Agone - epic rpg in the Twilight Realms
Der Hintergrund von Agone basiert auf einer in Frankreich relativ populären Roman-Trilogie von Mathieu Gaborit und läßt sich am besten mit den Worten "düster¸ mythisch-märchenhaft und barock" beschreiben. Agone¸ bzw. die Geschichte von Harmundia¸ erinnert in vielen Aspekten an ein Theaterstück: ansich ungreifbare Aspekte¸ wie die Schöpfung¸ Jahreszeiten¸ Nacht¸ Korruption und sogar Magie bekommen stoffliche Präsenz bzw. sogar eine humanoide Gestalt und eine entsprechende Persönlichkeit. Magie und daraus Geschaffenes manifestiert sich als Künste - in Form von Tanz¸ Musik¸ Dichtung¸ Malerei oder Bildhauerei. Die Spielwelt Harmundia ist in ein permanentes Halblicht getaucht¸ in dem sich allerlei Kreaturen der Nacht bzw. Finsternis an die Oberwelt trauen. Aber auch ohne diese dämonische Menagerie hat Harmundia allerhand Abwechselung zu bieten - so gehören neben Zwergen und Elfenwesen auch Minotauren¸ Medusen¸ Oger¸ Satyre und Riesen zum alltäglichen Bild¸ daß die Straßen der großen Städte füllt. Neben den Normalsterblichen gibt es auf Harmundia Magier¸ die mit der abgesonderten Energie kleiner Geisterwesen zaubern können. Einer Gruppe¸ noch außergewöhnlicher als die Magier¸ gehören die Charaktere an: den Inspirierten. Einem Inspirierten steht neben einer besonderen Kraft¸ auch ein besonderes Wissen zur Verfügung: etwas Übermenschliches versucht das Angesicht Harmundias für immer zu Verändern und seine Bewohner ins Unglück zu stürzen - und nur die Inspirierten haben vielleicht die Macht¸ diesen Prozeß aufzuhalten. |
Doch weg¸ vom vielleicht blendenden oberflächlichen Schein.
Vorwort und das erste der vier "Bücher" (=Kapitel) des Bandes führen den Leser auf elegante Weise in die Twilight Realms der Fantasywelt Harmundia. Und wenn ich elegant sage¸ spreche ich nicht nur von einem sehr atmosphärischen Schreibstil¸ sondern auch von einem intelligenten Aufbau der Informationen. Zwar ergeben sich dadurch leichte Wiederholungen¸ aber anders als bei einigen anderen RPG¸ macht das Lesen dieser "trockenen Informationen" Spaß. Und so solls doch sein...
Die Schöpfungsgeschichte von Harmundia erzählt von den vier Musen¸ ihrem schöpferischen Akt und den Fehlentscheidungen dieser göttlichen Geschöpfe. Durch das Wirken der Musen entstanden die vielen exotischen Rassen von Harmundia: Minotauren¸ Medusen¸ Kobolde¸ Oger¸ Riesen¸ Satyre und andere. Zu den Fehlentscheidungen gehörte aber sicherlich die Erschaffung der "Maske" (Masque)¸ einem Geschöpf¸ das alle Eigenschaften der vier Musen in sich vereinen sollte.
... Doch die Maske hegt eigene Pläne¸ um die Welt Harmundia zu "perfektionieren". Er schuf und beeinflußte die Menschheit¸ große statische Städte zu schaffen und damit die naturbetonten Musen und ihre Kinder in ihre natürlichen Terretorien zu verdrängen. Die Maske teilte Hell und Dunkel und erschuf so die Nacht - die Quelle dunkler Wesen. Auch erschuf er die vier Jahreszeiten¸ die je einer Muse zugeordnet wurden. Darüber hinaus unterstützte die Maske (erst heimlich¸ später offen) den "Dunklen" (Nyx)¸ der mit seinen Dämonen aus dem Abgrund (Abyss) als Armee der Maske dienen sollte.
Im Anschluß kam es zu großen Kriegen zwischen den Kindern (Rassen) der Musen und den Horden der Maske... bis die Musen eine verheerende Welle aus Flammen über Harmundia aussandten ("Flamboyance")¸ der die dunklen Kreaturen der Maske zurück in den Abgrund drängte¸ die Maske vertrieb und der Menschheit Inspiration in Form der "Flamme" brachte - und sie so von den Ideen der Maske entrückte. Die Flamme ist der Ursprung übermenschlicher Kreativität¸ die nun jedes Wesen inspirierte und zu wahren Wundertaten anregte.
Dies war der Beginn einer wunderbaren Aera für Harmundia. Sterbende gaben
die Flamme an Neugeborene weiter und erhielten so die unerschöpfliche Kreation.
Doch die Maske ruhte währenddessen nicht und sinnte nach Rache. Die warf sich
einen Umhang um¸ trug eine Maske und zog unerkannt durch Harmundia... Sein
Werkzeug der Rache sollte eine der Musen selbst sein... die Maske entschied
sich für die "Muse des Herbstes"¸ bezirzte sie ... und tauchte Harmundia Ihr
zu ehren in einen ewigen Herbst.
Im Gegenzug zertrennte die Herbst-Muse den ewigen Kreislauf der "Flamme"
als Quelle der Kreativität¸ und damit die Musen von ihren Kindern...
... da nun auf ganz Harmundia - verursacht durch die bezirzte Muse und der Maske - der Herbst eingezogen war¸ blieb kein Platz mehr für die anderen drei Musen. Mit ihnen verlor auch der Tag gegenüber der Nacht an Kraft und verödete zu einem Dämmerlicht (Twilight). Der Zauber der Musen verblieb nach der Vertreibung auf Harmundia - kristallisierte jedoch zu "Shard"¸ einer für normalsterbliche unsichtbaren Substanz¸ mit deren Hilfe die Menschen echte Magie erlernen sollten.
Doch die Musen hatten eine letzte Trumpfkarte: Janus - wie die Maske eine Gottheit - und seit jeher dessen Gegenspieler. Janus schaffte es¸ die drei Musen zu vereinen. Er teilte jeder Muse drei der 10 Monate des Jahres zu und vergab nur einen an die Herbst-Muse. Dazu schuf er den Rat der Jahreszeiten¸ der dafür sorgen sollte¸ daß die noch existierenden Flammen auf Harmundia verblieben¸ um als Streitmacht gegen die Maske erhalten zu bleiben und den Plan der Maske letztendlich zu vereiteln. Im Laufe der Jahre lernten die inspirierten Sterblichen die Kunst der Magie und errichteten Zauberschulen überall auf Harmundia.
Janus Saat scheint aufgegangen zu sein¸ denn das Werk der Maske konnte durch die Ausbildung der inspirierten Sterblichen vorerst gestoppt werden.
Doch die Maske ist keinesfalls untätig und versucht - versteckt hinter ihren tausend Gesichtern - die Sterblichen zu manipulieren und nach und nach¸ alle hinderlichen Flammen auszuschalten¸ um letzten endes doch noch die endlose Nacht über Harmundia hereinbrechen zu lassen. Nur noch 1001 Flammen existieren auf Harmundia - und jeder Spielercharakter trägt eine von ihnen in sich.
Natürlich ist diese Geschichte arg gerafft - sie umfaß viele tausend Jahre. Harmundia ist heutzutage ein recht differentiertes Konstrukt aus verschiedenen Reichen¸ Völkern und Rassen - und nur die wenigsten¸ nämlich die Inspirierten¸ wissen die Wahrheit über die Pläne der Maske. Dem gegenüber¸ steht eine Vielzahl Unwissender ("Dullen")¸ die ihr Schicksal in einer düsteren Welt mit Gleichmut ertragen. Magier und Dämonen sind aber durchaus bekannt (und gefürchtet)¸ ebenso wie eine ausreichend große Toleranz zwischen den meisten Rassen existiert.
Hier näher auf die im Buch aufgeführten politischen Zusammenhänge einzugehen¸ erspare ich mir. Diese Informationen sind ohnehin eher ein Konzept - dem Spielleiter bleibt noch genügend Freiraum für eigene Ausarbeitung. Zumindest bis dies durch sicherlich noch folgende Quellenbände erledigt wird. Eine gute Übersicht bietet eine doppelseitige Karte der "Twilight Realms"¸ die (leider) irgendwo mitten ins Buch gepackt wurde¸ statt an das Buchende oder die Buchmitte. Beispielhaft wird die Baronie Roundrock samit wichtigen Ansiedlungen in einem eigenen Kapitel genauer beschrieben.
Wie schon angesprochen¸ gibt es neben dem Menschen eine Vielzahl an Rassen¸ die auch alle spielbar sind. Diese sind übrigens¸ entsprechend den Musen¸ ebenfalls den Jahreszeiten zugeordnet. Zum Frühling gehören zierliche Waldschrate (Sprite)¸ listige Stadtkobolde (Spriggan) und charismatische Satyre. Dem Sommer sind die grobschlächtigen Oger¸ kraftvollen Minotauren¸ und Riesen zugeordnet. Dem Winter entsprangen Dunkle Feen (Black Fey)¸ Zwerge und schlangenhaarige Medusen.
Dem gegenüber stehen die gefallenen Kinder der Herbst-Muse: die echsenhaften Draakens¸ die bläulichen aber wunderschönen Morganas und die Feen (Pixies). Viele von Ihnen leben auf der "Insel des Herbstes"¸ geschützt von Festungen und einer magischen Barriere.
Bei keinem Grundregelwerk sollte ein Einstiegsszenario fehlen (The Lord von Mean-Mist¸ 11 Seiten)¸ genausowenig wie das Charakterblatt¸ das bei Agone immerhin drei Seiten beansprucht (ein Hauptblatt und zwei ergänzende).
Literarischer Hintergrund
Der Hintergrund von Agone basiert auf einer in Frankreich relativ populären Roman-Trilogie von Mathieu Gaborit¸ 'Les Chroniques des Crépusculaires'. (Die Einzelbände heißen 'Souffre-Jour'¸ 'Les Danseurs de Lorgol' und 'Agone' und sind im vorletzten Jahr in einem komplett überarbeiteten und erweiterten Sammelband bei Les Éditions Mnémos wiedererschienen.) Das Setting muß man wohl als barock beschreiben (jedenfalls nennt es der Verlag so); Harmonde ist eine düstere¸ teilweise mythisch-märchenhafte Welt¸ in dem man Leibers Lankhmar¸ Peakes Gormenghast¸ griechische Sagen¸ viktorianische Märchen und vieles mehr als Inspiration erahnen kann.
Spielsystem
Agone's Würfelsystem basiert auf dem 10seitigen Würfel. Es gibt "Geschlossene" und "Offene Würfe"¸ wobei erster von 1 bis 10 reichen und letztere bei jeder gewürfelten 1 oder 0 nach beiden Richtungen offen sind. Fällt beispielsweise die 0 (=10)¸ so wird erneut gewürfelt und dieses Ergebnis mit 10 addiert¸ bzw. abgezogen bei Einsern.
Der Wurf muß zusammen mit der Basis die Schwierigkeit übersteigen. Die "Basis" ist der doppelte Attributswert oder die Summe aus Attribut und Fertigkeit. Eine "leichte" Schwierigkeit wäre die 10. "Quasi unmöglich" wäre eine Schwierigkeit von 30. Natürlich kann der SL da beliebig variieren. Die Distanz des Endwertes zur Schwierigkeit bestimmt die Qualität des (Miß-) Erfolgs.
Eine "1" gefolgt von einer "0" ist übrigens ein kritischer Fehlschlag ("Fumble")¸ bei dem eine Tabelle konsultiert wird.
Sehr wichtige Attribute jedes Inspirierten sind "Flamme" und "Dunkle Flamme" die viel über die Natur des Wesens aussagen¸ wobei ersteres die Neigung zu den Musen (=gut) und letzteres den Hang zum Bösen wiederspiegelt. Übesteigt die böse die gute Flamme¸ so ist der Charakter verdammt.
Die Flamme wirkt sich übrigens auch als (doppelte) Glückspunkte aus¸ die man in Kritischen Situationen einsetzen kann.
Als letztes bietet die Flamme allen Inspirierten eine Reihe von musengefälligen¸ durchaus spektakulären Sonderfähigkeiten - um sich selbst und andere zu Inspirieren¸ zu Schützen oder jemanden Anzugreifen.
Magie
Grundelement der Magie ist das Shard¸ eine magische Grundsubstanz die quasi nur Inspirierte erkennen und nutzen können. Shard ist die kristalisierte Flamme ehemals Insirierter und ermöglicht dem Besitzer¸ je nach seiner Größe¸ zudem einige spezielle Effekte¸ wie das kurzzeitige Boosten von Attributen¸ die Ausübung von Magie oder das Empfinden von Emotionen.
Eine Besonderheit sind die "Tänzer" (Dancer) - magische Kreaturen geboren aus reiner Flamme bei der Flamboyance. Magier¸ die eine dieser Kreaturen einfangen konnten¸ erhalten dadurch Zugriff auf Zauber einer besonderen Form der Magie (Ascendancy¸ der magische Tanz).
Auf Harmundia kann man vier Ausrichtungen der Magie erlernen (Tune - Magie der Klänge¸ Shape - Magie der Gestaltung¸ Vista - Magie der Malerei¸ Scansion - Magie der Worte) oder sein Leben dem magischen Tanz widmen. Es gibt eine Reihe von festen Zaubern bei Agone¸ die in Form einer Kurzbeschreibung und Werten wie Reichweite¸ Dauer und Zeitaufwand notiert sind. Manchmal kommt noch ein Instrument o.ä. als Vorgabe hinzu.
Die andere Seite
Einen ganz besonderen Lesegenuß stellen die letzten Kapitel dar¸ die sich mit der personifizierten Nacht (Nyx)¸ der Maske (Korruption) und ihren vielen Kreaturen und Ausprägungen beschäftigen. All diese Kreaturen bilden die Gegenspieler der inspirierten Helden.
Der besondere Kick bei Agone ist¸ daß diese "bösen" Gegenspieler nicht nur in Form von platten Monstern (bzw. Dämonen) daherkommen¸ sondern gleichzeitig als wertvolle Verbündete ins Spiel eingehen. So lassen sich die Kreaturen der Nacht aus ihrem Heim¸ dem Abyss¸ nach Harmundia beschwören und zur Erfüllung eines Wunsches zwingen. Sicherlich kein risikoloses Unterfangen¸ da stets eine Gegenleistung erbracht werden muß.
Doch nicht nur die direkte Gegenleistung erschwert das Leben eines Insirierten - jeder Kontakt mit den Kreaturen der Nacht oder der Maske hat permanente Folgen für seinen Körper und seine Seele. Damit erhält Agone eine Komponente¸ die dem Insanity-System bei Cthulhu nicht ganz unähnlich ist.
Jedes Wesen hat ein "Konto" für Dunkelheit und Korruption zwischen 0 und 100¸ das sich je nach Charakter langsam oder sehr schnell füllt. Wer sich mit den dunklen Mächten allzu häufig einläßt oder gar der Maske zuspielt¸ wird zwangsläufig als ihr Werkzeug gebrandmarkt.
Diese Veränderungen sind jedoch nicht nur negativer Natur¸ sondern machen das Wesen anfangs mächtiger. Ab bestimmten Grenzwerten wird es für das Wesen jedoch zunehmens schwerer von anderen Bewohnern Harmundias noch als "normal" akzeptiert zu werden oder gar als Kämpfer für die Musen aufzutreten. Die Spirale aus Dunkelheit oder Korruption wird sich dann immer schneller drehen und das Wesen¸ einem Strudel gleich¸ zu einer Kreatur der Nacht bzw. Maske machen. Ein seeeehr interessanter Aspekt für Powergamer¸ rechtzeitig den Absprung zu schaffen ... leider auch ein vergeblicher¸ da auch viele andere Gelegenheiten den Kontostand erhöhen können und den Abgrund herbeiführen.
Ein weiteres Bonbon sind die abgefahrenen Beschreibungen zu den Kreaturen und beeinflußten Lokalitäten der Kreaturen selbst.
Technisches
Wie schon eingangs erwähnt¸ gehört Agone optisch sicherlich zu den Top 10 der Rollenspiele. Illustrationen verschmelzen - auch inhaltlich - mit dem sehr atmosphärischen Text. Alle Seiten¸ aber auch in abgedunkelter Form die Tabellen und manche Textstellen¸ sind mit einem Pergamentmuster unterlegt¸ so daß das Seitenbild nie langweilig wirkt.
Für die 16 Archetypen spendierte man je eine Farbseite¸ die damit auch sehr vorbildlich genutzt wurden. Angenehm fallen auch die "Roleplaying Tips"¸ "Insider Infos" oder "How to play..."'s auf¸ die immer wieder mal den Textfluß auflockern.
Fazit:
Das Grundregelwerk Agone liefert ein sehr schönes Setting¸ das die Spieler in eine düstere Fantasy-Welt führt. Die Spieler dürfen ihre Charaktere durch eine teils nostalgisch-idyllische¸ teils marode-dämonische Spielwelt balancieren¸ wo das Böse unter jedem Stein stecken kann. Die heroische Aufgabe ist klar: rette Harmundia und begründe das Paradis auf Erden¸ das von den Musen einst geplant war. Wahrlich ein langer Weg¸ bei schwindender Heldenzahl.
Das System macht einen gut durchdachten und ausgewogenen Eindruck. Hier finden sich genügend Aspekte¸ die verschiedensten Ansprüchen gerecht werden dürften.
Von der technischen Seite her bekommt man ein solides Hardcover mit guten Illustrationen und tollem Layout.
Ich finde Agone klasse!
Eine Rezension von: Dogio http://www.drosi.de