Firuns Atem (2)
2000-01
Ein DSA-Regionalbald aus dem hohen Norden - schon wieder? Ist nicht in den Boxen "Rauhes Land im hohen Norden" und "Borbarads Erben" (das eine lange Beschreibung von Gloranas Eisreich enthielt) genug über Abenteuer in Eis und Kälte gesagt worden?
Offenbar nicht¸ denn die schreibwütigen Autoren von Fanpro machen sich diesmal daran¸ der Eiswüste zwischen Bernsteinbucht und Brecheisbucht Leben bzw. Firuns sprichwörtlichen Atem einzuhauchen. Als DSA-Spieler sieht man es mit Skepsis; die seit mehreren Jahren deutliche Tendenz von Fanpro¸ selbst den kleinsten Winkel Aventuriens bis in Detail auszuarbeiten und die liebgewonnene DSA-Stimmung in Fakten und Dämonenhorden zu ertränken¸ läßt nichts Gutes erahnen. Der jüngst erschienene Band über das "Königreich Almada"¸ ein ödes und uninspiriertes Quellenbuch¸ hat das auf traurige Weise bestätigt.
Um so erstaunter war ich¸ daß in "Firuns Atem" ein anderer Weg beschritten wird. Das Buch erweist sich als eine atmosphärisch dichte Regionalbeschreibung¸ wie es sie für DSA lange nicht mehr gegeben hat. Ausführlich werden die typischen Phänomene der eisigen Landschaft (Gletscher¸ Vulkanseen¸ Eisstürme) beschrieben; auch die wenigen menschlichen Siedlungen (Glyndhaven¸ Reelia) kommen nicht zu kurz. Immer wieder werden Mythen und Legenden in die Beschreibung miteingewoben¸ oft in Form der DSA-typischen Quellentexte - und einige Mythen haben es wirklich in sich: Die Zitadelle des Eises¸ die Hochstadt der Elfen¸ die Orgel der letzten Melodie. Wie ein roter Faden zieht sich der Reiz des Legendenhaften und Geheimnisvollen durch das Buch; alles erscheint aus einem Guß zu sein.
Dem Spielleiter wird aber auch Handfestes mit auf den Weg gegeben: Informationen zum Handel und zum Reisen in Frost und Eis sowie zahlreiche Anregungen¸ unter welchem Vorwand die Helden in diese grausame¸ lebensfeindliche Gegend gelockt werden können. Auch die obligatorischen Völkerschaften¸ die zu einem Eisreich gehören (Schneeorks¸ Eisbarbaren¸ Dunkelelfen) werden behandelt. Die durchgeknallten Eiszwerge¸ die Brobim¸ haben mir besonders gut gefallen. Enttäuschend hingegen ist der Abschnitt über die Yetis; den Autoren sind zu den Eistrollen nichts als abgegriffene Klischees eingefallen.
Von Dämonen wird man diesmal größtenteils verschont; zwar schlägt dem tapferen Nordlandreisenden überall die schonungslose Kälte des Erzdämonen Nagrach ins Gesicht¸ doch das fällt inmitten der ohnehin gnadenlosen Natur kaum mehr auf. Erst wenn die im Hintergrund tobenden Kämpfe der großen Mächtegruppen ins Spiel kommen¸ kann man erkennen¸ daß dieses Buch eine Post-Borbarad-Produktion ist: In verborgenen Tälern und Türmen lauern unter anderem die Eishexe Glorana (eine Verbündete Borbarads)¸ die Dämonenwölfin Kyrjaka (Gloranas Erzfeindin und einstige Verbündete Nagrachs¸ die denselben jedoch betrogen hat) und die bösartige Halbgöttin und Dunkelelfin Pardona¸ die wiederum dem Namenlosen Gott dient (dem "Oberbösewicht" von Aventurien). Hinzu kommt die Skrechu¸ die schleimige Schlangengöttin von Maraskan¸ die sich die Eiszitadelle unter den Nagel reißen m&oouml;chte¸ sowie ein mächtiger Frostwurm¸ der wiederum Glorana bekämpft. Alle senden ihre übellaunigen Schergen und Züchtungen aus¸ bekämpfen sich bis aufs Blut und verfolgen sinistre Pläne¸ die wahlweise von Borbarad¸ Nagrach¸ dem Namenlosen¸ Pyrdacor¸ dem Dämonenprinzen oder anderen kosmischen Schurken ausgeheckt wurden. Mal ehrlich¸ wer soll bei diesem Chaos noch den Überblick behalten?
Abgesehen von dieser ermüdenden Inflation des Bösen¸ die Borbarad bzw. Fanpro uns eingebrockt haben¸ ist "Firuns Atem" der gelungenste Quellenband seit der Horasreich-Box - meilenweit besser als das dröge "Königreich Almada" oder die seitenschindende Garethien-Box. Offenbar hat die Kargheit der Landschaft die Phantasie der routinierten Fanpro-Autoren angeregt! Das Geld für dieses Buch sind wirklich gut angelegt¸ denn hier enthält buchstäblich jede Seite unzählige Anregungen¸ die Lust auf einen längeren Ausflug in das ewige Eis machen.