatort absichern¸ Zeugen befragen¸ Beweise sammeln und auswerten etc. Das einzig Interessante waren die dürftigen Erklärungen zu Serienkillern sowie die forensischen Details zu Klauen- und Bissspuren. Sonst : reine Wiederholung aus Crime Scene : Police Investigation.
Mit Chapter 6 lassen sich Charaktere erschaffen¸ vorgeschlagen werden: Kriminalpsychologen¸ Bundesagenten (also FBI)¸ Privatdetektive¸ Pathologen¸ und SWAT- Angehörige. Sorry¸ aber dass bei D20 Modern sich Regierungs-Agenten und Privatdetektive mit paranormalen Dingen beschäftigen und sich als Spielfiguren eignen¸ habe ich mir schon fast selbst gedacht.
Chapter 7 hat mit 15 Seiten sehr viele Angaben zu zahlreichen Skills der Polizei wie Beschatten¸ Verfolgen¸ Überwachen¸ Profiling¸ Bürokratie¸ Verhören¸ sowie diverse Feats zum Gegenstand. Alles ganz nett -- was hat das alles aber mit Supernatural zu tun ?
Die weiteren Kapiteln beschäftigen sich mit Guns & Armor¸ erweiterten Combat-Regeln¸ dem Psychic Character Class (noch brauchbar¸ aber weder neu noch originell) und 5 Seiten GM Resources - mit einer Monstertabelle¸ die Werte für Vampire¸ Zombies¸ Geister¸ Ufo-Aliens und Kultisten parat hält. Boooooh. Das reicht offensichtlich nach Ansicht des Autors auch schon¸ um ein Supernatural-Spiel zu ermöglichen.
Es folgt ein nettes¸ aber recht mittelmäßiges und unspektakuläres 10 Seiten-Abenteuer¸ das am ehesten in Cthulhu 1990s anzusiedeln wäre. Am Ende des Buches ergeht der juristisch eindrucksvolle Verweis auf die Pflicht zum Kopieren der Originallizenz bei jeglicher Nutzung des Buches und des Char-Bogens¸ da sonst die Leute von Hasbro zum Verbraucher nachts nach Hause kommen¸ diesem die Beine ausreissen¸ seine Familie versklaven und sein Hab und Gut verbrennen werden.
Die Bilder sind ganz okay¸ obgleich z.T. cartoony und somit nicht immer passend. Der Schriftsatz ist angenehm¸ das Layout in Ordnung.
Was mit dem Buch m.E. nicht stimmt ist das Preis-Leistungsverhältnis. Das bisschen nette Info ist nicht genug um den hohen Preis zu rechtfertigen. All das in dem Buch Beschriebene kann sich jeder 13jährige zusammenreimen¸ nachdem er ein paar Folgen Mystery mit Jörg Dräger oder Twilight Zone geguckt hat.
In jedem ordentlichen Okkult- und Esoterikbuch wird mehr Info übers Unerklärliche weitaus billiger angeboten. Das schlimmste ist¸ dass in dem Buch nicht einmal hauptsächlich auf das Paranormale eingegangen wird¸ sondern nur das Bekannteste davon ärgerlich kurz abgehandelt wird. Den Rest bilden spieltechnische D20-Einzeheiten ohne Bezug zum Thema.
Wer zuviel Geld hat¸ kann sich Crime Scene: Supernatural holen¸ ich jedoch kann davon eher abraten. Kauft euch lieber einen kommentierten Serienführer zu Akte X¸ Dark Skies¸ Tales From the Crypt oder Outer Limits oder etwas von Delta Green¸ bzw. Conspiracy X.
Eine Rezension von: Alexander Kuprijanow