Catan: Die erste Insel
1999-11
Catan: Die erste Insel
| Name: Catan: Die erste Insel Art: Computerspiel-Umsetzung des beliebten Preis: ca. 80.- DM
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Aua! Noch vor einem halben Jahr habe ich großspurig gesagt, daß eine Computerumsetzung des - in meinen Augen genialen - Brettspiels Die Siedler von Catan niemals an das Original heranreichen könnte; schlicht aus dem Grund, weil der Spielspaß hauptsächlich durch die Interaktion zwischen den Mitspielern erwacht. Und dann kam ich zur Essener Spielemesse und durfte mich eines Besseren belehren lassen. Ein Blick auf das Programm übertraf all meine Erwartungen. Nun, einige Zeit nach der Messe läuft das Spiel auf meinem heimischen Rechner und ich muß eiserne Disziplin walten lassen, um dieses zu Rezensieren und nicht wieder in eine stundenlange Spielsession mit meinen virtuellen Mitspielern zu verfallen... Dieses Spiel hat definitiv Suchtfaktor !
Doch fangen wir von vorne an. Der Name des "Ersten Bürgers von Catan" Klaus Teuber ist inzwischen in aller (Spieler-) Munde. Kaum eine verspielte Familie oder Clique, die nicht bereits einmal dieses faszinierende Brettspiel vor sich aufgebaut hat. Nur wenige konnten sich auf Dauer, dem Charme dieses Dauerbrenners entziehen. Als das Brettspiel 1995 zum Spiel des Jahres gewählt wurde, begann sein kommerzieller Erfolg und im Laufe der letzten Jahre wurden zahlreiche Erweiterungen veröffentlicht, die das Spiel noch interessanter machen und für Abwechslung sorgen.
Worum geht's bei den Siedlern ?
Catan ist eine Insel, die im Spiel durch eine Vielzahl aneinandergelegter Sechsecke (Landschaftsfelder) gebildet wird. Jedes diese Sechsecke hat eine bestimmte Landschaftsform, die auch dementsprechend einen unterschiedlichen Ertrag liefert. Aus den Bergen, kann man z.B. Erze fördern. Weizenfelder bringen Getreide, die Wälder das Holz, usw. Die Spieler errichten zu beginn des Spiels der Reihe nach zwei Siedlungen auf der Insel, die auf den Kreuzpunkten der Feldertrennlinien liegen darf. Im Optimalfall grenzt eine Siedlung damit an drei Landschaftsfelder, also drei Ertragsmöglichkeiten. Jedes der Landschaftsfelder wird durch eine Zahl zwischen 2 und 12 markiert. Im Spiel, darf jeder Spieler zu beginn seines Zuges zwei Würfel werfen und somit festlegen, welches der Landschaftsfelder ertragreich ist. Eine Siedlung, die an ein ertragreiches Feld grenzt, fördert für ihren Erbauer einen Rohstoff. Hat ein Spieler eine bestimmte Rohstoffkombination gesammelt, kann er damit neue Straßen bauen, um bislang unbesiedeltes Land zu erreichen. Problematisch ist dabei, daß eine Straße nur vom Erbauer benutzt werden darf und auch Siedlungen nicht beliebig dicht stehen dürfen und somit ein Rennen um die ertragreichsten Gebiete vorprogrammiert ist. Auch für den Bau einer neuen Siedlung oder den späteren Ausbau zu einer Stadt, werden Rohstoffe benötigt.Das Schönste bei Siedler ist der Handel. Der gerade aktive Spieler kann den Mitspielern eigene Rohstoffe zum Tausch anbieten, um selbst bestimmte Kombinationen (z.B. zum Bau einer Siedlung) zu erhalten. Ohne Handel, kann das Warten auf den "richtigen" Rohstoff, schon zur Quälerei werden - zumal ja auch noch der Räuber auf einen lauert und zu große Rohstoff Vorräte zum Risiko werden läßt. Beim Handel kommen auch die persönlichen Vorlieben und Bündnisse der Parteien untereinander ins Spiel. Liebespärchen helfen sich mit günstigen Tauschangeboten, mieslaunige Einzelspieler werden ignoriert und allzu erfolgreiche Spieler blockiert. Wer gar keine Freunde mehr zum Tauschen hat, kann aber immer noch auf die "Bank" zurückgreifen, die im ungünstigsten Fall im Verhältnis 4:1 tauscht. Durch den Wurf einer "7" oder den Einsatz einer (vorher erworbenen) Ereigniskarte "Ritter", kann man den Räuber ins Spiel bringen, der die Arbeit auf fremden Landschaftsfeldern zum Erliegen bringt und dem Auftraggeber zudem einen Rohstoff beschafft. Andere Ereigniskarten sorgen für schnelleren Straßenbau, größere Macht (Siegpunkte) oder verschaffen zusätzliche Rohstoffe. Die "7" hat einen weiteren Effekt für die Spieler: jede Rohstoffsammlung die größer als sieben Teile ist, wird zwangsweise halbiert. Auf diese Weise werden zu große Rohstoff-Anhäufungen bei Spielern vermieden. Ziel des Spiels ist es, möglichst schnell viele Siegpunkte (durch den Bau von Siedlungen und Städten) zu sammeln und die festgelegte Grenze zu erreichen. Die stärkste Rittermacht und die längste Handelsstraße, bringen einem Spieler zusätzliche Siegpunkte.
Zusatzboxen
Die Erweiterungen brachten neue Elemente ins Spiel. Durch den Bau von Schiffen können Gewässer überwunden und neue Inseln erreicht werden. Mit den Schiffen kam auch die Piraterie (Blockade und Raub zur See). Mit goldreichen Landschaften wurde es möglich beliebige Rohstoffe zu erwerben. Mit der Macht kam auch das Militär - Ritter wurden angeheuert, um die Städte zu schützen. Stadtmauern wurden errichtet und sogar Metropolen entstanden im Laufe der Zeit.Siedler von Catan wurde vor allem durch seine Mischung aus Strategie, Kommunikation und ausgewogenem Spielprinzip so erfolgreich. Ein bißchen "Mensch ärgere Dich nicht", ein wenig "Civilisation", später auch ein wenig "Risiko" ... das Rezept für dauerhaften Erfolg.
Die Computerversion
Nun, hat sich doch mit Ravensburger Interactive tatsächlich jemand getraut dieses erfolgreiche Spielprinzip aufzugreifen und ein Computerspiel daraus zu stricken. Wie bereits eingangs erwähnt, ist ihnen das sogar wunderbar gelungen. Jeder Siedler-Spieler wird die ihm bekannten Mechanismen liebevoll umgesetzt wiederfinden. Auf Knopfdruck kann man zudem in Bereiche des Spielfeldes hineinzoomen und den Bewohnern Catans bei der Arbeit zuschauen. Im Wald werden dann Bäume gefällt, auf Weiden Schafe gehütet und in den Bergen Erze gefördert. Vor dem, je nach Wahl mehr oder weniger detailreichen Spielfeld, ziehen transparente Wolken vorbei, und im Meer ziehen Fischschwärme und Piratenschiffe ihre Bahnen. Ist die Spielkarte mal größer als der Bildschirm, so kann man bei gehaltener rechter Maustaste bequem den Ausschnitt verschieben. Spezielle Aktionen, wie z.B. Vulkanausbrüche, wurden sehr ansehnlich in einem kleinen Film animiert. Dabei darf man auch die Intro nicht verschweigen, ein Filmchen bei dem sich dem geneigten Siedler-Fan vor Freude die Nackenhaare kräuseln.Bedienung
Am unteren Bildrand befindet sich das Spielermenü, wo man neben den Spielfunktionen (Optionen, Zoom, Statistik, Weltkarte, Spielende) auch die bislang erreichten Siegpunkte, Ereigniskarten und Rohstoffe einsehen kann. In einer Textzeile kann man die gerade getätigten Aktionen aller Spieler, noch einmal als Text nachlesen. Die Spielelemente lassen sich durch vier weitere Knöpfe anwählen: Würfeln, Bauen, Handel und Rundenende. Die Bedienung ist recht übersichtlich und Intuitiv. Verweilt man mit dem Mauszeiger auf einem Bedienelement, so erscheint eine Bezeichnung. Zu Beginn eines Zuges benutzt man die Würfel-Taste. Sofort hört man ein Würfelklickern und zwei schön animierte Würfel poltern über das Spielfeld. Die Verteilung der Rohstoffe übernimmt der Computer - auch diese "flattern" von den Landschaftsfeldern in den Rohstoffvorrat - sehr hübsch animiert. Fällt eine "7", so darf der Spieler den "Räuber" umsetzen, sich ggf. einen der angrenzenden Spieler aussuchen und kann dann, in einer nett gemachten Animation zuschauen, wie eine Horde bewaffneter Plünderer dem Vorrat des Mitspielers zu Leibe rückt.Hat man die richtigen Rohstoffe gesammelt, kann man mit dem Bauen-Knopf eine Auswahl der verfügbaren Bauten (Straßen, Siedlung, Stadt, Ereigniskarte, usw.) einsehen und auswählen. Der Handel mit Rohstoffen bedarf schon etwas Gewöhnung. Zuerst klappt man das eigene Handelsmenü auf, bestimmt die anzubietenden und gewünschten Rohstoffe (durch Doppelklick) und veröffentlicht dann sein Gebot. Die Mitspieler können dies akzeptieren, eigene Gegenangebote machen oder auch Ablehnen. Man kann sein eigenes Angebot anschließend erhöhen oder zurücknehmen. Hat man mehrere gleiche Rohstoffe, bietet sich ggf. auch die Bank zum Tausch an, was jedoch in der Regel sehr kostspielig ist.
Virtuelle Mitstreiter
Spätestens jetzt muß ich von den Mitspielern berichten, die immerhin beim Brettspiel einen großen Reiz dieses Spiels ausmachen. In der Computerversion werden sie durch KI (künstliche Intelligenzen) ersetzt, die in Form von verschiedenen Persönlichkeiten mit individuellem Aussehen, Stimme, Charakterzügen und Spieltaktik glänzen. Zudem steht jeder Charakter in drei Qualitäten (leicht, mittel, schwer) zur Verfügung, die sich auch äußerlich (z.B. durch ergraute Haare) unterscheiden. Mich hat sehr fasziniert, daß sich irgendwie jeder typische Siedler-Spieler, der mir in den letzten Jahren begegnet ist, wiederfand. Der blonde "Ich bin der Beste" Schönling, mit rasanten Sprüchen - ständig mit schönen Mitspielerinnen flirtend, der griesgrämige alte Sack - schnell mürrisch und immer geizig, die schöne Maid - ständig flirtend, Stimme wie Honig, die einem die besten Sachen mit Augengeklimper abschwatzt, usw. Insgesamt 8 Persönlichkeiten stehen zur Auswahl. Die Mitspieler sind dabei so hervorragend animiert, strotzen vor frechen (und manchmal auch geistreichen) Sprüchen (als Textblase und Ton) und gehen mindestens ebenso schlau vor wie der übliche menschliche Mitspieler beim Brettspiel. Ok, nachteilig ist natürlich (für Leute die auf so was angewiesen sind), daß hierbei alle Mitspieler die Regeln kennen und auch im Laufe des Abends nicht durch den Genuß von Alkohol an Spielstärke verlieren ...Als alter Zocker, ging ich in der Kampagne bei mittlerer Spielstärke generell als Sieger hervor, zumindest nachdem ich mit der Bedienung vertraut war. Erst die Spielstufe "schwer" brachte mir die notwendige Herausforderung. Natürlich ist Siedler immer auch eine Sache des Würfelglücks. Die Kampagne teilt sich in mehrere einzelne Missionen, die die bereits vom Brettspiel bekannten Szenarien der verschiedenen Boxen mit einer Geschichte verbindet. Wenn man erfolgreich ist, darf man zur jeweils nächsten Mission wechseln. Je nach Mission kann auch die Zahl der Mitspieler wechseln, meist sind es zwei oder drei, so daß man insgesamt bis zu 4 Spieler am Spielfeld vereinigt. Es lassen sich jedoch auch große Szenarien mit bis zu 6 Spielern auswählen. Es ist eine Freude wenn sich die Mitspielerfiguren "aus dem Bildschirm" lehnen, um mit einem zu sprechen. Dabei ist auch programmtechnisch sehr wichtig, daß die Sätze der Spieler zeitlich parallel ausgesprochen werden (zeitsparendes Stimmengewirr). Gerade beim Handeln, kann dadurch ein hektisches Durcheinander auftreten, wie man es vom Brettspiel her kennt. Positive und negative Antworten (wie auch alle anderen Sprüche) kann man per Maustaste aktivieren. Eine gedrückte rechte Maustaste auf einem Personenbild aktiviert das Kommunikationsmenü mit einer Auswahl von ca. 50 Sätzen, die sich wiederum in Kommunikation ("Nein, ich habe diesen Rohstoff gar nicht!"), Belobigungen ("Ich mag Euch"), Beschimpfungen ("Ihr seid doch ein #") und simple Gefühlsbetonungen ("SUPER!") unterteilen. Ob Komplimente wirklich für bessere Handelsbeziehungen sorgen, kann ich nicht recht beurteilen, genau wie die Plazierung von Beleidigungen ebenfalls kaum zum Handelsboykott führt. Dagegen bringt ein klarer Siegpunktevorsprung (wie er bei mir häufig eintrat) garantiert Mißgunst, Beleidigungen und absolute Ignoranz beim Handeln ein. Aber das entspricht ja durchaus auch dem Verhalten normaler Mitspieler aus Fleisch und Blut.
Außer dem menschlichen Einzelspiel, stehen optional das Netzwerk-Spiel (lokal oder Internet, ein kostenpflichtiger Netzwerkserver für das Spiel mit ‚Fremden' steht im Internet bereit) oder das Party-Spiel (bis zu 6 Spieler vor einem Rechner). Sehe ich die Netzwerk-Option noch als sinnvoll an, würde ich auf die Party-Option wohl nur in absoluten Notfällen (Notebook auf Reisen ?) zurückgreifen, da mir in lustiger Runde das Brettspiel allemal mein Favorit bleiben wird.
Die opulente Box enthält neben CD im Jewelcase auch eine 70 A5-Seiten starke Anleitung mit farbigem Cover, die neben sehr gut illustrierten und qualitativ hochwertigen Texten auch eine Tastatur-Belegung, Kurz-Spielhilfe und farbige Baukostentabelle enthält. Der Anleitung hätte vielleicht noch ein alphabetisches Stichwortverzeichnis gut getan, aber wer braucht letztendlich schon eine Anleitung ? :-).
Fazit:
Catan: Die erste Insel ist eine gar göttliche Umsetzung des Brettspiel-Klassikers. Begeisterte Siedler-Spieler finden hier die ideale Abwechslung für einsame Abende. Die Umsetzung ist hervorragend gelungen, auch wenn der Schwierigkeitsgrad seine Grenzen hat (aber die hat man bei einer menschlichen Runde auch). Die Computer-Mitspieler liefern einen guten Ersatz für menschliche Pendants und gehen einem auch mindestens ebenso auf die Nerven. Ein klarer Fall für den MD-Top !!!
Dogio the Witch |