Besuch
2000-01
(SF¸ Marc Albrecht¸ September 1988)
"Das kann doch nicht wahr sein !" "Nein... Das darf nicht passieren..." "Was... ist das wahr ?" "O Gott!" "Sei uns gnädig... Wenn das stimmt¸ ist es aus..."
"Wie ist es mit den Umwelt-Bedingungen¸ Professor ?"
Der Geologe drehte sich um.
"Es geht. Starke Radioaktivität in den unteren Schichten. Mit unseren Anzügen sollte es keine Probleme geben."
"Danke. Dann machen wir uns fertig."
Der Kommander rief die erste Gruppe auf die Brücke und instruierte sie den Regeln entsprechend.
"... Abschließend noch einige Hinweise. Der Planet dort ist großteils radioaktiv versucht. Seine Atmosphäre war einst atembar - hoher Stickstoff- und Sauerstoff-Anteil. Lassen Sie aber bitte die Anzüge geschlossen¸ obwohl die Katastrophe¸ die da alles Leben ausgelöscht hat¸ Jahrhunderte zurückliegen mu߸ ist es immer noch gefährlich¸ sich dort ungeschützt aufzuhalten. Über die Bewohner dieser Welt wissen wir nichts. Alles¸ was vom Orbit aus zu sehen ist¸ ist Ihnen bekannt. Unser vordringlichstes Ziel ist also¸ nähere Informationen über die ... Eingeborenen zu bekommen und womöglich Hinweise auf die Katastrophe zu finden. Falls erforderlich¸ werden wir uns in Gruppen von je zwei Personen aufteilen. Die Zuordnung entnehmen Sie bitte Ihrer Akte. Das wäre es¸ danke."
Brae klopfte an Garnots Kabine. "Darf ich ?" Die Antwort kam schnell. "Immer¸ Schatz." Sie betrat den engen Raum¸ den ihr Mann mit einem Kollegen teilte und sah sich um. In der Ecke lagen bereits die Werkzeuge für den Besuch auf dem Planeten. Garnot war gerade dabei¸ sich in der Waschecke zu reinigen. Seine schlanke¸ hochgewachsene Gestalt bildete einen interessanten Kontrast zu den funktionellen¸ technisch-kalten und aus Raummangel lachhaft klein gehaltenen Einrichtungen des Waschbeckens und der Toilette. Brae grinste¸ als sie daran dachte¸ wie Garnot sich beschwert hatte¸ als er zum ersten Mal die Kabine sah. "Was denn¸ wo kann sich ein normaler Mann denn hier ausbreiten !" hatte er gestöhnt. Aber sein Interesse an dieser Reise hatte ihm dann doch über alle Unannehmlichkeiten geholfen.
"Was hälst Du davon¸ wenn wir vor dem Start noch..." Garnot wandte sich um. Seine Augen blitzten¸ als er den Blick auf ihren fantastischen Körper richtete. Aber dann schüttelte er den Kopf. "Nein. Wir sollten uns voll auf unsere Aufgabe konzentrieren. Und DAZU haben wir auf der Rückfahrt noch genug Zeit." "Versprochen ?" Er lachte. "Felsenfest !"
In dem Explorer-Dingi war es eng. Die sechs Wissenschaftler und der Pilot hatten kaum Platz¸ die Luke zum Aussteigen zu öffnen. Als es ihnen endlich gelang¸ blickten sie auf ein weites Feld¸ das mit Unkraut und Gestrüpp überwuchert war. Im Hintergrund war die Silhouette der seltsamen Gebäude zu sehen¸ die man auch aus der Umlaufbahn gefilmt hatte.
Sie marschierten los¸ jeder mit seinen Aufgaben beschäftigt. Brae war für die Protokollierung des Ausfluges verantwortlich. Sie hantierte mit den zwei schweren Kombi-Kameras herum¸ bis sie ihr angenehm auf der Schulter lagen. "Kannst du mir bitte die Karte rüberreichen." bat sie Garnot¸ der als Techniker für eventuelle Funde¸ die sich als elektronisch erweisen könnten¸ zuständig war. Er gab der Frau die Magnetkarte und lief rasch hinter den anderen her.
Als sie die Stadt - oder was die Ansammlung von Bauten gewesen war - erreichten¸ begann die Biologin der Gruppe sofort mit ihren Mutmaßungen. Sie hatte sich an ein Metall-Skelett herangearbeitet und bückte sich¸ um in das Innere des Gerätes zu schauen.
"Ich bin zwar kein Profi¸ aber mir scheint¸ das hier war so eine Art Auto oder so. Jedenfalls muß es beweglich gewesen sein und ich glaube¸ es wurde von den Wesen hier gesteuert..." Der Kommander unterbrach die Frau. "Würden Sie sich bitte zurückhalten. Ich habe Ihnen doch ausdrücklich gesagt¸ jeder sollte sich um sein Spezial-Gebiet kümmern und den Kollegen das ihre überlassen. Techniker Garnot¸ bitte."
Garnot begann mit seinen Geräten die Metallteile zu untersuchen. Er löste einige Platten ab¸ die aus einer Leichtmetall-Legierung zu bestehen schienen. Darunter kam ein völlig verrotteter Apparat zum Vorschein¸ aus dem zwei Achsen wuchsen. Während die anderen sich weiter umsahen¸ beschäftigte sich Garnot mit der Maschine.
Einige Zeit später war er ziemlich sicher¸ daß die intuitive Vermutung der Biologin richtig war. Die Maschine diente zur Fortbewegung und wurde von innen gesteuert. Allerdings war sie wohl mehr als ein Auto gewesen¸ das Fehlen von Rädern oder anderen Übertragungs-Teilen auf so etwas wie eine Straße deutete darauf hin¸ daß das Gerät schweben oder fliegen konnte.
Sein Bericht wurde in das Protokoll aufgenommen und die Gruppe pirschte sich weiter vor. Es wurde zunehmend schwieriger¸ durch den Urwald zu kommen¸ der aus dem befestigten Boden sproß. Dennoch gelang es den Spezialisten der verschiedenen Bereiche¸ einiges an Informationen zu sammeln¸ so daß nach vier Stunden bereits ein ziemlich sicheres Bild über die einstigen Bewohner der Stadt stand.
Sie waren ziemlich klein gewesen. Etwa nur drei einhalb Klam hoch und ziemlich schmal. Sie besaßen wahrscheinlich zwei Beine und zwei Armem¸ einen fast kugelförmigen Kopf und einen kurzen Hals. Offensichtlich waren sie also¸ wie es in der Standardsprache hie߸ humanoid.
Humanoide fanden sich selten unter den vielen Rassen¸ die zum Weltenbund gehörten. Die Natur wählte normalerweise praktischere Formen für ihre Werke. Eines war aber allen Humanoiden gleich¸ wie die Besatzungsmitglieder des Schiffes wußten¸ sie waren unglaublich kriegerisch und jähzornig.
Ein Krieg war es allem Anschein nach auch gewesen¸ der die Bewohner des Planeten hier am Rande der Galaxie ausgelöscht hatte. Ob er allerdings von ihnen selbst ausgelöst oder von außen¸ vielleicht aus dem Weltall¸ zu ihnen gekommen war¸ war den Leuten vom Schiff nicht klar.
Es war fast Abend¸ als sie den Einstieg entdeckten. Durch eine enge Röhre ging es tief unter die Erde. Brae und Garnot hatten sich von den anderen getrennt¸ als der Kommander um Aufteilung der Gruppe gebeten hatte. Sie stiegen unter allen notwendigen Vorsichtsmaßnahmen in den Gang ein und tasteten sich in der Dunkelheit vor. Schließlich gelangten sie in einen weiten Raum¸ dessen Wände metallisch das Licht ihrer schwachen Lampen zurückwarfen. Aus dem Raum ging eine Röhre am anderen Ende heraus. Garnot hielt Brae zurück¸ die weitergehen wollte¸ und versuchte¸ Funkkontakt mit dem Kommander aufzunehmen. Nur statisches Rauschen klang aus den Kopfhörern. Der Raum hier unter der Erde war also gut abgeschirmt. Da im Falle eines Kontaktverlustes Brae das Kommando über sie beide hatte¸ folgte er seiner Frau zum Einstieg in den anderen Raum.
"Versuchen Sie¸ Kontakt aufzunehmen ! Es ist doch nicht möglich¸ daß die verschwunden sind !" "Ich versuche es ja ständig" jammerte die junge Frau am Telegraphen. "Es kommt nichts rüber !"
In dem Augenblick rief ein Offizier vom Bildschirm herüber. "Ich habe ein Bild !" Alle rannten zum großen Schirm. Die junge Funkerin aber riß plötzlich die Augen auf und fiel ohnmächtig in ihrem Stuhl zusammen¸ als das Flimmern auf dem Schirm sich zu einem Bild verdichtete.
Garnot kam hinter Brae in den Saal. Seine Frau klammerte sich an der Brüstung fest¸ die hoch über dem Rund von Bildschirmen und Tastaturen umlief. "Eine Kommandozentrale" ächzte Garnot. Der Saal war Menschenleer¸ nur eine dicke Schicht Staub lag über den Geräten. Alle Schirme waren blind¸ der größte war sogar zerstört. Eine tiefe Trostlosigkeit lag über der Szene. Garnot zog Brae¸ die sich kaum rührte¸ mit sich hinaus. Die beiden stolperten durch den langen Gang vorbei an der zerbrochenen Eingangsluke ans Sonnenlicht.
Ein paar Tage später waren sie auf dem Heimflug.
"O.k. Das war's dann wohl." seufzte der Kommandant. "Ich glaube¸ wir sollten uns jetzt um die anderen kümmern." Er folgte dem Arzt in die Krankenstube.
Die Funkerin war wieder bei Bewußtsein. "Ich hatte eine furchtbare Halluzination. Mir schien¸ als schwebte ich über mir¸ aber ich sah mich nicht. Alles... war leer... Weg... Und mit meinen Augen stimmte was nicht... Ich sah... alles so... anders." Der Arzt nickte freundlich mit dem Kopf. "Das ist normal. Der Schock hat sie umkippen lassen. Es richtet sich alles wieder..."
Garnot stand hinter Brae und schaute mit ihr auf den Planeten¸ der unter dem Schiff dahinzog.
"In dem Raum" begann Brae¸ " - ich glaube¸ Du sagtest etwas von einer Zentrale - da hatte ich eine kurze Vision. Du hast mich ja rausgezogen... Ich lag irgendwo und starrte nach oben. Um mich herum waren häßliche¸ blasse Gestalten in langen Kitteln. Sie sahen alle auf einen Bildschirm oder so etwas und krächzten in einer ekelhaften Sprache. Mir schien¸ als verstünde ich die Monster. Oh Liebling¸ es war so furchtbar..." "Denk' nicht mehr daran. Es ist vorbei."
"An einen Satz erinnere ich mich. Ich glaube¸ eines dieser mageren Wesen schrie >>...Was ist mit EUROPA<< oder so..."
Garnot legte ihr seine schuppengepanzerte Hand auf den Schulterblock und strich mit einem seiner Rüssel über die Wulst unter ihrem dritten Auge. "Wir sind bald wieder zuhause. Und Du siehst sobald kein Humanoiden mehr¸ keine Sorge..."
Die Tür des Krankenzimmers wurde aufgerissen und ein Soldat kam herein. "Sie hatten nach Europa gefragt" sprach er den Gesandten aus Paris an. "Ja ?" Der alte Mann setzte sich im Bett auf.
"Alles ist zerstört. Es gibt außer uns nur noch die Kolonien auf Mantra und Selbon. Das Leben auf der Erde ist zu Ende." "Ich habe es geahnt. Danke¸ daß Sie gekommen sind."
Marc Albrecht |