Leserbrief zu MD54: Grailing
1996-08
Robert Eibl schrieb in seinem Artikel Grailing über einen Ort namens Annwn¸ an dem sich der legendäre Cauldron of Rebirth¸ ein schwarzmagischer Zauberkessel¸ der Tote zum Leben erweckt¸ befinden soll. Dieser Ort soll mit der twyneddischen Hölle identisch sein.
Nach keltischer Vorstellung (soweit davon bekannt)¸ ist Annwn die Nichtwelt¸ das Jenseits. Im Lexikon für Mythologie heißt es hierzu:
Annwn (walis. Nichtwelt)¸ Emain Ablach (ir.): kelt. jenseitige Welt ohne Tod und Winter¸ eine Insel der Seligen¸ wo Licht und Farben¸ Musik und Reigentanz¸ Mahlgenuß und Geschlechterliebe die Verstorbenen erwarten.
Also haben wir hier die von Robert Eibl im weiteren vermutete Übereinstimmung von Annwn mit der Anderswelt¸ wie sie in anderen Übersetzungen auch genannt wird¸ nicht aber die Übereinstimmung mit einer Art Hölle¸ sondern eher mit dem Paradies nach christlicher Vorstellung. Zur gleichen Zeit¸ jedoch teilweisen unter anderen Namen¸ z.B. Tir inna m Beo (Land der Lebenden)¸ Magh Mar (Große Ebene) oder Tir Mar (Großes Land) ist das keltische Jenseits auch der Aufenthaltsort der Götter¸ die nach altirischen Sagen die verstorbenen Helden einladen¸ sich dort zu ihnen zu gesellen.
In einem Lied eines unbekannten irischen Dichters wird das keltische Jenseits wie folgt beschrieben:
Purpur deckt die Fläche der Felder¸ Lecker dünkt dich das Bier von Irland¸ Süß strömen durch das Land warme Ströme¸ Dort¸ ja dort gibt es nicht mein noch dein¸
Weiß sind die Zähne dort und schwarz die Brauen;
Die uns bewirten¸ sie erfreuen das Auge¸
Auf der Wange schimmert die Farbe des Fingerhuts.
Und von wunderbarer Schönheit ist das Ei der Amsel;
Lieblich ist die Ebene von Fal¸
doch öde dem¸ der Magh Mar kennt!
Doch köstlich ist das Bier in Tir Mar.
Ein herrliches Land ist das Land¸ von dem ich singe¸
Die Jugend weicht dort nimmer dem Alter.
Erlesener Trunk aus Met und Wein.
Treffliche Menschen ohne Fehl¸
Empfängnis ohne Sünde und Gier.
Allerdings scheint der Tod nicht die einzige Möglichkeit gewesen zu sein¸ das Annwn zu erreichen. Die Druiden¸ die in der keltischen Geschichte zugleich Berater¸ Richter¸ Kräuterkundige¸ Weise Männer und vor allem¸ ganz im Gegensatz zu Midgards Druiden¸ Priester und Mittler zu den Göttern waren¸ erlangten in ihren Wahrsagungen einen kleinen Einblick in die Anderswelt. Dieser konnte auf viele verschiedene Arten erreicht werden: Durch Deutung des Vogelflugs¸ durch Feuerschau¸ jedoch auch durch für die als zivilisiert geltenden Römer barbarisch anmutende Opfer¸ ja selbst durch das Zucken der geopferten Menschen während ihres rituellen Todes. Ob dies wahr ist¸ läßt sich mit Bestimmtheit leider nicht sagen. Möglicherweise sind diese Behauptungen nur aufgestellt worden¸ um den römischen Feldzug gegen die Kelten zu rechtfertigen. (Vielleicht ist auch hierbei der Grund für die Betrachtung des Annwn als die Hölle zu suchen.) Jedoch konnten nur die weisesten Druiden die Zeichen ihres Annwn richtig deuten¸ wie Robbert Eibl schrieb:
>Die Weisheit ist allerdings nicht das Geschenk¸ das man auf der Insel
>(gemeint ist die Ewigkeit) findet¸ sondern nur die¸ die Weisheit besitzen¸
>können überhaupt dahingelangen.
In einer Artussage ist es allerdings König Artus¸ der schwer vergiftet war¸ und einigen seiner besten Krieger gelungen¸ in die Anderswelt zu kommen. Die Krieger wollten Artus an einen Ort bringen¸ an dem er Heilung erlangen kann. Jedoch verschwand dieser Ort¸ übrigens eine Insel¸ nachdem die Helden dort angekommen waren¸ mit ihren. So lebt¸ der Sage nach¸ König Artus in der Anderswelt und wartet auf eine große Bedrohung für Britannien¸ um wieder ins Geschehen einzugreifen.