Hero Wars
2001-01
HeroWars - Heldenkriege
... auch die in diesem Band (siehe Rezension Glorantha) vermittelte Geschichte Gloranthas geht weit in die Vergangenheit der Welt zurück - obwohl natürlich nicht der Umfang des parallel erschienenen Quellenbands erreicht wird.
Ein Grund mehr¸ warum der geneigte Leser dieses Buch in jedem Fall als erstes studieren sollte¸ wenn er sich auf den Weg nach Glorantha macht.
Der Band beschreibt eingangs die Eigenarten der Spielwelt - den irdenen Würfel¸ der in seinem unendlichen Ozean schwimmt und sich in zwei große Kontinente teilt.
Ursprünglich war diese Welt nur eine von drei (die physische¸ wo sterbliche Lebewesen lebten...)¸ getrennt existierenden Welten¸ die sich irgendwann miteinander verbanden und Glorantha so eine ereignisreiche Zukunft bescherten¸ die von Frieden und Wohlstand - aber natürlich auch Kriegen¸ Siegern und Besiegten erzählt.
Glorantha ist eine von Kriegen verzehrte mittelalterlich anmutende Welt mit Göttern und Dämonen¸ eine Welt in der Sterblichen zu Helden und Helden zu Göttern werden können. Die Helden treten an¸ um Dinge zu erhalten - oder um Dinge zu ändern ... und genau von diesem Kampf des Neuen gegen das Alte handelt das Rollenspiel HeroWars.
HeroWars ist im Prinzip ein ganz normales Fantasy-Rollenspiel¸ wie schon endlos viele gibt. Was dieses System besonders macht¸ ist aber nicht nur die Tatsache¸ daß es in einem tollen Einband¸ schönen Illustrationen und ausgezeichneten deutschen Texten daherkommt¸ sondern die sehr gewissenhaft ausgearbeiteten Regeln und die unglaublich dichte Weltbeschreibung¸ die auf lange Zeit faszinieren wird.
"Lange Zeit" ist ein gutes Stichwort - zumindest wenn es um das Studium der Spielwelt geht. Nicht umsonst empfiehlt der Autor¸ sich anfangs nur auf einen kleinen Teil der Welt zu konzentrieren ... aber das ist Thema der anderen Rezension.
In diesem Band geht es vor allem um das Regelkostüm von HeroWars¸ die Beschreibung der möglichen Berufungen¸ die Hintergründe der Magie und natürlich die Beschreibung der Völker und Rassen. Aller Anfang... ... kann bei HeroWars recht schnell von statten gehen - zumindest wenn man sich mit der Welt und den Einwohnern der Startregion recht gut auskennt¸ bietet das System die "Erzählende Methode" an. Der Spieler erschafft seinen Charakter in Form einer 100 Worte Geschichte und legt damit die Grundzüge des Helden fest. Im Spiel werden in der Geschichte auftauchende Stichworte als Anhaltspunkte für die Fähigkeiten gedeutet.
Einen Schritt weiter geht die "Listenmethode". Ähnlich wie bei der Erzählenden Methode legt der Spieler Herkunft¸ Werdegang und Merkmale seines Helden fest - schlägt diese Begriffe aber in den entsprechenden Listen im Buch nach und notiert statt einer Geschichte nur die Spielwerte.
Die "Schnellstartmethode" ist eine Abwandlung der beiden ersten Methoden¸ bei der der Spieler im Laufe der Handlung - je nach seinen Entscheidungen im Spielverlauf - den Charakter nach und nach ausschmückt¸ bis entweder 100 Worte (EM) oder die Menge der erlaubten Merkmale (LM) erreicht wurde.
Angenehm fiel mir - als langjähriger Rollenspieler - der Versuch auf¸ frische Spieler gar nicht erst auf die Powergamer-Scchiene aufspringen zu lassen¸ sondern anhand von atmosphärischen Beispielen zum richtigen Rollenspiel zu verführen - fraglich bleibt¸ ob der ein oder andere Neueinsteiger sich davon nicht überlastet fühlt.
Fraglich erscheint mir der Aufruf an die Spieler¸ sich freiwillig für Nachteile zu entscheiden¸ ohne andernorts einen Vorteil daraus zu ziehen. Die Erklärung¸ daß man so selbst die einen betreffenden Probleme mitbestimmen kann¸ erscheint mir etwas fadenscheinig - zumal man Nachteile auch später "wegkaufen" kann. Irgendwie ist da der Wurm drin. Am besten legt man eine Zahl X an Nachteilen fest¸ die sich jeder Spieler bei Spielbeginn aufhalsen muß.
Wer mit der Listenmethode arbeitet¸ findet auf dem übersichtlich und optisch ansprechend gestalteten Charakterblatt reichlich Spalten für Notizen. Am Band-Ende findet sich eine Kopiervorlage.
Hat der Charakter erst einmal seine ersten Abenteuer erlebt¸ sammelt er dadurch Heldenpunkte an. Sie sind die Währung des Systems und können dazu genutzt werden¸ den Charakter zu verbessern. Wieder sehr sinnvoll: Wer Fertigkeiten ohne Spielbezug erwerben will¸ zahlt das Doppelte.
In die Rubrik Vorteile fällt wohl auch die Sparte Gefolgsleute oder unterstützende Charaktere. In jedem Fall eine Reihe interessanter Ideen¸ die auch durchaus bestehende Spielrunden anderer Fantasy-Systeme auflockern können.
Im Spiel braucht man für HeroWars einen W20. HW ist ein Niedrigwurf-System¸ d.h. man braucht hohe Fertigkeitswerte¸ die mit dem Würfelwurf zu unterbieten sind. Neue Werte werden auf idR. auf Stufe 12 erworben.
Eine gewürfelte "1" ist immer ein kritischer Erfolg¸ eine Zahl kleiner der Fertigkeit ein Erfolg¸ eine Zahl größer der Fertigkeit ein Fehlschlag und eine "20" ein kritischer Fehlschlag (Patzer). Durch die "1" und "20"-Regelung gibt es immer je eine 5% Chance¸ daß etwas unvorhergesehen Gutes oder Schlechtes passiert.
Neben hohen Fertigkeitswerten bietet HW noch eine Besonderheit: die Meisterschaften. Wenn ein Wert auf 20 steigt¸ wird dieser in eine Meisterschaft gewandelt und der Wert auf Null gesetzt und kann seinen Wert erneut hoch steigern. Meisterschaften spiegeln nicht nur den Ausbildungsgrad des Helden¸ sondern haben auch spieltechnische Besonderheiten¸ denn die 20 Punkte¸ sind im Wettstreit keinesfalls 'verschwunden'. Hat ein Held in einer relevanten Fertigkeit mehr Meisterschaften als sein Gegner¸ so verschiebt sich seine Chance ein besseres Ergebnis zu erzielen. Aus einem Patzer wird stets ein einfacher Fehlschlag¸ aus einem Fehlschlag ein Erfolg und aus einem Erfolg ein kritischer Erfolg.
Zusätzlich hat der Erzähler noch die Möglichkeit¸ Würfe - entsprechend der Spielsituation - durch Modifikationen zu beeinflussen. Durch diese Modis kann ein Held auch für diesen Wurf eine Meisterschaft einbüßen oder hinzugewinnen. Der Erzähler findet¸ passend dazu¸ zahlreiche Modi-Beispiele zu typischen Spielsituationen und auch passende Konsequenzen die sich aus bestimmten Handlungen ergeben.
HeroWars erweist sich als ausgeprägt erzählerisches System. Zwar wird auch hier durchaus mit zahlen gearbeitet¸ aber man versucht jeder Zahl möglichst gleich ein passendes Bild mit auf den Weg zu geben. Sehr vorbildlich umgesetzt.
Gewürfelt wird mit einem W20 (20seitiger Würfel) nach dem Niedrig-Prinzip: eine 1 ist ein garantierter Erfolg¸ eine 20 immer ein Fehlschlag. Dazwischen muß das Würfelergebnis unter dem Fertigkeitswert liegen. Damit lassen sich einfache Fertigkeitsproben bewältigen.
Wettbewerbe (z.B. auch Kämpfe) zwischen zwei oder mehr Parteien werden über Aktionspunkte abgewickelt. Jeder Mitstreitende hat seine eigenen AP - oder erhöht als Gefolgsmann die des Anführers. Unterliegt ein Mitstreitender während einer Runde¸ verliert er AP¸ bis er auf/unter 0 sinkt und aus dem Wettbewerb ausscheidet.
Ein Wettbewerb endet für eine Partei¸ wenn alle Mitstreiter einer Seite ihre AP aufgebraucht haben. Die andere Seite ist automatisch Gewinner.
Dieses Konzept ist etwas ungewöhnlich¸ aber praxistauglich. Es gibt - gerade beim Kampf - zahlreiche Sonderoptionen¸ die der Spielleiter einbringen kann¸ um den Kampf noch spannender zu gestalten (z.B. Rückzug¸ Finalangriff...)
Wieder einmal fällt positiv auf¸ wieviel Erfahrung in dieses Buch eingeflossen ist. Themen wie "hilflose Gegner töten" werden aufgegriffen und kontrovers diskutiert. Ebenfalls angenehm ist¸ daß man alle Facetten des Themas "Kampf" auch in dem Kapitel "Kampf" findet.
Charakter-Schlagworte
Obwohl die Charaktererschaffung bei Hero Wars eigentlich anders ausgelegt ist¸ spart der Band natürlich nicht mit "Schlagworten". Hinter diesem Begriff finden sich typische Tätigkeitsbereiche (Berufungen) und Fertigkeiten der Bewohner Gloranthas.
Magie
Ein ebenso wichtiges Kapitel ist das Buch der Magie das die Mythen¸ die Runen und die Götterwelt der Spielwelt beschreibt. Die Magie teilt sich grob in Göttlichen Beistand (Theismus)¸ persönliche Zauberei¸ Geistermagie (Animismus) und die Mystische Magie. Auch diese Bereiche sind sehr gut ausgearbeitet¸ wenn man auch endlose Spruchlisten vergeblich sucht. Diese würden aber auch überhaupt nicht dem erzählerischen Stil des Spiels entsprechen.
Spielleiter(in)
Das abschließende Kapitel beschäftigt sich mit den typischen Fragen¸ die spätestens bei der ersten Spielrunde auftauchen. Natürlich gibt es hier auch reichlich Hinweise mit auf den Weg¸ um bestimmte Probleme erst gar nicht auftauchen zu lassen. Eine umfangreiche Liste von interessanten gegnerischen Kreaturen inkl. Beschreibungen rundet das Kapitel ab. Ein Charakterblatt und eine Karte von Genertela bilden den Anhang.
Technisches:
Ganz interessant - jedoch für den Anfänger erst einmal recht verwirrend¸ ist die verwendete Symbolik¸ die bestimmte Text-Typen markiert (z.B. Spielbeispiele oder Spielleiterwissen). Irgendwann gewöhnt man sich aber daran.
Die Illustrationen sind gut¸ wirken jedoch stets so¸ als wären sie vom Text isoliert. Da fehlt ein wenig die Harmonie. Das Hardcover mach natürlich eine gute Figur - auch wenn man sich die Frage stellen lassen mu߸ warum man kein A4-Format verwendet hat¸ sondern ein kleineres.
Sehr schön wurde jedoch die Textformatierung durch den einbau von Grafikelementen (meist Runen-Schattierungen) aufgewertet.
Insgesamt macht der Hero Wars keine schlechte Figur¸ kann sich aber optisch nicht ganz mit jüngeren "High-Quality" Erscheinungen wie Agone (auch von Multisim) oder z.B. D&D3 messen.
Fazit:
Die Bücher Hero Wars¸ und dazu Glorantha¸ sind sicherlich eine sehr ergiebige Quelle toller Ideen für Rollenspieler. Eine so umfassend und phantasievoll ausgearbeitete Spielwelt schreit danach bespielt zu werden.
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Insgesamt war es für mich sehr interessant einmal in die Welt Glorantha einzutauchen und mir einige interessante Ideen rauszuklauben - dabei wird es aber vermutlich auch bleiben¸ denn letztendlich hat mich Hero Wars (leider) nicht überzeugt.
Dogio the Witch |