Lied der Gier
Das Lied der Gier ist das neueste Produkt aus dem Hause Nackter Stahl und nach den beiden umfangreichen Hardcovern das erste Softcover. Den Band als "Abenteuer" zu betiteln mag zwar sachlich richtig sein¸ aber allein der Umfang von 224 Seiten distanziert das Produkt deutlich vom typischen Abenteuer-Umfang - vielmehr ist wohl der Titel "Kampagnenband" angemessen¸ denn es handelt sich um einen Handlungsfaden¸ der aber in drei Unter-Abenteuer (Akte) aufteilt¸ die wiederum zahlreiche Szenen (Strophen) enthalten. Reichlich Stoff für zahlreiche Abende¸ selbst wenn man auf die Idee käme¸ die Kampagne einem Gewaltmarsch gleich durchzuspielen.
Wer als Arcane Codex-Spielleiter noch recht neu dabei ist¸ und sich vielleicht scheut ein derart umfangreiches Abenteuer überhaupt anzufangen¸ dem kann ich eventuell einen Teil seiner Befürchtungen zerstreuen. Der Band muß nicht erst einmal komplett gelesen werden¸ um eine Vorstellung von der Handlung zu bekommen. Die Autoren beweisen eine hohe Praxisbezogenheit¸ indem sie nach einer zwei Seiten langen Hintergrundgeschichte das Abenteuer auf wenigen Seiten zusammenfassen und dabei die Trennung in Kapiteln und Szenen getrennt¸ die auch später benutzt wird¸ deutlich hervorheben. Das Erleichtert den Einstieg ebenso¸ wie das Wieder-Eintauchen in den Handlungsfaden¸ wenn z.B. einmal seit der letzten Spielrunde ein paar Wochen vergangen sein sollten. Im Text finden sich Hinweise auf wichtige Textpassagen für Spielleiter¸ die tatsächlich nur so weit lesen möchten¸ wie sie es gerade für den kommenden Spieleabend benötigen.
Daran schließt sich eine Auswahl von sechs vorgefertigten und aufeinander (und auf das Abenteuer) abgestimmte Charaktere an¸ die als Handout kopiert oder vorab auf Charakterbögen übertragen werden können. Natürlich darf man das Abenteuer auch mit bereits existierenden Charakteren spielen. Zu diesem Zweck finden sich einige mögliche Anfänge beschrieben¸ die die Grundlage dazu liefern warum die Charaktere gemeinsam auf Abenteuer ausziehen sollten.
Ihren Anfang nehmen die Handlungen 1666 VZ in einer unabhängigen Handelsbastion in der Steppe von Trulk und von dort aus führt der Weg zur Hauptstadt Averra.
Leider darf ich nicht allzu viel über die Handlung berichten. Angefangen bei der Hintergrundgeschichte über die einzelnen Etappen des Abenteuers müßte ich so viele Spoiler einbauen - und am Ende doch nur dem ein oder anderen allzu Neugierigen den Spielspaß verderben. Nur soviel sei gesagt¸ daß Abenteuer dreht sich um dämonische Kräfte (nicht daß Arcane Codex nicht ohnehin dafür bekannt wäre)¸ um gescheiterte Helden und auch alte Magie und Musik spielt eine wichtige Rolle.
Technisches
Einmal mehr liefert Nackter Stahl ein Produkt auf sehr hohem Niveau ab¸ was ich nicht unbedingt im schöngeistigen sondern eher im technischen Sinne meine.
Für alle die Arcane Codex noch nicht kennen sei gesagt¸ daß man hier mit derberen und düstereren Inhalten (eben Dark Fantasy) rechnen sollte¸ als dies für die ansonsten verbreitete High Fantasy üblich ist. Allerdings hat man sich beim Das Lied der Gier im Gegensatz zum Kompendium etwas zurückgehalten¸ zumindest was die Illustrationen angeht.
In jedem Fall darf man mit ordentlichen Texten rechnen¸ die durch viele gute Illustrationen aufgelockert und in einem vorbildlichen Layout (Pergament-Stil) zusammengeschweist werden. Spielwerte werden gut sichtbar in weißen Rahmen separiert angeboten. Ebenso findet man die traditionellen "Beschreibungstexte zum Vorlesen" (speziell für Spielleiter-Neulinge gedacht) auf etwas dunklerem Hintergrund abgesetzt - der leider etwas zu stark strukturiert ist und das Lesen bei schlechter Beleuchtung etwas erschwert.
Das Layout ist dicht¸ wirkt aber aufgrund der guten Aufbereitung und Aufteilung der Informationen nur selten gedrängt.
Fazit:
Ich habe das Abenteuer noch nicht gespielt und auch nur die Zusammenfassung durchgelesen. Den Rest des Inhalts habe ich überflogen und nur stellenweise einige Passagen gelesen¸ was vermutlich nicht der Arbeit der Autoren gerecht wird¸ aber in diesem Fall ausreichen mu߸ um meine Empfehlung auszusprechen.
Technisch verbindet Das Lied der Gier gute alte Traditionen¸ wie stimmungsvolle Texte zum Vorlesen¸ mit einer sehr aufwendigen Aufmachung und großem Umfang. Positiv fiel mir auch auf¸ daß die Spieler nicht überall¸ aber doch an vielen Stellen die Möglichkeit haben "ihren" Weg zu wählen und nicht durch zu enge Vorgaben an eine starre Route gebunden sind.
Die dem Abenteuer zugrunde liegenden Ideen würde ich nicht unbedingt als innovativ bezeichnen¸ aber doch als gute Mischung traditioneller Abenteuerelemente¸ bei denen eigentlich jeder Rollenspieler auf seine Kosten kommen sollte. Das Abenteuer ist natürlich vor allem für Arcane Codex geschrieben¸ aber mit etwas Erfahrung im Spielleiten sollte es problemlos möglich sein¸ das Abenteuer auch für andere Fantasy-Rollenspiele anzupassen.
Eine Rezension von: Dogio http://www.drosi.de