Goremound
Der Name Goremound allein reicht nicht als Vorwarnung¸ um die eigenartige Natur dieser Stadt angemessen vorzustellen - jedoch weisen der Untertitel "Die Stadt der Nekromanten" und das giftgrüne Cover mit einem Schwarzmagier und einigen untoten Kreaturen darauf¸ dem Leser den richtigen Weg.
In Goremound dreht sich alles um den Tod - den Vorgang des Ablebens¸ ein mögliches Unleben danach und das Leben davor¸ welches fast in allen Lebenslagen vom Umgang mit dem Tod geprägt ist.
Aufgrund seiner besonderen Natur existieren die Stadt und ihre Bewohner relativ isoliert von der "normalen" Außenwelt. Wären da nicht die unverzichtbaren Handelsbeziehungen und einige an morbidem Wissen interessierte Gelehrte¸ wäre die Isolation womöglich vollkommen.
Die Stadt
Goremound hat seine Existenz dem Arkanen Kodex zu verdanken¸ jenem machtvollen Werk¸ in dem sich das verbotene Wissen konzentriert. Als das Imperium Atlanteas unter den Angriffen der Dämonen zunehmend auseinander fiel¸ eroberte der Feldherr und Nekromant Koros mit seinen Verbündeten¸ der Unterstützung von Blutgeißel-Orks und mit Hilfe des Wissens aus dem Arkanen Kodex die Stadt Thalamnoris. Um seine Macht zu festigen¸ errichtete Koros ein permanentes Tor ins Totenreich und band den Dämonen Goremound an diesen Quell der Macht¸ der auch der Stadt ihren Namen verlieh.
Koros stellte die Regeln auf¸ nach denen Goremound geführt werden sollte und reiste dann selbst ins Totenreich¸ wo er den Totengott erschlug und sich selbst auf dessen Thron setzte. Daraufhin wurde in Goremound die Korosgarde gegründet¸ die Kirche des neuen Gottes.
An Koros statt¸ regierten fortan seine Gefährten¸ die einst mit ihm die Stadt erobert hatten. Es folgten viele Jahre in denen die Stadt wuchs und sich zahlreiche Nekromanten in der Stadt niederließen und den Gilden anschlossen.
Mit dem Fall des Letzten von Koros Gefährten zerfielen die Gilden jedoch in interne Machtkämpfe und rieben sich fast gegenseitig auf. Später gelangten Dämonenanbeter an die Macht¸ die sich dem Stadtdämonen Goremound verschrieben und eifrig Anhänger aus den Reihen der Korosgarde abwarben. Nur durch einen Pakt mit Dämonenjägern gelang es der geschwächten Korosgarde wieder die Macht zu ergreifen. Weitere Schläge für die Stadt folgten: der Ausbruch von Seuchen¸ die Lebende und auch Tote vernichten¸ neue Bedrohungen der öffentlichen Ordnung durch Rattenmenschen und organisierte Ghoule in den Katakomben und natürlich verschiedene Kriege.
Jede Ecke von Goremound versprüht einen morbid-anarchischen Charme und zieht natürlich zwielichtige Gestalten jeder Art an. Fähige Nekromanten und intelligente Untote aller Art finden hier ein Paradies vor¸ wenn sie sich erst einmal in den Gilden oder einer anderen Gruppierung etabliert haben. Für Normalsterbliche¸ also die Ureinwohner und normale Zugereiste ist es jedoch sehr schwer in der Stadt Karriere zu machen. Die Vorurteile gegenüber Auswärtigen sind groß und neben der üblichen Bedrohung durch die Lebenden¸ der man auch in anderen Städten ausgesetzt ist¸ warten hier zudem noch jede Menge untote Gefahren. Ohnehin betreten viele die Stadt nicht freiwillig¸ sondern als Sklaven - und dienen wenig später als Arbeiter oder Gladiatoren im Besitz eines reichen Bürgers oder - wesentlich schlimmer - als Versuchsobjekt oder Ersatzteillager eines Nekromanten.
Zentraler Punkt der Stadt ist der mehrere Ebenen hohe und betriebsame Knochenmarkt. Hier werden neben Waren und Dienstleistungen aller Art auch Sklaven¸ Leichen und Leichenteile gehandelt. Vom Knochenmarkt aus¸ verlaufen die Grenzen der Gilden-Gebiete - die von den aktuellen Machtverhältnissen abhängen - sternförmig bis zu den Stadtmauern.
Auch die Bewohner von Goremound sind ein wenig Kultur und Zerstreuung nicht abgeneigt und so finden sich neben den Gladiatorenkämpfen am Knochenmarkt¸ ein Theater¸ diverse Lokale¸ Kneipen und andere Etablissements.
Wer die Stadtmauern verlässt¸ findet dort lebensfeindliche Gegenden wie den Knochenwald oder die Staubebene - kein Wunder¸ dass die Stadt von den Handelsbeziehungen mit anderen Städten abhängig ist und diese Händler sich ihre Waren (z.B. Nahrung und Rohstoffe) und ihr Risiko gut bezahlen lassen.
Gruppierungen
Ein Teil des Bandes beschäftigt sich mit den wichtigsten Gruppierungen der Stadt.
Da sind
die Korosgarde als Vertreter von Recht und Gesetz¸ die als neutrale Macht regulierend zwischen den Gilden wirkt;
die Seelenbrecher¸ die sich selbst gerne als Anführer und Heeresführer sehen;
der Knochensturm¸ eine nekromantische Elite-Kampftruppe;
die Seuchentöter¸ in der sich die Alchimisten und Giftmischer austauschen;
die Totenerwecker¸ die sich auf die Erschaffung Untoter Armeen konzentriert;
die Geisterbeschwörer¸ die Geister für ihre Ziele einsetzen;
die Bleichfedern¸ die sich auf die Erschaffung tierischer Untoter konzentrieren;
und die Fleischformer¸ die sich auf die künstlerische Gestaltung und Belebung untoten Materials konzentriert.
Zu allen Gilden finden sich ausführliche Beschreibungen zur Herkunft¸ den Zielen¸ der Einstellung zu anderen Gilden¸ den Gildenvierteln und natürlich Informationen zum mehr oder weniger geheimen Gildenwissen. Sehr hilfreich sind auch die Beschreibungen der Archetypen¸ wo sich typische Vertreter der Fraktionen finden - und eine Reihe einflussreicher Personen. Beides macht die Beschreibungen der Fraktionen noch lebendiger.
"Lebendig" ist übrigens ein Wort¸ dass auch zu einer Gesamtbeschreibung des Bandes gut passt. Statt einer trockenen Auflistung von Informationen bekommt man hier einen vorbildlichen Mix an Kurzgeschichten¸ hervorragenden Illustrationen und sehr atmosphärisch geschriebenen Beschreibungen. Das Gesamtlayout trägt einen wesentlichen Teil zur Stimmung des Bandes bei.
Morbider Charme
Die besondere Natur der Stadt sorgt dafür¸ dass der mit knapp 280 Seiten recht umfangreiche Band vor Absonderlichkeiten strotzt. Es wird nicht Jedermanns Geschmack sein¸ etwas über die Details wie Sex unter Untoten¸ die gesellschaftlichen Probleme von Rattengestaltwandlern oder die technischen Raffinessen der Kreation von Seuchen und Leichenkonstrukten zu lesen.
Aber zum einen sind die meisten Arkane Codex-Spielleiter die etwas härtere Gangart des Dark Fantasy gewohnt und zum anderen ist es gerade dieser Reichtum an abgefahrenen Details¸ der den Band so lesenswert macht.
Out of the Box
Für Einsteiger ins Rollenspiel¸ aber natürlich auch für Neulinge in der Stadt Goremound¸ haben die Autoren eine Reihe von Abenteuerideen zusammengestellt¸ die sich im hinteren Teil des Bandes finden. Highlight ist das 20seitige Einsteiger-Abenteuer¸ für das auch gut die im Buch vorgestellten Archetypen verwendet werden können.
So sehr ich Abenteuer in Grundregelwerken für Platzverschwendung halte - hier macht es durchaus Sinn¸ weil es dazu beiträgt die Stimmung in der Stadt zu transportieren.
Technisches
Goremound macht von der ersten bis zur letzten Seite einen hervorragenden Eindruck. Das betrifft alle Bereiche¸ seien es optische Dinge wie Layout und Illustrationen¸ die Qualität und Anordnung der Texte¸ Inhaltsverzeichnisse¸ Kartenmaterial und Übersichten politisch-sozialer Strukturen.
Hervorzuheben ist¸ dass alle Illustrationen "aus einem Guss" sind¸ d.h. für Cover¸ Innenillustrationen und Kartenmaterial ist jeweils nur ein Künstler verantwortlich gewesen¸ was sich in einem einheitlich-ordentlichen Look auszahlt.
Fazit:
Für Liebhaber morbider Themen und Spielgruppen¸ die trotz aller Widrigkeiten in die Stadt der Nekromanten eintauchen wollen¸ ist Goremound ein Füllhorn bewährter Klischees und innovativer Ideen. Für den Leser ist der Band aufgrund der hohen Qualität der Umsetzung ein tolles Leseerlebnis.
Einziger Schwachpunkt des Bandes ist seine Bindung. Bei 280 Seiten¸ die man sicherlich nicht nur einmal Lesen wird¸ hätte man sich eventuell für ein Hardcover entscheiden sollen. Auf der anderen Seite liegt der Preis auch so schon bei knapp 30 Euro¸ so dass man sich hier wohl für den kleineren Kostenfaktor entschieden hat.
Insgesamt bin ich mit Goremound rundum zufrieden¸ nicht zuletzt weil mir das Thema sehr liegt und ich mir schon lange einen Quellenband mit diesem Inhalt gewünscht habe. Arcane Codex hat seine Stellung im Dark Fantasy-Seqment der Rollenspiele in jedem Fall¸ durch diesen Band¸ um eine kräftige Basis ausgebaut.
Eine Rezension von: Dogio http://www.drosi.de