SEX im Rollenspiel !?
1999-07
SEX im Rollenspiel !?
Hiya! Angesichts einer längeren Diskussion per Telephon¸ die ich letztes Wochenende geführt habe¸ dachte ich eine kleine allgemeine Anfrage zu posten: Wie handhabt ihr Liebe & Erotik im RPG?
- Mit Liebe tu'n meine Mitspieler und ich uns recht schwer (alles Männer ;-)¸ Erotik geht da schon eher. [Martin Volkmann]
- Na wie wohl...
Spieler (im Chor¸ grölend) "Ausspielen! Ausspielen!"
Scherz beiseite...
Was die Grenzen angeht: Ein detailliert beschriebener Coitus ist sicher ebenso falsch wie die Angewohnheit einiger Meister¸ das ganze in einem halben Nebensatz abzufertigen.
- Meist. Wer sowas will¸ mag ins MUSH gehen. Naja¸ jedenfallsdann¸ wenn er der passenden Sprache dafür mächtig ist. [Cristalle 'Azou' Sabon]
Am besten¸ man handelt nach Filmmanier; andeuten¸ das dann aber heftig. Ein paar schwülstige Sätze aus dem letzten Herzschmerz-Roman (...du windest dich behaglich in seinen muskulösen Armen...) wirken wunder. Wenn es den Spieler/die Spielerin zu sehr irritiert¸ dann läßt man es eben...schade. Sein/Ihr Verlust.
Nun zum Thema:
Char: "Machen wir's¸ wie es mein Spieler gerne hat?" [DerSchatten]
Position 1: "Ich spiele einen Wickinger (Midgard) und schmeiße bei unseren regelmäßigen Besäufnissen deswegen mit Frauen¸ Schweinen und Äxten um mich. Ist ja auch historisch halbwegs korrekt. Wenn ich meinen mittelalterlichen Paladin (AD&D) spiele¸ dann schalte ich eben auf 'Ritterlichkeit' um."
- Meiner Meinung nach ist es die beste Position¸ es am Charakter festzumachen. Mein ShadowRun-Charakter z.B. ist ziemlich vercybert¸ hat daher nur noch wenig Essence und sollte daher dem 'normalen' Leben schon etwas entrückt sein ; er hat daher mit dem schönen Geschlecht wenig am Hut. Wieso gibt's in all den Zubehörbänden (Cybertech¸ Biotech¸ usw.) eigentlich kein Zubehör für diesen Bereich? :-) [Martin Volkmann]
- Um dem anderen Geschlecht zu zeigen¸ daß man nicht so ein seelenloser Chromklotz ist. Da gibt es im Chromebook einen Chip¸ der unter anderem das Kama Sutra mit Zillionen Stellungen enthält und eine komplette 128-zeilige Database¸ die alles enthält was man 'währenddessen' sagen sollte... man muss das dann nur noch vom Marquee-Interface ablesen. [Clemens Schmitz]
- Hm; "Nicht so schnell¸ ich kann nicht lesen was da steht....ach ja¸ hier...ääh¸ deine Brüste gleichen Granatäpfeln..."
Zu einem echten Hengst(tm) gehört mehr¸ aber...
...in Verbindung mit Körperformung¸ einem 'Dauerbrenner'-Implantat und etwas Geschick könnte man so der ultimative Cybergigolo werden...dazu etwas 'Nymph'-Pheromonparfum¸ um das Opfer in Stimmung zu bringen und ein Verhütungsimplantat¸ damit man sich vor Alimentezahlungen dr&uumml;cken kann...
DAS wäre doch mal ein Charakter!
Die Straßen des Jahres 2020 mögen kalt sein Bruder¸ aber die Betten sind es sicher nicht! [DerSchatten]
- Das setzt entweder einen sehr guten (Schau)-Spieler oder eine sehr flache Characterisierung voraus¸ wie ich sie in einem One-Shot erwarten würde.
Zumindest über Kampagnenlänge könnte ich das so nicht glaubhaft und konsequent durchhalten¸ außer die Gruppe legt überhaupt keinen Wert auf charakterliche Tiefe. [Clemens Schmitz]
Position 2: "Da in meinen Charakteren immer etwas von mir drinsteckt¸ sind sie in dieser Beziehung immer stark von MIR abhängig. Deswegen tendieren sie in diesem Punkt zu analogen Verhaltensweisen."
- Ich würd' ja meinen Character nicht alles machen lassen¸ was ich mag! Als ich jemandem nach einer ShadowRun Shamanen-Party einen Tip gab'¸ wie er die Haare wieder von der Zunge kriegt¸ hat mich einer der Mitspieler angeschaut¸ als käme ich aus einer anderen Welt (dabei ist dieser Tip ganz harmlos¸ ich hab's bei einer recht unerotischen Tätigkeit entdeckt¸ ehrlich :-) [Martin Volkmann]
- Wobei 'tendieren' für mich hier das wichtig Wort ist. Selbst wenn die Konzeption vom Ursprung her anders ausgelegt ist¸ wird im Laufe der Kampagne mein Spiel den Charakter beeinflussen und umbilden. Dabei kann ich sozusagen gar nicht vermeiden¸ daß Züge von mir durchscheinen. [Clemens Schmitz]
- Hmm...das ist dann eher das Problem guter Rollenspieler/schlechter Rollenspieler. Ein guter Rollenspieler (bzw. das was ich für Gut halte¸ bevor mir da wieder jemand 'nen Strick daraus dreht...) sollte sich soweit von sich selbst lösen können¸ das er auch jemanden/etwas spielen kann¸ was sich vollkommen von ihm selbst unterscheidet. Dann kann man auch die sexuellen Vorlieben dem Charakter anpassen...
- Wohl. Nur gibt es¸ so doof sich das anhört¸ auch da keine Ausnahme von meiner "solide Recherche ist die Basis jeden Charakterdesigns"- Faustformel. Als eine die MUSHt (und auf den MUSHes reißen die Leute sexuell generell eher vom Leder¸ da das ganze doch anonymer als die durchschnittliche RPG-Runde ist) weiß ich¸ wie lästig es ist¸ wenn sich Leute weit aus dem Fenster lehnen¸ indem sie ihren Charakteren Vorlieben geben¸ von denen sie nicht die geringste Ahnung haben - denn das merkt man¸ selbst wenn man bei ihren Sex-Szenen nicht dabei ist (was wohl der Normalfall ist :)). [Cristalle 'Azou' Sabon]
- Und was spricht gegen eine tiefschürfende Recherche im interesse der Charaktergenerierung?
- Überhaupt nichts. Im Gegenteil¸ das war meine Rede¸ "wenn jemand sötwas spielen mag¸ möge er oder sie gefälligerweise passend recherchieren." War offenbar nicht ganz klar formuliert. Huch¸ haben wir Konsens?Wir? Mein Weltbild! [Cristalle 'Azou' Sabon]
Ist ja zu Zeiten der globalen Vernetzung kein großes Problem¸ und außerdem eine tolle Entschuldigung für Schweinekram auf dem Rechner (Das ist keine Pornographie! Ich RECHERCHIERE!!!!) [DerSchatten]
- "Schweinkram" und Pornographie haben wahrscheinlich eine Schnittmenge¸ sind aber¸ so wie ich "Schweinkram" verstehe¸ nicht daßelbe. :) Sexuell aufgeklärt zu sein ist im übrigen natürlich nicht verwerflich. [Cristalle 'Azou' Sabon]
Schlechte Rollenspieler (falscher Ausdruck...trifft auch auf Unerfahrene zu¸ und kann mit deren Unerfahrenheit entschuldigt werden) spielen sich selbst¸ nur eben größer/stärker/besser. Aber es sind im Kern immer noch sie selbst¸ und in solchen "unmöglichen" Situationen (tja¸ ist halt Sex in der Öffentlichkeit¸ irgendwie...) tun sie wahrscheinlich das¸ was sie selbst auch tun würden. Das erklärt analoge Verhaltensweisen. [DerSchatten]
Position 3: "Ich bin schwul¸ also meine Charaktere auch. Wer sagt außerdem¸ daß mein Elf (Rolemaster) nicht ein mittelalterlicher S&M-Fetischist sein kann?"
- Wäre vielleicht mal ganz witzig¸ die 'andere Seite' zu spielen¸ obwohl das in's Klischeehafte abrutschen kann¸ wenn Erfahrungen fehlen ;-) [Martin Volkmann]
- Woher kriegt dieser Character denn seinen Spielspaß? Aus den Spielelementen (Würfelorgien...) und aus dem sozialen Zwischenspiel in der (gleichgeschlechtlichen) Gruppe? Ich kann mir keinen 'richtigen' Character vorstellen¸ der ernsthaft asexuell wäre. Zumindest keinen menschlichen. [Clemens Schmitz]
- Bekannter Dork-Towers Comic: "Do you think dark elven chicks dig black leather? He¸ das ist das gleiche wie Punkt zwei. Er orientiert sich an sich selbst¸ daher ist es für ihn ganz natürlich¸ das sein Charakter schwul ist. Unerfahrener Rollenspieler.
Wenn er das freiwillig tut (weil sein Char eben schwul ist und er das für einen tollen Gag hält)¸ dann ist das seine Entscheidung. Eventuell ergibt das gutes Rollenspiel. Ich diskriminiere ihn deswegen nicht (das erledigen dann schon NSC¸ denen das nicht paßt...) [DerSchatten]
- Oder umgekehrt. Wer sagt Dir¸ daß auf einer Welt Homos diskriminiert werden und nicht Heten? If you assume... [Cristalle 'Azou' Sabon]
- Wenn Heten diskriminiert werden¸ dann solltest du besser eine überzeugende Erklärung für Nachwuchs haben...solche Systeme sterben nach ca. 60 Jahren an der Überalterung... [DerSchatten]
- Das würde dann unter "Notwendigkeit" abgehandelt. Oder meinetwegen unter "Prolligkeit." Selbst in unserer Welt gelten die homosexuellen Männer ja als gebildete (Zusammenhang? Vielleicht haben die anderen mehr Probleme¸ sich zu akzeptieren?)¸ luxusverliebte¸ verspielte und zahlungskräftige (keine Familien/Kinder¸ gute Jobs wg. 1.) Zielgruppe¸ und damit als quasi-urban. Darauf ließe sich sicher aufbauen. Zumal unsere und die meisten NF-Welten an Menschen keinen Mangel leiden¸ es wären also homosexuelle Eliten denkbar. Die könnten dann wahlweise auch Kinder adoptieren¸ die ja in ausreichender Zahl vorhanden sind. Ich weise in diesem Zusammenhang auch auf das Modell hin¸ daß man den alten Griechen oft unterstellt. Möglichkeiten gibt es wohl. [Cristalle 'Azou' Sabon]
Position 4: "Im realen Leben ist die ganze Chose schon kompliziert genug. Ich habe keine Lust auf Beziehungsstreß im RPG. Scheiß' auf das realistische Spiel¸ mein Charakter ist asexuell."
- Hm? Zeit einen Psychiater aufzusuchen...ich hatte in den letzten 8Jahren keinen Spieler¸ der NICHT auf die üblichen "Schöne-Maid"-Nummern angesprungen wäre. Oder eben das "Schöner fremder Mann" - Äquivalent.
- Wie lief denn das ab? Ich kenne (im "normalen" RPG)einigeSpieler¸ die sich freuen¸ wenn sie (qua Nebensatz :)) "scoren" und wieder eine Kerbe in den Bettpfosten machen können¸ aber keinerlei Ambitionen haben¸ eine love-story (durchaus im sub-plot) auszuspielen. Das hätte ja mit Gefühlen zu tun. [Cristalle 'Azou' Sabon]
- Ich prügle meine Spieler so lange¸ bis sie mir eine Hintergrundstory von wenigstens 3 Seiten abliefern¸ da sollte man besser überzeugend Gefühle faken können... Außerdem¸ wenn sie es schaffen¸ durch gutes Charakterspiel einen NSC ins Bett zu ziehen (originelle Anmache¸ und da habe ich hohe Ansprüche...hinterherrennen und "Erektion!" brüllen reicht da nicht...) kann es genausogut vorkommen¸ das der NSC am Charakter klebt...ist mehr als einmal passiert... Außerdem sind Lovestories tolle Aufhänger für ein Abenteuer...wenn ich die Freundin des Chars entführe oder sie Drogenabhängig mache¸ dann ist er wenigsten motiviert den entsprechenden NSCs in den Hintern zu treten... [DerSchatten]
Doch¸ einen¸ aber der war tatsächlich in psychiatrischer Behandlung...
Falls er einen Char spielt¸ der Frauen oder einfach nur die Gesellschaft von Menschen nicht mag¸ dann ist die Einstellung O.K.¸ sofern er einen vernünftigen Grund dafür in seinem Hintergrund vorweisen kann...
Ich darf mal an Emil Dremmond aus Operation Rimfire erinnern; der hatte nichts¸ aber auch gar nichts für Menschen übrig. Und da man seine gesamte Familie vor seinen Augen abgeschlachtet hat¸ war das auch durchaus nachvollziehbar... [DerSchatten]
Kommentare¸ fliegende Chakrams¸ Erfahrungsberichte¸ Ideen? :-)
- Erfahrungsbericht? Na gut. Oben genannter SR-Charakter hatte nur eine Möglichkeit¸ an Informationen zu gelangen. "Na¸ wenn's denn sein muß?". Aber ihm fiel es noch schwerer als sonst¸ weil der Raum mit Fotos von Leichen 'verschönert' war. Die Dame (Anführerin einer Gang) war echt krank!
SL (zu anderem Spieler):"Was machst Du solange?"
Sp:"Ich unterhalte mich mit dem Türsteher."
SL:"Worüber?"
Sp:"=DCber's Wetter."
SL (entsetzt):"Ne dreiviertel Stunde lang???"
[Martin Volkmann]
Gru߸
[Alex W.-Ribeiro]
- Das hängt bei mir vom Rest der Gruppe ab. Ich habe mal einen notgeilen Elfen gespielt¸ der sich auf alles gestürzt hat was nicht schnell genug die Bäume rauf kam. Auch immer brav abends beim lagern Liebesbriefe geschrieben und so. Allerdings war der Rest der Gruppe eher so'n wenig machomäßig drauf mit blöden Kommentaren und so. Deshalb habe ich das nach 3 Abenden aufgegeben. Mutlosigkeit? Ja bestimmt. Der Speilleiter hatte auch nicht genug drauf um die anderen zur Ordnung zu rufen. Hätte vielleicht schon gereicht dem Elf den einen oder anderen Vorteil durch seine Liebschaften zu verschaffen¸ damit die anderen auch auf den Trichter gekommen wären. So war es nur nervig. Peter z. Zt. asexueller Krieger [Peter Strietzel]
- Welche Rolle spielen solche Beziehungen überhaupt in den Kampagnen?
In meiner ersten DSA-Kampagne (ja¸ damals war ich noch klein) spielte das so gut wie keine ernsthafte Rolle. Gegen Ende ergab sich dann so langsam die Situation¸ daß einer der Spieler mit einer eigens dazu vorgesehenen NPC eine Beziehung anfing¸ das funktionierte ganz gut. Dabei blieben Details immer ganz vage¸ da der Spieler und ich als SL beide männlich waren und wir beide auch nicht vor der Gruppe 'Szenen' ausspielen wollten. Man bedenke¸ daß wir von einem Alterslevel von ca. 16-18 sprechen und das ganze nicht lächerlich wirken sollte. Hat es dann auch nicht.
Inzwischen sind unsere Gruppen a) gemischtgeschlechtlich und b) mit 'reiferen' Spielern besetzt¸ so daß ein solches Vorgehen sicherlich merkwürdiger aussehen würde. Aber ein Ausspielen solcher Situationen halte ich immer noch für unangebracht. Ich stehe da auch auf dem Standpunkt daß Sex außer für die Beteiligten ziemlich langweilig ist.
Wie die Spieler die Beziehungen in der Gruppe untereinander gestalten ist natürlich überhaupt nicht meine Sache¸ solange sie nicht in endlose Egotrips verfallen und den Rest der Gruppe langweilen. [Clemens Schmitz]
Gesammelt und aufbereitet durch
Dogio the Witch |