Rekrutierung (Kurzgeschichte)
2003-01
[start] Rekrutierung
"... und das war der Punkt¸ wo die Sache WIRKLICH seltsam wurde." Sally seufzte. So sehr sie sich auch von Clifford und seinen wilden Verschwörungstheorien angezogen fühlte¸ ihre Geduld mit seinem nicht-auf-den- Punkt-kommen-können hatte Grenzen.
"Jetzt erzähl' mir endlich¸ WAS so merkwürdig an diesem Kerl war." drängte sie.
"Du meinst¸ AUSSER daß er mir den ganzen Abend aus dem Leben von Jefferson¸ Washington und Lincoln erzählt hat¸ als hätte er sie persönlich gekannt¸ außer¸ daß er jede Menge pikante Details aus dem Leben der ex-Präsidenten erzählen konnte?"
"Clifford¸ bitte¸ du hast selbst gesagt¸ daß der Mann gesagt hat¸ er wäre Historiker."
"Wenn er wirklich einer ist¸ dann der beste¸ der mir je untergekommen ist. Verdammt¸ so viel KANN ein einzelner Mensch gar nicht wissen. Das war es aber nicht¸ und die merkwürdige Ausstrahlung war's auch nicht. Nein. Plötzlich starrt er zur Tür¸ als hätte er ein Gespenst gesehen. Da war aber niemand. Er steht auf¸ legt zehn Dollar auf den Tisch¸ sagt 'am besten vergessen Sie das Ganze¸ Sonnyboy.' und sprintet Richtung Hinterausgang. Ich ihm hinterher. Der Zugang hatte so ne blöde Schwingtür¸ ich bin voll reingelaufen und dann war er weg. Ich hab' mich erst mal wieder gesetzt. Hab' noch was getrunken¸ in der Hoffnung¸ der Alkohol würde die Kopfschmerzen etwas dämpfen. Zehn Minuten später kommen zwei Bullen rein. Sie reden mit der Bedienung¸ zeigen ihr ein Foto¸ die Bedienung zeigt auf mich und die beiden Bullen in Zivil setzen sich zu mir. Sie sagen¸ sie seien einem Betrüger auf der Spur¸ einem Hochstapler¸ der der Universität gefälschte Dokumente angedreht hat¸ die angeblich von amerikanischen Präsidenten stammen. Sally¸ Du weißt¸ daß man mich nicht anlügen kann und daß mein Bauchgefühl besser arbeitet¸ als ein Lügendetektor jedes Wort¸ das aus deren Mund kam¸ war gelogen. Na ja¸ abgesehen von der Tatsache¸ daß sie ihn suchen.
Sie haben mir eingeschärft¸ strengstes Stillschweigen über die Sache zu bewahren¸ daß die Uni mich mit einer Prozesslawine überziehen würde¸ wenn die Sache irgendwie rauskommt. Die wollten mich richtig in die Mangel nehmen und einschüchtern. So¸ und jetzt kommt das wirklich Unheimliche. Weißt du¸ was der Bulle - Smith oder Smythe hieß er glaube ich weißt du¸ was er zu mir gesagt hat¸ bevor die beiden abgedampft sind? Er sagte 'Am besten vergessen Sie das Ganze¸ Sonnyboy.'"
"Wow!" sagt Sally
"Wow? Das ist eine 1a hautnah miterlebte Vertuschungsstory! Ich hab' mich im Unicomputer eingehackt - die Universität hat in den letzen zwei Jahren keinerlei Dokumente angekauft."
"Das bedeutet ..."
"Das bedeutet¸ daß es noch mehr Leute wie uns gibt. Leute mit außergewöhnlichen Fähigkeiten. Leute¸ die die Merkwürdigkeiten dieser Welt sammeln. Und es bedeutet¸ daß der Staat das alles vertuschen will!"
"Das würde bedeuten¸ das wenn die rausfinden¸ daß die alten Alchemisten tatsächlich recht hatten und ich mit den Aufzeichnungen von Aloysius von Burggraf einen Stein der Weisen erschaffen habe¸ der es mir ermöglicht¸ Materie umzuwandeln¸ dann würde es irgendwann an meiner Tür klopfen und ..."
Es klopfte.
Sally spürte¸ wie sich ihr Magen zusammenzog. Sie hatte sich bei ihren Experimenten immer schuldig und beobachtet gefühlt. Sollte das keine Einbildung gewesen sein? Aber wer war diese merkwürdige "Realitätspolizei"?
Was hatten sie mit ihr vor?
Es klopfte erneut.
Clifford war ihr auch keine besonders große Hilfe. In seinem Gesicht zeichnete sich blankes Entsetzen ab. Kein Wunder¸ er hatte mit seinen "Energiemaschinen" in den letzten vier Monaten elf Stromausfälle im ganzen Viertel ausgelöst. Welche Strafen wohl auf das Brechen von Naturgesetzen standen?
Nach dem dritten Klopfen fühlte sich Sally plötzlich wieder beobachtet. Diesmal wußte sie aber¸ von wem. Nette¸ freundliche Menschen¸ die draußen vor der Tür warteten. So einen Besuch durfte man doch nicht warten lassen! Eilig stand sie auf¸ drehte den Schlüssel im Schloß und öffnete die Tür. Erst als die beiden Männer eingetreten waren und Sally sich wieder gesetzt hatte¸ wurde ihr klar¸ was sie da eben getan hatte und daß sie absolut keine Grund gehabt hatte¸ das zu tun!
Clifford löste sich aus seiner Erstarrung: "Du gehörst zu ihnen! Du hast mich an sie verkauft! Du Schwein¸ du dämliche ..."
Einer der Männer legte Clifford die Hand auf die Schulter. Dieser sank sofort in sich zusammen. Sally sah gerade noch¸ wie sich eine winzige¸ biegsame Nadel in den Ring des Mannes zurückzog. Der andere schloß die Tür und lehnte sich lässig dagegen.
"Was wollen sie?" fragte Sally.
"Mit ihnen reden."
"Sie meinen¸ sie wollen erst mit mir reden¸ dann schleppen sie mich in einen schwarzen Lieferwagen¸ verhören mich RICHTIG und wenn sie alles wissen¸ was ich wei߸ dann ..."
"Nein¸ ich glaube Miss Mayfield¸ sie verwechseln uns. Solche Methoden verwenden wir nicht."
"Meistens nicht." rief der Mann an der Tür dazwischen. Das hatte Sally noch gefehlt! Nicht nur¸ daß sie sie offensichtlich überwacht und wer weiß welche Daten über sie hatten¸ nicht nur¸ daß sie anscheinend irgendwelche Schalter in ihrem Kopf umlegen und sie Dinge gegen ihren Willen tun lassen konnten¸ nein sie spielten auch noch guter-Cop-böser-Cop mit ihr!
"Gestatten sie mir¸ daß ich mich vorstelle¸ ich bin Agent Johnson und das ist Agent Smythe."
"Agent? Von welcher Behörde sie sie? Von der Realitätspolizei?"
"Nein¸ die Realität kann ganz gut auf sich selbst aufpassen¸ sie ist alt genug. Aber 'Polizei' ist schon ein ganz heißer Tipp. Sagen wir¸ wir klären Verbrechen auf¸ gegen die es keine Gesetze gibt¸ weil sich niemand vorstellen kann¸ daß sie je begangen werden würden."
"Zum Beispiel solche absurden Sachen¸ wie Blei in Gold zu verwandeln!" rief Agent Smythe dazwischen. Johnson warf ihm einen zweiten ärgerlichen Blick zu. "Nun¸ so lange sie das nur zu ihrem persönlichen Vergnügen und spirituellem Wachstum tun¸ werden wir nicht einschreiten. Sollten sie aber das Gold verkaufen ..."
"Ich habe nichts dergleichen getan." sagte Sally. "Was WOLLEN sie von mir?"
"Wir möchten Sie warnen."
"Ok¸ ich betrachte mich als gewarnte und werde nichts von dem Zeug¸ das ich herstelle¸ aus der Hand geben. Ich werde auch ganz bestimmt nicht aller Welt verkünden¸ ich hätte den Stein der Weisen gefunden. Zufrieden?"
"Vorerst ja¸ aber die Sache ist viel komplizierter¸ als sie denken¸ Miss Mayfield. Sehen Sie¸ die Sache mit dem Stein der Weisen ist nur die Spitze des Eisbergs. Über kurz oder lang¸ werden ihre Aktivitäten trotz aller Vorsicht auffallen. Wenn Sie Glück haben¸ geraten sie nur an einen Mentor¸ der ihre Fähigkeiten weiterentwickeln kann. Dafür wird er allerdings Dienste verlangen und es könnte passieren¸ daß wir uns dann unter unerfreulichen Umständen wiedersehen müssen. Wenn sie Pech haben¸ werden Sie von finsteren Figuren wie ein Bauer benutzt und irgendwann geopfert."
"Na toll. Wollen sie mir damit sagen¸ ich soll mein oberlangweiliges Chemiestudium fortsetzen und die ganze Sache vergessen? Mich wie ein Rädchen im Getriebe einfügen? Das kann ich nicht! Meine innere Stimme sagt mir¸ daß es da draußen mehr geben muß. Daß die Wissenschaft zu viele Dinge ignoriert. Dass ich die Macht habe¸ die Realität¸ wie wir sie kennen zu verändern. Und jetzt drohen sie mir? Wenn sie mir wirklich helfen wollen¸ dann müssen sie mir schon mehr bieten als 'vergessen sie das ganze¸ sonst wird es ihnen leid tun.' "
Johnson und Smythe sahen sich bedeutungsvoll an. "Wir hatten gehofft¸ daß sie das sagen würden¸ Miss Mayfield. Es gibt nämlich noch einen dritten Weg¸ der genau das umsetzt¸ was ihnen ihre innere Stimme sagt. Sie könnten Agentin werden. Die Organisation braucht immer talentierte junge Leute.
Vor drei Jahren saß ich da genau so wie sie. Agent Sterling warnte mich damals davor¸ meinem Prof noch einmal dazu zu bringen¸ mir eine Eins zu geben ..."
Während Agent Johnson von seiner Agentenzeit¸ der fabelhaften Ausbildung und dem tollen Jobprofil schwadronierte¸ sah sich Sally in ihrem Zimmer um. Nach dem Studium wartete ein Beruf auf sie¸ von dem sie schon jetzt wußte¸ daß er sie anöden würde. Kinder kriegen und heiraten? Nicht in dieser kranken¸ verseuchten Welt.
"Kann ich jederzeit aussteigen?" fragte sie.
"Jederzeit nach Ablauf ihrer fünfjährigen Verpflichtung. Sie werden zwar einen Lastwagen brauchen¸ um die Durchschläge ihrer Geheimhaltungserklärungen zu transportieren¸ aber davon abgesehen ..."
Sally wußte¸ daß sie sich verpflichten würde. Sie müßte nur noch vermeiden¸ daß ihr Agent Smythe als Ausbilder oder - schlimmer - als Partner zugeteilt würde.
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