Der Taupir
1999-05
Der Taupir
Fantasyhorrorkomödie
Ist er eine Legende des Grauens¸ ein Hirngespinst¸ eine Phantasiegestalt¸ oder ist er mehr als eine bloße Erfindung? Wäre ich nicht ein Eingeweihter¸ würde ich sagen: er ist nichts als eine Schauergestalt¸ mit der man Kinder dazu bringt¸ ihren Meerrettich aufzuessen¸ aber ich weiß es besser.
Ich bin einer der wenigen¸ die jemals einen Taupir sahen und mit dem Leben davonkamen. Seit jenem Tag kann ich kaum noch ein Auge schließen ohne daß mich Alpträume plagen.
Damals hatte mir ein Jäger am Lagerfeuer zuerst von diesem Monster erzählt¸ es war eine richtige Schauergeschichte und zuerst glaubte ich auch nicht¸ daß mehr dahintersteckt¸ aber irgend etwas tief in mir glaubte an ihm¸ dem Wolf im Schafspelz. Die Gestalt die sich ihren Opfern als harmlose Taube nähert¸ sich dann aber als das zeigt¸ was sie wirklich ist: Ein Monster ohnegleichen. Ein Wesen das dich in der Einsamkeit überrascht und dich tötet¸ ohne eine Spur mehr als die blasse Erinnerung deiner Freunde daran¸ daß es dich einmal gab¸ zurück zu lassen. Ich habe darüber gelacht als der Jäger erzählte¸ daß es ein solches Wesen wirklich gibt und das ihm nur mit Meerrettich oder Geiereiern beizukommen sei.
Als er dann sagte¸ daß ich dem Taupir gleich nach seiner Verwandlung den Meerrettich ins Herz rammen sollte¸ habe ich beinahe vor lachen aufgeheult.
Aber je weiter die Geschichte ging¸ desto unbehaglicher wurde mir zumute. Ich konnte in der Nacht nicht schlafen¸ denn in den Augen des Jägers war nicht die Spur von Spott¸ die man normalerweise bei Leuten sieht¸ die eine solche Geschichte erzählen.
Nein¸ er sah todernst aus und in seinen Augen schimmerte eine tiefe Furcht¸ so¸ als glaube er wirklich an das Wesen¸ von dem er erzählte. Ich versuchte mir einzureden¸ daß ich mir diesen Ausdruck in den Augen nur Eingebildet habe. Aber ich wußte¸ das dem nicht so war. Also lief ich fortan nur noch mit Meerrettich in der Tasche umher. Den Tauben ging ich aus dem Weg¸ und ich vermied die Einsamkeit. Dann kam der Tag¸ der mein ganzes Leben verändern sollte.
Der Jäger war schon vor drei Wochen weitergezogen. Ein Freund von mir wurde sterbenskrank¸ und ich sah keine andere Möglichkeit ihm das Leben zu rettenals des Nachts durch den düsteren Wald zu wandern¸ um die Frau aus den Nachbardorf aufzusuchen¸ der man heilende Hände nachsagt. Am Morgen brach ich auf und wanderte den ganzen Tag durch¸ immer die Augen auf den Himmel gerichtet. Meine Schritte wurden immer schneller. Obwohl ein kühler Wind wehte¸ war mir hei߸ ich sah mich immer wieder um.
Die Sonne zog ihren gewohnten Kreis und das Tageslicht wich langsam der Dämmerung. Ich wurde immer unruhiger und meine Schritte immer schneller. Ich rannte schon fast¸ und ich spürte meinen Herzschlag bis in den Hals.
Es wurde immer dunkler. Der Nebel stieg langsam vom Boden empor und legte sich wie ein Leichentuch über den Weg. Dann hörte ich das Geräusch. Unheimlich schallte es vom Blätterdach hinunter: "RRRRUUUUHH RRRRUUUUUHHH".
Ich blieb wie angeewurzelt stehen. Mein Herz raste¸ und ich blickte mich furchterfüllt um. Dann sah ich direkt über mir eine Bewegung und hörte den lauten¸ abgehackten Flügelschlag der Taube. Das Biest stieß hernieder und setzte sich in einiger Entfernung vor mir auf den Weg. Mein Herz krampfte sich vor Angst zusammen und ich schrie die Taube an. "Verschwinde du Bestie¸ laß mich in Ruhe .... ich habe keine Angst vor dir". Ich hörte wie meine Stimme immer leiser wurde und schließlich nicht mehr als ein Krächzen war¸ doch das Tier bewegte sich nicht. Dann geschah es. Die Taube veränderte sich. Es begann bei den Augen¸ sie bekamen einen leicht gelblichen Schimmer. Es gab nur noch einen Gedanken¸ "bloß weg hier"¸ doch die Beine versagten mir den Dienst.
Die Taube wuchs. Sie wurde immer größer und größer. Ihre Form veränderte sich¸ sie ähnelte mehr und mehr einem 2 Meter großen Menschen.
Aber diese Augen¸ diese Augen¸ einfach schrecklich. Die Arme waren dicker als die des stärksten Menschen und statt Hände hatte es diese schrecklichen Klauen. Flügel die jeder Beschreibung spotten wuchsen ihm aus dem Rücken und er wurde von Sekunde zu Sekunde schrecklicher. Ich wollte schreien¸ meinen inneren Druck loswerden¸ konnte es aber nicht.
Es war eine grausame Folter. Mein Herz raste immer schneller. Umdrehen¸ wegrennen nichts ging. Meine Seele schrie auf versuchte meinen Körper zu aktivieren¸ mich zum laufen zu bringen aber ich stand bereits unter den Bann des Dämons.
Ich brach in die Knie¸ Tränen rannen über mein Gesicht. Die Angst wurde immer größer. Langsam kam der Taupir auf mich zu. So unendlich langsam. Schritt für Schritt¸ der Tod in Person kam auf mich zu und ich konnte mich nicht einmal wehren. Dann veränderte sich sein äußeres noch einmal.
Und von einer Sekunde auf die andere stand ein anderer vor mir. Und das was ich sah¸ war viel schlimmer als alles¸ was ich mir vorstellen konnte. Der Taupir verwandelte sich in einen Jäger¸ in den Jäger¸ der mir die Geschichte vom Taupir erzählte¸ und ich sah den Spott in seinem Auge.
Er lachte mich aus. Und kam näher. "Du wolltest mir nicht glauben¸ du hast über mich gelacht und nun? Nun liegst du da und bettelst innerlich um dein Leben. Wie fühlt man sich so kurz vor seinem Tod? Dein Tod wird schrecklich sein¸ denn ich werde ihn vollstrecken". Die Gefühle welches diese Worte in mir auslösten¸ sind unbeschreiblich. Der Herzschlag beruhigte sich und wurde immer langsamer in mir breitete sich eine Leere aus¸ die nie wieder weichen sollte. Ich konnte nicht mehr denken und jedes weitere Wort das er sprach¸ hallte verzehrt in meinem Kopf wieder¸ ohne das ich in ihm eine Bedeutung erkennen konnte.
Er lachte nochmals und begann damit¸ sich zurückzuverwandeln. Ich hatte mit meinem Leben abgeschlossen und wartete auf den Tod. "Warum tötet er mich nicht endlich¸ warum quält er mich mit seinem Anblick. Ich wollte um Hilfe rufen¸ einfach schreien aber mehr als ein klägliches wimmern kam nicht über meine Lippen. In mir war noch immer diese tiefe Leere. Der Nebel verdichtete sich und irgendwo in weiter ferne hörte ich den einsamen klagenden Schrei einer Eule. Dann erscholl eine Stimme laut wie ein Donnerschlag und in einem Blitz aus hellem Licht und unglaublicher Hitze erschien eine Gestalt. "SEEETH DU DÄMON¸ ENDLICH HABE ICH DICH! DU WIRST NIE WIEDER MEINE GESTALT ANNEHMEN¸ UM DEINE OPFER ZU QUÄLEN!". Der Taupir wand seinem Blick von mir und zuckte zusammen als er die Gestalt erkannte. Auch ich sah sie¸ denn der Taupir hielt mich nicht länger in seinem Bann. Es war jener Jäger¸ der mir die Geschichte einst erzählte¸ bewaffnet mit einem weißglühenden Stab und umgeben von einer Aura des Lichtes. Ich konnte mich endlich wieder bewegen und meinen Instinkten folgen. Ich rannte weg¸ ohne Rücksicht auf irgendwas.
Ein unmenschlicher Schrei durchbrach die Stille und begleitete meine Flucht. Ich fiel hin¸ ein Schmerz zuckte durch meine Schulter aber ich nahm alle Kraft zusammen und torkelte weiter. Am Morgen erreichte ich einen Fluß mit kalten und klaren Wasser¸ auf dem sich die Sonne spiegelte. Ich kroch zum Ufer¸ erreichte das Wasser und fiel in eine tiefe Ohnmacht.
Das war der Tag¸ an dem sich mein Leben änderte. Nachdem ich aus meiner Ohnmacht erwacht war¸ ging ich zum nächsten Dorf. Dort erzählte ich meine Geschichte. Wen wundert es¸ daß ich ausgelacht wurde.
Ich erzählte der Heilerin von meinem Freund¸ der krank darniederliegt¸ und sie machte sich auf dem Weg zu ihm.
Sie kam niemals an.
- Ende dieser Geschichte -