Bogenbauen
1997-07
Bogenbauen
Weihnachten '96 hatte ich auf dem mittelalterlichen Markt in Siegburg einen Zettel mitgenommen¸ wo AGIL (Institut für angewandte Archäologie oder sowas) in Hamburg Kurse anbot - Kochen wie im Mittelalter¸ Bogenbauen nach steinzeitlichen Vorbildern¸ Herstellen von Silberschmuck nach historischen Vorlagen. Als ich bei AGIL angerufen habe¸ sagte man mir¸ daß es auch (genau) einen Kurs in Bonn gäbe¸ und zwar den Flitzebogen-Bauer. Aha! Bonn ist bei mir um die Ecke¸ also hab ich den Kurs in der Bundeskunsthalle gebucht.
Am 22./23. März ging's dann los. (Und knapp 3 Monate später habe ich auch mal Zeit und Ruhe¸ darüber zu berichten .)
Einführung
In der Einführung mit Diashow lernte man dann alles mögliche:
- Die Bogenbautechnik in Europa hat sich von der Steinzeit zum Mittelalter kaum geändert.
- Früher¸ als es noch kälter war in Europa¸ wurde bevorzugt Ulmenholz verwendet. Erst nach einer Erwärmung des Klimas wurden Eschen verbreiteter¸ die dann bevorzugt wurden.
- Am besten tut es Eschenholz¸ aber das ist teuer¸ weil Eschen so langsam nachwachsen.
- Ein guter englischer Langbogen hat ein Zuggewicht von bis zu 160 Pfund.
- Die Bogensehne wird natürlich nicht aus einem Stück Sehne hergestellt (wer kennt ein Vieh¸ das 2m Sehne am Stück liefert - und wer wird es freiwillig angreifen?!?). Sie wird aus Sehnen¸ Leim und allem möglichen¸ was von so einem Tier übrig bleibt¸ gekocht. Wegen des Leims wird sie auch im Regen unbrauchbar.
- Asiatische Kompositbögen sind noch größer als Langbögen¸ da sie aber extrem umgebogen sind¸ können sie doch vom Pferd aus eingesetzt werden.
- Es gab unterschiedliche Pfeile:
- Jagdpfeile haben große Spitzen mit fiesen Widerhaken¸ damit das Tier möglichst viel Blut verliert - an gezielte tödliche Schüße war nicht zu denken.
- Pfeile für den Einsatz gegen Menschen hatten dünne Spitzen¸ die durch die Ringe der Kettenhemden dringen sollten. Ein Mensch steckt nämlich einen Treffer in die Eingeweide wesentlich schlechter weg als ein Tier...
- Pfeile der Skythen (ein asiatisches Reitervolk) hatten einen einzigen Wiederhaken¸ der allerdings bezwecken sollte¸ daß sich der Pfeil in der Rüstung festhakt und dann beim Reiten immer weiter scheuert und drückt¸ bis er doch mal so richtig an die Haut kommt.
- Mit dem Aufkommen der Armbrust ging die Benutzung von Bögen zurück.
Handwerkeln
Nächster Schritt: jeder sucht sich ein gut 2m langes¸ eckiges Stück Holz aus¸ das vage an einen Bogen erinnert: es ist in der Mitte dicker als an den Enden. Dazu gibt's pro Person eine grobe Raspel (Feile?) und Schmirgelpapier. Die nächsten 5 Stunden (zwischendurch noch Pause) gings dann los. Erst wird die dem Schützen abgewandte Seite (ich glaube¸ sie heißt Rücken) abgescheuert¸ d.h. rund gefeilt. Sie wird 'runder' als die andere Seite.
Das wesentliche am Schmirgeln ist aber¸ daß der Bogen gleichmäßig stark ist¸ denn jede schwache Stelle wird zur potentiellen Brruchstelle (der Bogen ist nur so stark wie seine schwächste Stelle). Um das Gleichgewicht zu prüfen¸ wird der Bogen 'getillert'¸ d.h. mit dem sogenannten Tillerholz geprüft. Dieses Holz ist quaderförmig und hat an einer Längsseite Einkerbungen¸ am unteren Ende eine halbkreisförmige Aussparung. Der Bogen wird auf den Boden gelegt¸ das Tillerholz mit der halbkreisförmigen Aussparung auf die Mitte gestellt und eine an den Enden des Bogens befestigte Hilfssehne in die Kerben im Tillerstab eingehängt. Dann braucht man gutes Augenma߸ um zu sehen¸ wo der gespannte Bogen sich stärker biegt. Alle anderen Stellen markiert man¸ denn hier muß man nun Holz wegnehmen¸ damit alle Stellen gleich stark werden. Holz wieder drankleben geht ja dummerweise nicht - wer Pech hat und grob motorisch veranlagt ist¸ produziert also Sägemehl¸ keinen Bogen.
Der ausgelotete (getillerte) Bogen wird dann mit einer Sehne versehen (in unserem Fall eine Kunst-Sehne¸ die reißfester ist und von Feuchtigkeit unberührt).
Schiessen
Praktisch zu einer Ausstellung in der Bundeskunsthalle konnte der normale Museeumsbesucher dort einen Bogen mieten und auf eine Zielscheibe aus Stroh schiessen. Diese Möglichkeit stand uns auch zur Verfügung¸ sodaß wir die eigenen Mordwaffen mit einem Pfeil¸ den wir geschenkt bekamen¸ ausprobieren konnten. (Dieser Pfeil ist übrigens recht heftig: mit Befiederung und Eisenspitze - könnte tödlich werden!)
Auch zum Schiessen gab's noch interessante Neuigkeiten:
- Die Sehne wird mit drei Fingern (Zeige-¸ Mittel- und Ringfinger) gehalten¸ und zwar am ersten Fingerglied. Der Pfeil selbst wird nicht festgehalten. Der Daumen greift nicht¸ damit man den Pfeil besser loslassenkann.
- Der Pfeil geht (bei einem rechtshändigen Schützen¸ der also den Bogen in der linken Hand hält) links vom Bogen vorbei¸ über den Handrücken des Schützen. Über Daumen und Finger der Bogenhand zu schießen geht nicht so gut¸ weil sie zu uneben sind und den Pfeil ablenken könnten.
- Bei den Pfeilen mit drei Federn dran (wie unseren) muß man aufpassen¸ daß keine Feder senkrecht zum Bogen steht¸ sondern daß man lieber zwei Federn schräg am Bogen entlanglaufen läßt: die Ablenkung des Pfeils durch die eine Feder¸ die direkt am Bogen entlangschleift¸ ist zu groß.
- Beim Schießen sollte der Arm mit dem Bogen gerade (paralell zum Boden) sein¸ der Arm mit dem Pfeil ist auf der gleichen Höhe (also Gesichtshöhe). Der Zug kommt aus der Schulter¸ nicht aus dem Arm.
Und sonst...
Nach dem Zielschießen (Trefferquote eher zufallsbedingt) habe ich meinen Bogen auf freiem Feld ausprobiert. Man kann gut 50 bis 60 Meter weit schießen¸ wobei Wind den Pfeil allerdings stark ablenkt. Mein Bogen (er ist mit 1¸ 90m größer als ich) hat ein Zuggewicht von 16 Pfund¸ wenn er nicht ganz gespannt ist. In jedem Fall ist Zielen mit einem Bogen eine Sache für sich: wer dabei die ganze Zeit dieses Gewicht halten mu߸ wartet im Gegensatz zu Armbrustschützen nicht¸ bis der Gegner nach 5 Runden vielleicht etwas günstiger steht - Hinterhalt hin oder her!
Zusätzlich habe ich den Griff meines Bogens noch mit Lederschnur umwickelt - mit etwa 4m Schnur habe ich doch gut 12cm Bogengriff hingekriegt. Das Schwierige war¸ die Schnur ohne Knoten zu befestigen¸ denn sowas hält angeblich zu schlecht. (Diese Wickelungstechniken hat der Kursleiter nachher auch noch kurz gezeigt - ist aber nichts¸ was man gut mit Worten beschreiben kann.)
Und jetzt hängt das gute Ding an der Wand¸ die Blasen an den Händen sind langsam wieder abgeklungen und das Gefühl der Großwildjagd hat sich gelegt. Wenn aber der nächste Abenteurer beim Bogenkauf feilschen will¸ fällt ihm ein Amboß auf den Kopf. Wer vom Pferd aus mit dem Ding schießen will¸ soll erst mal demonstrieren¸ wie er das aus dem Sessel schaffen will. Und wer seinen Bogen in einer Runde einsatzbereit haben will¸ soll erst mal versuchen¸ ihn überhaupt zu spannen (die Sehne einzuhängen) Dafür muß man nämlich beide Hände frei haben und (je nach Technik) mit einem Bein in den Bogen steigen. Sehnen müssen immer ausgehängt werden¸ sonst wird der Bogen zu lange zu stark belastet und ist nach kürzester Zeit nur noch für's Lagerfeuer zu verwenden. AGIL
Büro für angewandte Archäologie
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Tel und Fax: 04131 / 681706
Email: agilant@-SPAMSCHUTZ-aol.com
Homepage: http://www.hendrix.de/agil
Der neue Katalog sieht nicht uninteressant aus¸ allerdings ist fast alles im hohen Norden (Hamburg¸ ...) und auch nicht wirklich billig. Aber - schaut's euch selbst an.
Robert Wenner |