Kinder des Jaguargottes
1997-03
Kinder des Jaguargottes
"Nahuatlan - dieses jenseits der Regenbogensee lockende Land ist wie stets beliebtes Gesprächsthema auf Elhaddars Märkten¸ Basaren und in den kleinen Kaffeehäusern seiner sehnsüchtig über das Meer in Richtung Sonnenuntergang blickenden Küstenstädte: Gold und Smaragde¸ sonst nur von profitgierigen valianischen Händlern mühsam zu erfeilschender Purpurfarbstoff¸ fremde Gewürze¸ exotische Vögel und fremdartiges Getier¸ ... doch eigentlich nur wenige¸ und Ihr gehört dazu¸ haben das Land mit eigenen Augen gesehen und auch die Schattenseite dieses noch so wenig erschlossenen Paradieses kennengelernt - ein xenophobisch-totalitär ausgerichtetes von fanatischen Ordenskriegern und Priestern gelenktes Herrschaftssystem¸ das in blutigen Opferriten menschenverachtenden Götzen huldigt¸ ...
Doch in manchen Aspekten übertreffen diese "Wilden" selbst die sich zivilisiert schimpfenden Nachfolgestaaten des Valianischen Imperiums - und die Kinder des Jaguargottes gehören zu diesen Erinnerungen¸ die Ihr Euch in nachdenklicheren Momenten ins Gedächtnis ruft..."
Mit großem Interesse las ich kürzlich¸ daß die Bevölkerung der mesoamerikanischen Frühkultur der Olmeken (etwa 1000 v.Chr. - man denke an "Olmeca-Tequila") Kinder¸ die das klinische Bild der Trisomie 21 aufwiesen¸ als "Reinkarnation" des Jaguargottes in ihren Alltag einschlossen.
Die Trisomie 21 (ein Erbdefekt¸ dem in den meisten Fällen eine ungleiche Zellteilung vorangeht¸ soda߸ statt nur zwei¸ drei 21er Chromosomen in den Zellen des Kindes vorliegen) wurde im letzten Jahrhundert vom englischen Arzt John L. Down beschrieben (daher auch Down-Syndrom) und wegen der auffälligen antimongoloiden Augenfalte mit dem rassistisch diskriminierenden (daher überholten) Begriff "Mongolismus" versehen.
Bei den Olmeken war sie offenbar ein Teil des Jaguarkultes: vielleicht die menschlichste Art der Behindertenintegration! In der Tat erinnern bei den Down-Kindern die schräge Lidachse (Augenlidspalte) und die breite Nasenwurzel an etwas Katzenhaftes.
Etwa bei jedem 700. Lebendgeborenen tritt eine unterschiedlich schwere Form der Trisomie 21 auf (also durchaus in einer Häufigkeit¸ die eine Beschäftigung mit diesem Thema rechtfertigt)¸ mit zunehmendem Alter der Eltern¸ v.a. der Mutter¸ bei der Zeugung¸ steigt die Wahrscheinlichkeit für dieses Ereignis.
Früher starben 75% der Betroffenen vor der Pubertät; liegt kein schwerwiegender Herzfehler vor¸ werden diese Patienten heute meist älter¸ 80% (!) erreichen das 30. Lebensjahr!
Man hat erkannt¸ daß Menschen mit Down-Syndrom bei gezielter¸ frühzeitig begonnener und individuell angepaßter Förderung¸ und (wie wir alle) unter Zuwendung und Liebe lernfähig und sozial gut integrierbar sind; sie können eine gewisse Selbständigkeit erwerben¸ die unter Umständen auch den Besuch von Regelschulen erlaubt.
Ich wei߸ daß sich diese Information nicht gerade für ein abendfüllendes Szenario verwerten läßt; doch¸ wenn ich so nachdenke¸ fällt die mir bekannte Darstellung voon Behinderungen im Rollenspiel vielleicht recht eindimensional aus (ich denke da an die warzengesichtige alte Hexe¸ den einäugigen Piraten¸ den "Dorftrottel"¸ den Buckligen¸ den Hinkenden¸ oder die typischen "Kriegskrüppel" mit Hakenhand und Holzbein - alle häufiger Gegenspieler als Verbündete der SpF).
Fantasy-Welten tendieren dazu¸ es uns leichter machen zu wollen¸ indem "schwarz-weiß" gemalt und zwischen "gut" und "böse" klar differenziert wird.
Wie unreflektiert wir diese Unterscheidung dann auf Begriffe wie "normal" und "nicht-normal" übertragen¸ und in unser alltägliches Leben integrieren¸ liegt aber bei uns!
Vielleicht trefft Ihr in Nahuatlan auf die Kinder des Jaguargottes¸ und erkennt¸ daß es sich um Menschen¸ wie Ihr selber sie seid¸ handelt - Menschen¸ die in ihrer eigenen Welt leben¸ mehr eins sind mit der Sonne¸ dem Meer¸ dem Wind¸ dem frischen grünen Gras¸ den Schmetterlingen und Kolibris als es der naturverbundenste Waldelf je wird sein können -¸ vielleicht aber auch nicht...
(Quellen: Riede¸ Schäfer: "Allgemeine und spezielle Pathologie"¸ Pschyrembel: "Klinisches Wörterbuch")
Ach ja! Die graphische Aufbesserung des MD finde ich sehr ansprechend - die Logos sind eine tolle Idee!
Robert Eibl |