MORPHEUS 8
1998-03
MORPHEUS 8
Convention der GFR¸ 30.01. - 01.02. in Herne
und das Problem der (fast) reinen SpielCons
Wir hatten uns gefreut: seit Monaten keine Cons mehr (auch die Spielemesse ist schon drei Monate her) und jetzt bietet sich dieser Con an: Morpheus 8 vom GFR Herne im drotigen Spielezentrum. Also ging es dann auch los¸ halb zehn am Samstag Vormittag machten wir uns auf den Weg in eine Gegend¸ die wir sonst eigentlich nie so besuchen: Herne ("Wo ist das denn?" - "Irgendwo hinter Essen.").
Das Spielezentrum war sehr schnell gefunden¸ so dass wir um ca. 11 Uhr ankamen und uns in dem Gebäude umsahen. Am Eingang begrüßte uns natürlich erst die Kasse: 5 DM + 1DM Pfand für ein Ansteckschildchen sind wirklich günstig. Auf den Tischen bei der Kasse war reichlich Infomaterial der GFR ausgelegt¸ Flugblätter zum Mitnehmen. An einer Pinnwand konnte man sich als Spieler für angekündigte RPG-Runden eintragen. Allerdings waren alle Runden schon restlos ausgebucht - vermutlich schon seit dem Vortag. Reges Treiben lief um uns herum (jedes zweite trug einen GFR-Anstecker) und ein wenig allgemeiner Mißmut machte sich breit¸ eben weil keine Spielerplätze mehr frei waren (im Durchschnitt konnten 5 Spieler an einer Runde mitwirken).
Vom Eingangsbereich aus ging es einmal zu dem Tabletop-Raum¸ in dem sich eben solche Fans ihre heißgeliebten Schlachten mit lustig kleinen Miniaturen leisten konnten. Einen zweiten Raum teilten sich eine Bar¸ die für Rollenspieler-Spezialnahrung sorgte (z.B. Chips und Cola) und ein Verkaufsstand¸ der die übliche Standard-Auswahl bot: ein wenig hiervon und davon¸ ein paar Miniaturen¸ aber haufenweise World of Darkness - Regelwerke und Sourcebooks sowie eine ganze Kollektion aus Vampire-T-Shirts.
Überhaupt schien die World of Darkness an diesen drei Tagen in Herne zum Boom geworden zu sein. Gleich mehrere Runden beschäftigten sich mit Vampire (Originalton eines Besuchers: "Ihr wollt doch nicht AUCH Vampire spielen?? ALLE spielen hier Vampire! Warum denn nicht...")¸ mindestens eine Werewolf-Runde und eine Crossover-Runde waren ausgeschrieben¸ und sicherlich sind noch weitere "Spontane" dazugekommen¸ die sich nicht angemeldet hatten. Einziges relativ unbekanntes Spiel war Space 1889¸ das wir schon auf dem NordCon getestet hatten - sollte es der gleiche Spielleiter sein? Es sollte! Aber leider erst am Sonntag. Schade¸ denn das war das einzige Spiel¸ bei dem sich noch Spieler eintragen konnten. Und bis Sonntag wollten wir nicht bleiben. Diejenigen¸ die aber doch ein oder sogar zwei Nächte in Herne verbracht haben¸ um an zwei oder mehr Tagen ihrem gemeinsamen Hobby zu fröhnen¸ wurden in einer Sporthalle untergebracht¸ wie mir ein Schildchen an einer der Wände im Treppenhaus mitteilte.
Naja¸ ein wenig der Hoffnung beraubt¸ bei einer Gruppe Anschluß und etwas aufregend Neues zu finden¸ machten wir uns auf den Weg die Treppe hinauf und schauten uns mal in den Räumen um¸ die allesamt dem Rollenspiel gewidmet waren. Gut fand ich als Nichtraucher¸ dass man die Räume in "Raucher- und Nichtraucherzonen" aufgeteilt hat - obwohl die freie Wahl wohl nicht so gegebben war: ist der Spielleiter Raucher¸ haben die anderen wohl Pech gehabt¸ denn dann wurde natürlich bei den Rauchern gespielt¸ aber es war eine gute Idee.
Deutlich zu merken war aber¸ dass sich die Gruppen schon fest zusammengeschlossen hatten. Teilweise hatte ich das Gefühl¸ das wir vier eher als "Eindringlinge" angesehen wurden¸ die da störend auf die Bücher der Eingeborenen stierten¸ um herauszufinden¸ was dann da gespielt wurde. So fanden wir also nirgends einen Spielleiter¸ der einem aus der Misere helfen und uns sein Abenteuer nahebringen konnte. Da dieser Zustand anhielt¸ zogen wir uns schließlich selbst in "die Nische" zurück und probierten mal etwas ganz Neues aus: Rollenspiel ohne Würfel und System¸ freie Charaktere. Die Idee war mir gekommen¸ als in mir in Anbetracht der Lage¸ kein Regelwerk zur Hand zu haben¸ das Konzept von Chronosaurus einfiel¸ das auf ebensolchem freien Spiel basiert. Da niemand wusste¸ in welcher Welt wir spielen¸ hatte jeder einen Charakter¸ der einfach nicht zu den anderen passen konnte: ein Gladiator aus einer postapokalyptischen Welt¸ einen Fantasy-Zwergenkrieger und eine Automechanikerin des zwanzigsten Jahrhunderts. Es stellte sich heraus¸ dass eine solche Gruppe auf Squornhöllisch-Zeta genau richtig plaziert war und es gab eine Menge Spa߸ bis mir die Ideen ausgingen. Aber man kann sagen: diese Art des Spiels fördert wirklich das eigentliche Rollenspiel und jeder sollte das mal probieren - wenn auch vielleicht mit einer vorgegebenen Spielwelt und einem vorbereiteten Abenteuer.
Danach sahen wir noch immer keine Chance¸ irgendwo einzusteigen (schon garnicht zu viert)¸ also sind wir schon um 13 Uhr wieder abgezogen.
Alles in allem kann man der GFR Herne meine geringe Begeisterung am Morpheus wirklich nicht anhängen. Der Con war in Ordnung. Gut organisiert und mit genügend guter Umgebung fürs Rollenspiel. Was mich stört ist der reine Spielecon an sich.
Es ist doch so: jeder zehnte der Besucher (wenn überhaupt) nimmt sich vor¸ als Spielleiter an der Convention teilzunehmen und von diesen¸ bringen die meisten schon den Großteil der dann mitspielenden Spieler selbst mit - aus der eigenen Gruppe. Dadurch ist die Möglichkeit¸ als Gruppe ohne Spielleiter an einen ebensolchen zu kommen¸ praktisch nicht vorhanden. Natürlich ist es so¸ dass man dann halt nicht ohne Abenteuer auf eine Con fahren sollte¸ bei der es nur ums Spielen geht - das haben wir jetzt auch gelernt und wir haben uns vorgenommen nicht noch einmal mit dem Grundgedanken "Nö¸ ich möchte auch mal Spieler sein" zu einer hinzufahren.
Aber Sinn und Zweck einer solchen Zusammenkunft ist es doch¸ etwas Neues kennenzulernen. Neue Spieler¸ neue Spielleiter und damit neue Spielweisen und Abenteuerideen und -aufmachungen. Das ist zumindest der Grund¸ der mich dazu bringt¸ an einer Con teilzunehmen. Wie soll das aber geschehen¸ wenn die Spielleiter ihre eigenen Spieler einfach mitnehmen¸ sprich ihre heimische Runde einfach an einen anderen Ort verlegen und damit die Chance Fremder einzusteigen¸ ziemlich reduzieren.
Es ist doch sehr bezeichnend¸ dass ich trotz regem Interesse meinerseits bei zwei von drei Conventions leer ausgegangen bin und darum mit meinen BegleiterInnen freestyle ein Abenteuer aus dem Ärmel schütteln musste. Ich saß also mit den selben Leuten an einem Tisch und der einzige Unterschied war¸ dass die Abenteuer ziemlich schlecht waren¸ weil ich einfach Nichts zur Hand hatte. Dass mir das beim Morpheus wieder passiert ist hat mir diese weise Erkenntnis überhaupt erst eingebracht. So gesehen hat mir der Con am Ende doch was gebracht: Ich weiß jetzt¸ dass reine SpieleCons ein heikle Sache sind:
Im günstigsten Falle bringt jeder¸ der auch sonst schonmal Spielleiter ist¸ eines seiner besseren Abenteuer im Anfängerniveau mit - am besten in einem eher unbekannten System (wie Space 1889) und legt seinen Spielern nahe¸ sich doch mal woanders umzuschauen und vielleicht ein neues System zu testen¸ was ja druchaus einiges an Reiz hat. So wäre zumindest gewährleistet¸ dass der Bekanntheitsgrad vieler unbekannter aber guter Systeme schnell ansteigt und die Rollenspieler ihren Horizont um einiges erweitern: neue Systeme¸ Spielweisen und Abenteuer zeigen auf¸ was man beim eigenen Spiel verbessern kann. Und genau das ist meiner Meinung nach der Sinn eines SpielCons.
Leider ist die Realität mal wieder meilenweit vom Optimalen entfernt. Die wenigsten wollen sich¸ verständlicherweise¸ auf einer Con von ihren Mitreisenden trennen. Um das zu ändern kann man nur im Kleinen anfangen und ich hoffe¸ dass einige Leser ebenso wie wir¸ die wir beim Morpheus waren¸ versuchen werden¸ selbst auf einer Con Anderen die Möglichkeit zu geben¸ etwas Neues zu erfahren statt konsumgeil darauf zu hoffen¸ unterhalten zu werden oder einfach den heimischen Rollenspieltag an eine andere Location zu verlegen. Wenn so ein Verhalten Schule macht¸ machen solche Cons auch wieder einen Sinn. Aber so¸ wie es zur Zeit läuft¸ sehe ich schwarz für die Kommunikation zwischen den Rollenspielern. Ein solcher Con reduziert sich leider auf eine Werbeveranstaltung für den entsprechenden Verein - auch¸ wenn das von diesem eigentlich nicht so bezweckt war.