Werwolf: Das Buch des Wyrm
2002-01
Werwölfe¸ bzw. die Spieler von Werwolf: Die Apokalypse-Charakteren¸ haben es nicht leicht. Gerade Spieler der anderen Regelwerke¸ die ebenfalls in der World of Darkness angesiedelt sind¸ werden den Pelzlingen gerne Schwarzweiß-Denken¸ den Einsatz blind eingesetzter Gewalt und Paranoia im Umgang mit den anderen Fraktionen vor.
Werwolf-Spieler¸ vor allem die mit einem gerissenen Spielleiter¸ sind jedoch zurecht auf der Hut¸ denn der undefinierbare dunkle Schatten¸ den die Werwölfe fürchten und zu bekämpfen versuchen¸ existiert leibhaftig: die Brut des Wyrm.
Der vorliegende Band beschäftigt mit vielen Ausprägungen des Wyrm - der elementaren Urmacht¸ die als chaotisches Gegenstück im ewigen Kampf mit der Weberin steht. Die 150 Seiten sind für einen WoD-Quellenband zwar schon sehr umfangreich¸ ersetzen aber nicht die weitaus detaillierteren Themenbände¸ die sich nur mit einer einzelnen Fraktion des Wyrm¸ z.B. Pentex oder den Fomorern¸ befassen. Das Buch des Wyrm sollte man daher eher als Rundumschlag nehmen¸ um sich als Spielleiter mit den wichtigsten Plotinformationen auszustatten. Wer sich dann für einzelne Gebiete besonders interessiert¸ kann sich gezielt weitere Quellenbände zulegen oder auch selbst Material ausarbeiten.
Der Band ist die Kapitel Kosmologie (Legenden zum Wyrm)¸ Menschliche Werkzeuge (Pentex u.a.)¸ In Nomine Vermis (Tänzer der Schwarzen Spirale)¸ Die Elenden (Fomorer u.a.) und Schmutzige Tricks aufgeteilt.
Das Kapitel Kosmologie läßt sich rasch abhaken¸ da die meisten W:dA-Spieler vermutlich grobe Kenntnisse zu den Legenden haben. Neben der ausführlichen Entstehungsgeschichte des Wyrm (bzw. der Hydra¸ die man Wyrm nennt)¸ werden vor allem verschiedene Versionen und unterschiedliche Sichtweisen diskutiert. Nicht zuletzt erfahrt der Spielleiter Grundsätzliches wie und warum er den Wyrm in seiner Kampagne intensiv nutzen sollte.
Zwar kann es nicht schaden sich mit dem Mythos "Wyrm" auszukennen¸ aber spieltechnisch viele interessanter sind z.B. die Menschlichen Werkzeuge¸ die im zweiten Kapitel vorgestellt werden. Auf 20 Seiten bekommt man einen recht guten Überblick über die gut durchorganisierte Hölle auf Erden: den Konzern Pentex. Die einzige Aufgabe von Pentex ist es¸ die Menschen unglücklich zu machen¸ zu verderben und dabei möglichst nicht aufzufallen. Die wenigsten Mitarbeiter wissen von Pentex direkten Draht zur Hölle¸ die meisten werden mit teils unnützer Arbeit und Bürokratie stillgestellt und dienen als Buffer¸ der den Konzern nach außen präsentiert. In den Spezialabteilungen dürften schon einige wissen¸ daß sie an einem ganz großem Haufen Mist mitarbeiten - aber das tun die Mitarbeiter in der Rüstungsindustrie ja auch ohne schlechtes Gewissen. Erst im Management stößt man auf allerlei über- und widernatürliches Gesocks des fiesesten Sorte - mehr wird aber an dieser Stelle nicht verraten.
Anzumerken sei¸ daß sich die deutschen Autoren es sich nicht nehmen ließen¸ den Feder & Schwert-Verlag ebenfalls als Pentex-Tochterunternehmen einzubringen....
Ansonsten erfährt der Leser mehr über die Mitläufer und Gegner¸ Experimente¸ Ökologische Desaster und natürlich bekommt er einen kleinen Leitfaden an die Hand¸ wie er den Megakonzern in seine Chronik integrieren kann.
Neben Pentex werden auch noch Wyrm-Kulte beschrieben¸ denen mehr oder weniger über den Wyrm informierte Sterblichen angehören. Zwei beispielhafte Kulte wurden detaillierter ausgearbeitet.
In Nomine Vermis - Im Namen des Wyrm¸ agieren die Tänzer der Schwarzen Spirale¸ verzerrte Spiegelbilder der Werwölfe¸ die üblicherweise von den Charakteren gespielt werden.
Der Leser erfährt mehr über die Entstehung der Tänzer¸ was gleichbedeutend mit dem Fall der Werwölfe vom Stamm der Weißen Heuler an den Wyrm ist. Auch die weitere Entwicklung der nun seit 2000 Jahren existierenden Tänzer wird beschrieben.
Die Tänzer der Schwarzen Spirale stellen die Ehrengarde des Wyrm¸ wie die Garou Gaia verteidigen. Neben der Tötung von Garou oder deren Konvertierung zum Wyrm¸ treiben die Tänzer die Schändung Gaias mit voran. Das Kapitel berichtet recht ausführlich über die abartigen Rituale der Tänzer¸ ihre soziale Struktur und ihre Philosophie. Natürlich darf auch der Blick eines Tänzers auf die Stämme der Garou nicht fehlen.
Den Abschluß macht eine Beschreibung des Pfad der Schwarzen Spirale und der Plagentotems.
Mein Lieblingskapitel: Die Elenden und hier vor allem die Beschreibung der Fomorer. Ich kann mich an den umfangreichen Quellenband Freak Legion: A Player's Guide to Fomori erinnern¸ der 1995 beim Black Dog-Label erschienen ist. Ich schätze mal daß die voeliegenden 20 Seiten keinen echten Ersatz darstellen¸ aber immerhin sind Regeln angegeben¸ die zur Kreation eines Fomorers doch ausreichen sollten.
Fomorer sind die mehr oder weniger menschlichen und tierischen Diener des Wyrm¸ die eine oder mehrere besondere Gaben erhalten haben. Ob man die Gaben des Wyrm als Geschenk oder eher als Fluch betrachtet¸ liegt im Auge des Betrachters¸ aber in jedem Fall machen die meisten Gaben die Fomorer zu idealen Waffen für den Kampf gegen die Garou und andere unliebsame Gegner - Fomorer als Kanonenfutter des Wyrm. Fomorer werden entweder in Laboren gezüchtet (oft bei Tieren der Fall) oder zunächst unauffällig infiziert und bei Eintreten der Gaben von Pentex angeworben.
Das Gift mit dem der Wyrm sich in die Welt ausbreitet sind die Plagen. Dabei handelt es sich um Geister die nur Verderbnis im Sinn haben. Es gibt verschiedene Arten¸ die kurz - meist in Begleitung eines kurzen Geschichte - vorgestellt werden.
Desweiteren werden Monster¸ Die Fremden (Anregung undefinierte Gegner ins Spiel zu bringen) und Die Gefallenen (also gefallene Vampire¸ Feen und Magi¸ Aaskrähen (Wyrm-Corax)¸ ...) vorgestellt.
Der Anhang ist mit Schmutzigen Tricks vollgepackt. Diese Gimmicks sind vor allem für den Spielleiter bzw. dessen Kreaturen gedacht - nicht jedoch um die Spielerphantasien zu beflügeln. Dies sind allerlei Kräfte¸ Fetische¸ Talens¸ Drogen & Gifte¸ besondere Ausrüstung (Design by Pentex...).
Technisches
Das Buch des Wyrm läßt sich gut lesen¸ was natürlich vor allem an der sehr interessanten Materie liegt. Die finsteren Machenschaften des Wyrm faszinieren halt und bieten reichlich Futter für W:dA-Spielleiter. Spieler sollten meines Erachtens die Finger vom Band lassen oder sich auf die Passagen beschränken¸ die der Erzähler zum Lesen freigibt.
Das Layout ist wie gewohnt okay¸ aber bei den Illus scheiden sich meine Geister. Neben Kunstwerken finden sich auch die eher schlechten Machwerke von Guy Davis¸ dessen Kunst ich nun überhaupt nicht mag - bei John Cobb lasse ich mich ja noch auf Diskussionen ein¸ aber Davis ist unter aller Sau und hat die Wertung gedrückt¸ weil er im Band doch sehr präsent war.
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Das Buch des Wyrm ist sehr interessanter Lesestoff und ich glaube auch¸ daß ein Werwolf: Die Apokalypse-Spielleiter problemlos Material daraus in seine Kampagne übernehmen kann. Selbst Erzähler der anderen Settings (Vampire¸ Magus) können sich den Band mal anschauen¸ wenn ihnen ihr Material nicht mehr ausreicht oder die laufende Chronik mehr Pfeffer bekommen soll. Denn wenn der Wyrm eines zu bieten hat¸ dann ist das Action.
Wenn der Wyrm in eine Chronik einfließt¸ dann bedeutet das in der Regel für die Charaktere nichts Gutes¸ auch wenn die Spieler ihren Spaß haben werden. Besonders gemein ist es¸ erst die konspirativen Fühler von Pentex auszustrecken und die Helden später damit zu konfrontieren¸ daß sie ein oder mehrere Abende für die Pläne von Pentex gearbeitet haben.
Die Konfrontation mit den Fomorern sollte jeden noch so verwöhnten Werwolf-Spieler ein seliges Lächeln bereiten - zumindest wenn sein Gestaltwandler die Konfrontation überleben sollte...
Angesicht der Tatsache¸ daß es die meisten Black Dog-Bände wohl nur noch im Antiquariat gibt¸ erscheint mir diese Kompilation ein gelungenes Kaufobjekt zu sein.
Dogio the Witch |
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