Coriolis - Der Dritte Horizont Grundregelwerk
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Das universelle Rollenspiel-Fanzine Greifenklaue wurde bereits 1997 von Mitgliedern der Pfadfindergruppe Mantikore als gedrucktes A4-Heft ins Leben gerufen und eroberte ab 2005 auch das Internet. Neben dem gedruckten Fanzine betrieb Ingo aka "Greifenklaue" vor allem einen Blog, einen Podcast und ein eigenes Forum. Zur großen Bestürzung der Rollenspiel-Szene verstarb Ingo Schulze am Freitag den 26.11.2021. |
Vor einiger Zeit hab ich Coriolis beim Würfelheld rezensiert, Zeit es auch hier vorzustellen:
Nach "Mutant Year Zero" veröffentlicht Uhrwerk im Rahmen eines Kickstarters auch das auf der selben Engine laufende und ebenfalls von den Schweden Free League publizierte Coriolis. Dabei verlässt man die heimische Erde und startet in den Weltraum
Bevor wir uns auf System und Setting stürzen, noch kurz die Versionsgeschichte: Zuerst gab es nämlich Coriolis mit eigenem System, bevor MYZ so viel Erfolg hatte und man merkte, dass auch Coriolis von seiner Kernphilosophie gut zu dem System passen würde (Stichwort: Exploration und Ressourcenverwaltung). Zurzeit wird gerade auch eine Fantasy-Version gekickstartet (sowohl im Original wie jetzt auf Deutsch von Uhrwerk): Forbidden Kingdoms. Letztes System, welches das System in abgespeckter Form nutzt, ist Tales from the Loop, wo man in alternativen, roboterbewehrten 80ern Teenager spielt.
SYSTEM
Im Zentrum des Systems steht die Gruppe - mit ihrem Grundkonzept bestimmt man die Art der Kampagne. Freihändler, Söldner, Entdecker, Agenten oder Pilgerer stehen zur Verfügung. Es gibt aber auch Alternativen, bei Entdeckern z.B. auch alternativ Prospektoren, Kolonisten oder Korrespondenten, Man sucht sich ein Raumschiff aus sowie ein Gruppentalent, also ein normales Talent, über das jeder verfügt. Weiterhin gesetzt ist, dass das Raumschiff einem erst teilweise gehört und man einen Förderer (Patron) sowie einen Erzfeind (Nemesis) besitzt.
Danach macht jeder Spieler allein weiter: je nach Abstammung erhält man Attributs- und Fertigkeitspunkte sowie Reputation. Attribute gibt es vier: Stärke, Geschick, Verstand und Empathie, auf die 13-15 Punkte verteilt werden bis zu einem Maximum von 5. Fertigkeiten gibt es 16, wovon 8 jeder kann (Beobachtung) und 8 spezielle, die man gelernt haben muss (Pilot). Dann wählt man eine von 9 Ikonen, quasi Göttern, unter deren Stern man geboren ist, was regeltechnisch durch ein Ikonentalent ausgedrückt wird. Dazu noch einiges an persönlichen Infos wie persönliche Probleme, Beziehungen, Mannschaftsposition.
Schließlich werden diverse Charakterkonzepte auf Doppelseiten vorgestellt, z.B. der Unterhändler, wiederum unterteilt in Händler, Diplomat und Aufwiegler. Namen, Fertigkeiten, Talente, Aussehen, persönliche Probleme, Beziehung zu anderen SC und Ausrüstung werden vorgeschlagen. Immer so, dass es mehrere Möglichkeiten gibt und man noch kreativ werden kann.
Wie funktioniert nun eine Probe? Ich summiere die Werte von Attribut und Fertigkeit und würfele soviele W6, wobei nur eine "6" selbst ein Erfolg ist. Ein bis zwei "6" sind ein eingeschränkter Erfolg, ab 3 "6" ein kritischer Erfolg (häufig kann man für zusätzliche "6" Bonuseffekte kaufen, z.B. im Kampf). Da es gar nicht so wahrscheinlich ist eine "6" zu haben, gibt es die Möglichkeit des Gebets und man darf alle Nicht-"6" nachwürfeln, allerdings erhält der SL ein Finsternispunkt, um selbst Würfe zu wiederholen, das Magazin alle geht oder Verstärkung eintrifft - um einige Beispiele zu nennen.
SETTING
1001 Nacht im Weltraum ist die Kurzumschreibung des Settings. Es gab eine erste Welle Entdecker- und Forschungsschiffe, von denen eines ein Portal entdeckte, hinter dem einige erdähnliche Welten steckten, die kolonisiert wurden (der erste Horizont).
Bald darauf wurde ein zweites Portal entdeckt und trat erneut eine Kolonisationswelle los (der zweite Horizont) und nach längerer Zeit ein Dritter. Es waren Leute, die in den ersten beiden Horizonten keinen Frieden fanden, Glücksritter und religiöse Dissidenten, die als erste den dritten Horizont erreichten und besiedelten.
Diesen Erstsiedlern verdankt man beispielsweise die heutige Religion der Ikonen. Dann jedoch brachen die Portalkriege aus, im wesentlichen wohl zwischen den ersten und zweiten Horizont, doch beide Fraktionen hatten ihre Vertreter auch im dritten Horizont. Die unabhängigen Kräfte dort konnten sich zwar schlußendlich durchsetzen, aber das Portal wurde zerstört.
Damit begann die lange Nacht, eine Zeit der Isolation und der Einsamkeit - auch untereinander. Erst das Eintreffens eines Kolonisierungsschiffes aus der alten Heimat, mehr als ein Jahrtausend unterwegs mit mehreren hunderttausend Siedlern im Tiefschlaf, während die Besatzung als Generationenschiff überlebt hat. Zu ihrer Überraschung fanden sie jedoch kolonisierte Welten vor und sie wurden nicht überall gut empfangen. Während man noch diskutierte, wie mit den tiefschlafenden Siedlern zu verfahren ist, wurden diese geweckt. So gibt es nun überall Kolonien der sogenannten Zenither (nach ihrem Schiff benannt) und zugleich wird aus ihrem Schiff eine riesige Raumstation gebaut - die Coriolis.
Damit begann ein neues Zeitalter, weil sich gleichzeitig die Handelswege wieder öffneten bzw. von den Zenithern wiederbelebt wurden.
In der Gegenwart erschüttern einige Ereignisse das Spiel. Über dem Gasriesen Xeme trafen fünf geisterartige Abgesandte in eine Forschungsstation der Zenither ein. Einer um zu bleiben, drei um weiterzuziehen und zu erkunden und ein letzter, um einen Sitz im Konzil zu fordern. Zugleich brach die sogenannte Mystikerkrankheit aus, Angesteckten wurden mystische Kräfte verliehen - wiederum gejagt vom einfachen, in Angst liegenden Volk. Schließlich offenbarte sich der verbliebende Abgesandte als Inkarnation der Ikone der Richterin, was unter den Altvölkern als Häresie aufgefasst wurde und droht wieder zu verschlossenen Handelswegen und Isolationismus zu führen. Zuletzt gab es einen Notruf von Taoan, doch eine zenithische Rettungsflotte fand nur Tod und Zerstörung vor und konnte sich selbst mit nur wenigen Schiffen retten. In dieses Setting werden die Charaktere geworfen.
MEIN FAZIT
Andere Poolsysteme wie Warhammer Wrath & Glory oder 2d20 gefallen mir etwas besser, trotzdem ist das MYZ-System solide. Das Setting macht in jedem Fall neugierig, hat man mit seiner Truppe erstmal ein Eckchen gefunden, was man bearbeiten will. Das Setting wird anregend und vielfältig geschildert, die Illustrationen stimmen auf das 1001ne Nacht-Feeling ein. Kurzum, SciFi-System mit vielen interessanten Ecken zu fairem Kurs.
MEINE WERTUNG
4 von 5 Raumstationen
Eine Rezension von: Ingo 'Greifenklaue' Schulze https://greifenklaue.wordpress.com/